BRÄNDE

Der heisse Kaiserstuhl

Text: Rudolf Knoll

Der vulkanische Kaiserstuhl bietet nicht nur ideale Rahmenbedingungen für den Weinbau. Das führt dazu, dass ambitionierte Winzer gern ein Feuer entfachen und auch beim Destillieren viel Sorgfalt walten lassen. Vorlauf und Nachlauf haben im späteren Brand nichts zu suchen. Das weiss selbst ein strenggläubiger Moslem, dem in einem renommierten Gut in Oberrotweil seit 30 Jahren besonders delikate, feinaromatische Destillate gelingen.

Alles begann mit den Sumerern, Ägyptern, Griechen, Germanen und Römern vor 2000 und mehr Jahren. Sie stellten Wein her, schätzten dessen berauschende Einflüsse und versuchten, dieses Getränk durch extremes Erhitzen haltbarer zu machen, was die Konzentration erhöhte und die Wirkung verstärkte. Die Kunst der Destillation entwickelte sich allerdings erst im 12.  und 13. Jahrhundert nach Christus, und zwar vorwiegend in Klöstern, die darauf aus waren, Heilmittel zu gewinnen, und dabei die Nebenwirkungen gerne in Kauf nahmen.

Bei der Herstellung von Alkoholdestillaten gab es bald ein bis heute unverändertes geografisches Nord-Süd-Gefälle. Während im Norden meist Getreide und Kartoffeln zu Destillaten verarbeitet werden, herrschen im weinlastigen Süden Rückstände der Weinproduktion, also Trester und Hefe, sowie Obstbrände vor. Reben und Obstanlagen verstehen sich gut. Man sieht es, wenn man durch den Kaiserstuhl fährt. In den flachen, tiefer gelegenen Fluren sind viele Kirsch und Birnbäume zu sehen, während etwas höher, auf den für das Gebiet typischen kleinen und grossen Terrassen, auf rund 4000 Hektar Burgundersorten, Silvaner und Müller-Thurgau wachsen.

Für beide Gattungen ist das 16 Kilometer lange und bis zu 12 Kilometer breite Mittelgebirge, das bei Vulkanausbrüchen vor 19 bis 16 Millionen Jahren entstand, ideal geeignet. Der Vulkanboden mit seiner hohen Lössauflage speichert Wärme und Feuchtigkeit und trägt damit zu ausgezeichneten Qualitäten bei den wachsenden Früchten bei. Auch namhafte Winzer kombinieren gerne und lassen neben ihrer Weinproduktion den Kaiserstuhl brennen. Auf den folgenden Seiten stellen wir einige von ihnen vor.

Auf in die Brenner-Runde

Fast entschuldigend meint Konrad Salwey: «Mein Vater machte früher einige Dutzend Brände. So viele kann ich heute nicht mehr bieten.» Doch genau genommen war der im Januar 2011 tragisch verunglückte Wolf-Dietrich Salwey eine badische Winzerpersönlichkeit und nicht der Macher dieser Spirituosen. Seit über 30 Jahren kreiert der Tunesier Boubaker Bensadi die Brände. Als junger Mann verschlug es ihn an den Kaiserstuhl. Eigentlich ist er gelernter Kfz-Meister. Die ersten Kontakte zum Wein gab es bei kürzeren Engagements bei Franz Keller in Oberbergen (wo er Junior Fritz arabische Schimpfwörter beibrachte) und im Weingut Probst in Achkarren. Dann wurde der heute 61-jährige «Sandi» zum unentbehrlichen Mitarbeiter von Wolf Dietrich Salwey.

«Sandi hat eine unglaublich gute Nase und Zunge, trinkt aber als strenggläubiger Moslem nur ganz selten etwas Alkohol», weiss Konrad Salwey. «Bei der Zusammenstellung von Wein-Cuvées will ich nicht auf seinen Rat verzichten. Er alleine ist für das Brennen verantwortlich. Ich bin nur für das Marketing und das Material zuständig», lacht der 41-Jährige. Wenn sich die beiden unterhalten, muss der Mithörer alemannisch verstehen. «Sandi schreibt sogar alemannisch. Der Chardonnay heisst bei ihm Schardonne und Wein Wy.»

Sandis berühmter Apfelbrand

Für die Reduzierung des Sortiments hat Konrad Salwey gesorgt, ebenso für eine neue 0,5-Liter-Flasche in optisch auffälliger Form. Bald auslaufen wird mangels Nachfrage der feine, klare Hefebrand. Aber es gibt dennoch genügend Vorräte von raffinierten Hochgeistigen aus Sandis Werkstatt wie das Rinzbergwasser vom Glottertaler Apfel, drei Jahre in Eiche gereift. «Mein Vater hätte das gern Calvados genannt», erinnert sich Konrad Salwey. Oder die Wildkirsche mit ihrem tollen Aroma, die durch eine extrem aufwändige Ernte das mit Abstand teuerste Produkt im Haus ist (50 Euro für 0,5 Liter). Sauerkirsche, Zwetschgenwasser, Mirabelle und der Himbeergeist mit seiner förmlich anspringenden Frucht gehören ebenfalls zu Sandis Paradestücken. Und natürlich der Spätburgunder Trester sowie der Williams Christ («unser Renner»), mit denen das Weingut beim aktuellen «Gault & Millau» die Listen der Kategorien Trester und Obstbrand mit 93 und 94 Punkten anführt. Ganz so weit auf der Skala schaffte es der Betrieb mit seinen Weinen nicht.

Bei seinem früheren Arbeitgeber, dem Weingut Franz Keller in Oberbergen, hinterliess Sandi am Destilliergerät keine Spuren. Das Weingut hatte zwar einige Obstbrände zu bieten, derzeit ist es jedoch «ausgeblutet». Immerhin hat man noch eine Hefe vom Jahrgang 2004 mit stattlichen 50 «Volt» gelagert, bei der die Nase ins Vibrieren kommt. Mutig ist der Name Adolf. «Das geschah in Erinnerung an unseren früheren Brennmeister Adolf Schätzle», klärt Fritz Keller auf.

Sein Freund Joachim Heger in Ihringen nimmt für seine Brände seit einigen Jahren fremde Hilfe in Anspruch, weil das alte Brennhäusl einem Neubau weichen musste. Aus der Zeit der Eigenbrennerei stammt noch eine feine, zarte Hefe. Ansonsten werden die Trester, die alle von Grossen Gewächsen aus dem Ihringer Winklerberg stammen, gleich nach dem Abpressen 350 Kilometer in den Norden transportiert. In Kail im Landkreis Cochem-Zell wirkt der namhafte Brenner Hubertus Vallendar, der die Reste von Grauburgunder, Gewürztraminer und Spätburgunder auf unterschiedliche Art gekonnt veredelt. Der Spätburgunder ist feurig und temperamentvoll, der Gewürztraminer blumig und schmiegsam, der Grauburgunder ungemein klar und weich. Um einen delikaten Restposten handelt es sich beim nach dem keltischen Gott benannten Weinbrand Lenus Nr. 1, den Heger 1994 mit Kumpel Vallendar eigentlich als Beginn einer Serie kreierte. Vielleicht wird er endlich für eine Fortsetzung sorgen. Denn bald muss er wieder zu Hause brennen, damit sein Brennrecht nicht flöten geht.

«Eine Invasion von Billigkirschen aus Osteuropa hat 1971 dazu geführt, dass wir unsere eigenen Sauerkirschen nicht mehr verkaufen konnten. Also haben wir sie gebrannt – mit Erfolg.»

Arno Bercher aus Burkheim

Ortswechsel nach Burkheim. Hier erzählt Arno Bercher, wie man vor über 40 Jahren dazu kam, auch mit Bränden durchzustarten. Das traditionsreiche Weingut (1756 gegründet) fuhr einst zweigleisig: Nebst der Weinproduktion verkaufte man Sauerkirschen auf dem Markt. Aber 1971 kam es zu einer regelrechten Invasion von billigen Kirschen aus dem europäischen Osten, der Absatz bei den Berchers brach ein. Die damaligen jungen Chefs Rainer und Eckhardt Bercher fragten in Geisenheim nach, was man mit Kirschen sonst noch anstellen könne, und bekamen die Auskunft: Schnaps brennen. Da damals schon Hefe und Trester verwertet wurden, gab es die notwendigen Kenntnisse und Geräte. «Der Erfolg war frappierend», weiss Arno, der Sohn von Rainer Bercher. «1976 hat das Weingut komplett umgestellt und auf den Obstverkauf verzichtet.»

Heute haben der für die Aussenwirtschaft zuständige Martin (ebenfalls Sohn von Rainer) und Arno für ihre Brände einen ausgezeichneten Ruf. «Wer unsere Weine nicht kennt, kennt unseren Schnaps», lacht der für den Ausbau verantwortliche Arno. Er achtet auf viel Gehalt und steuert stets 45 Volumenprozent Alkohol an. «So etwas sauber zu brennen ist die höhere Kunst, als einen Brand scharf zu verdünnen», doziert er. Grundsätzlich wird zweimal gebrannt. Neben ihrem vielgelobten Sauerkirsch, der im Juli oder August entsteht, gibt es auch Quitte ohne ihre typische Schärfe, zartgliedrigen Williams sowie natürlich Hefe und Trester, Letzterer als Marc deklariert. «Aber an der Sauerkirsche hängt unser Herz», lacht Arno Bercher. Er kann mit seinen nicht verkäuflichen Vorräten demonstrieren, dass guter Brand mit dem Alter besser wird. Der Williams von 1986 wirkt leichtgewichtig und verspielt, der Marc vom Burgunder von 1985 gefällt mit weicher, ausgewogener Fülle. Die Quitte aus 1988 streichelt die Zunge zärtlich. Aber alles wird übertroffen vom äusserst fruchtigen und eleganten Sauerkirsch von 1976. So hatten die Billigimporte der 70er Jahre auch gute Seiten. 

Alle haben 42 «Volt»

Als sich Reinhold Schneider aus Endingen 1981 vom «geistigen Leerlauf als Genossenschaftsmitglied» befreite und mit Gattin Cornelia ein kleines Weingut gründete, war das Brennrecht schon sein zweites Standbein. Einen Namen machte sich Schneider zunächst mit seinen Weinen, die allesamt durchgegoren waren und deshalb bei der Weinprüfung regelmässig abgelehnt wurden. So verkaufte sie der störrische Endinger erfolgreich als Tafelweine. Heute steht ihm Junior Alexander (31) zur Seite. Die beiden wechseln sich beim Brennen ab. «Wer halt Zeit hat», beschreibt der Sohn die Arbeitsteilung. Das durchgängig im Fass gereifte, auf 42  Volumenprozent eingestellte Sortiment ist breitgefächert und enthält auch einige Spezialitäten, wie einen weichen, feinwürzigen Wildholunder, die zarte, geschmeidige Wildpflaume und die sehr feine Wildkirsche (fünf Jahre im Kirschholz gereift). Aber der Schwerpunkt liegt beim Marc, von dem es gleich vier verschiedene Sorten (Riesling, Burgunder, Muskateller und Cuvée) gibt. Beim Riesling-Trester gelingt es den Schneiders, die typische Frucht in einen verführerisch duftenden Brand hinüberzuretten.

Auf Marc vom Muskateller muss die Kundschaft bald verzichten. «Die Sorte ist zu launisch im Ertrag, wir haben die Anlage aufgegeben», sagt Alexander und verrät auch gleich, wer in der Familie der grösste Brand-Vertilger ist: «Meine Mutter, wenn sie backt. In jedem Kuchen steckt ein Edelbrand.»

Die Brenner-Runde endet in Bischoffingen beim Kleinstwinzer Armin Göring (ein Hektar Reben), der einige Jahrzehnte in leitenden Funktionen in der Weinwirtschaft tätig war. Nach dem Breisacher Winzerkeller der nicht mehr existierenden rheinhessischen Genossenschaft in Gau-Bickelheim und der Sektkellerei Deinhard war er neun Jahre lang Geschäftsführer des Deutschen Weininstitutes in Mainz. Als man sich 2006 von ihm trennte, entschloss er sich, zu seinen badischen Wurzeln zurückzukehren. 

Mit weichem Quellwasser

Der verstorbene Vater hatte in Bischoffingen eine kleine Brennerei betrieben. Autodidakt Göring sorgte für eine Fortsetzung, las sich intensiv ins Thema ein, fachte den Brennofen wieder für Trester und Hefe sowie Apfel, Kirsche und Quitte an und erlebte zunächst zwei Reinfälle. «Mein erster Kirschbrand hatte nach einer Fehlgärung einen schlimmen Lackgeruch, und der Nachfolger roch nach Essig.» Aber der heute 64-Jährige war lernwillig. Als ihm der erste Brand gelang, goss er einen Schluck auf das Grab des Vaters. Mittlerweile ist das Brennen für Göring fast zur Routine geworden. Der Alkoholgehalt seiner Produkte ist etwas unterschiedlich. Eingestellt wird er mit «extrem weichem Quellwasser aus Ettenheim». Eine Riesling-Hefe füllte Göring mit 50 Volumenprozent ab, ansonsten schwanken die Werte zwischen 42 und 45 Volumenprozent. Der würzige Apfelbrand und ein Weissburgunder-Trester gefallen besonders gut. Wenn sie die nötige Reife bekommen haben, werden sie noch besser sein. Erfolgreich verlief ein Experiment mit Proberesten vom Deutschen Rotweinpreis, die 2011 zu einem klaren Rotweinbrand verwertet wurden. Für dieses Jahr hat Göring eine Neuauflage geplant.

vinum+

Weiterlesen?

Dieser Artikel ist exklusiv für
unsere Abonnenten.

Ich bin bereits VINUM-
Abonnent/in

Ich möchte von exklusiven Vorteilen profitieren