Korčula, Kroatien

Die knackige Insel

Text und Fotos: Thomas Vaterlaus

  • In Sichtweite der Lage Dingač, wo schwere Rotweine reifen, liegt die Leichtweininsel Korčula.
  • In purem Sand fühlt sich die alteingesessene Inselsorte Grk am wohlsten.

An der süddalmatinischen Küste, inmitten eines Heavy-Rotweingebietes, liegt eine kleine Insel, die mit Weissweinen von geradezu tänzerischer Eleganz verblüfft. Wir haben die kroatische Zauberinsel Korčula in Augenschein genommen.

 

Grk? Das ist ein Name mit dem Charme eines Knochenbruches. Ein Name aus drei Konsonanten. Kein normaler Mensch würde vermuten, dass sich hinter diesem zungenbrechenden Konstrukt einer der elegantesten und eigenständigsten Weissweine des gesamten Mittelmeerraumes verbirgt. Der Ausdruck «Grk» sei früher entweder für «griechischen Ursprung» oder aber für «bitter und hart» verwendet worden, meinen die Bewohner der kleinen kroatischen Insel Korčula, wo die Sorte im idyllischen Badeort Lumbarda auf puren Sandböden mit Sicht aufs Meer kultiviert wird.

Beide Interpretationen sind aus heutiger Sicht falsch. Zwar fand man in Lumbarda tatsächlich auf einer Steintafel die älteste Inschrift von Kroatien, die einen Verhaltenskodex zur Schlichtung von Landstreitigkeiten zwischen Griechen und Illyrern beschreibt. Die Tafel stammt aus dem dritten Jahrhundert vor Christus, nicht abwegig, dass man annahm, die eingewanderten Griechen hätten nebst menschlichen Umgangsregeln auch eine weisse Rebsorte mit im Gepäck gehabt. Doch Rebforscher konnten vor kurzem mittels DNA-Analysen nachweisen, dass es sich bei einem Elternpaar der Sorte um den Tribidrag (identisch mit Primitivo) handelt. Da es noch weitere Beziehungen zu Apulien gibt, vermuten sie nun, dass die Sorte irgendwann von dort nach Korčula gekommen sei. Für den griechischen Ursprung gibt es dagegen keine Indizien. Auch die zweite Bedeutung «bitter und hart» trifft aus heutiger Sicht nicht mehr zu. Es kann zwar sein, dass die Sorte früher bei unreifer Lese harsche Weine ergab, heute zeigen sich die Grk-Weine aber ungemein filigran, reintönig und elegant.

Die Anfahrt zu diesem Weissweinwunder beginnt in Dubrovnik und führt von dort auf die nahe gelegene Halbinsel Pelješac, genauer gesagt ins Hafenstädtchen Orebić, von wo man mit der Fähre die Insel in nur 20 Minuten erreicht. Pelješac ist die Hochburg der roten Plavac-Mali-Traube, die hier alkoholstarke und extraktsüsse Weine im Amarone-Stil ergibt. Vor allem die Toplage Dingač gilt als Inbegriff von hochkonzentrierten, oft geradezu schwer verdaubaren Rotweinen. Wer den Meereskanal überquert hat und von der Insel-Metropole Korčula-Stadt aus in das Grk-Winzerdorf Lumbarda gefahren ist, sieht von dort aus exakt diesen Dingač-Grand-Cru auf der anderen Seite des Wassers. Es ist schon ein Kuriosum, dass sich die Plavac-Mali-Reben, die den wohl schwersten Rotwein Dalmatiens ergeben, und die Grk-Stöcke, die den filigransten Weisswein Dalmatiens hervorbringen, quasi in Sichtweite gegenüberstehen.

Ein Zwitter mit Grazie

Der Sand, in dem die Grk-Stöcke in Lumbarda wurzeln, ist bis zu 20 Meter tief, und das Tal ist offen für kühle Nordwinde. Der Ertrag der Parzellen ist von Natur aus sehr gering. Nicht nur wegen der ungewöhnlich kleinen Beeren. Während es sich bei fast allen Rebgewächsen um Zwitterpflanzen handelt, die sich selbst befruchten, ist die Sorte Grk weiblich. Darum findet man in jedem Grk-Rebberg mindestens ein Drittel andere Sorten, damit diese den Grk mit ihrem Pollen befruchten. Heute keltern acht Winzer in dieser Idylle ihre Grk-Weine. Weil vier dieser Weinbauern eigene Restaurants besitzen, ist der Wein schnell weg. Seit zudem immer mehr Kreuzfahrtschiffe die Insel anlaufen und mehr Weinfreaks das Qualitätspotenzial der Sorte entdecken, ist der Wein vollends zur Rarität geworden. Im Mai abgefüllt, sind die letzten Flaschen meist schon im Oktober verkauft.

Trotz diesem Run feilen die Winzer, vor allem die beiden Topproduzenten Frano Milina Bire und Branimir Cebalo, weiter an ihren Crus. Maischenstandzeiten von einigen Stunden vor der Gärung, monatelanger Ausbau auf der Feinhefe und vorsichtiger Holzausbau zeigen vielversprechende Resultate. Der rustikal-gemütliche, aus lokalem Stein gebaute Agriturismo der Winzerfamilie Milina Bire ist der beste Ort, um in die Grk-Welt einzutauchen. Vom Olivenöl über den Käse bis zum luftgetrockneten Schinken ist hier alles hausgemacht. Und das Paté vom getrockneten Fisch, das er zu seinem vorzüglichen Grk auftischt, ergibt eine perfekte Mariage.

Übrigens: Wer die kleine Grk-Idylle von Lumbarda ausgelotet hat, kann wenige Kilometer weiter, im Innern der Insel zwischen den Städtchen Blata und Smokvica, in das zweite Weissweinwunder von Korčula eintauchen. Hier bringt in ebenfalls sandigen, aber doch etwas nährstoffreicheren Böden die Sorte Pošip ebenfalls hochkarätige weisse Crus hervor. Im Gegensatz zum geradlinigen, klar strukturierten Grk wirken die Pošip-Weine etwas reichhaltiger. Mit ihrer reifen Mineralik, oft ergänzt mit einer Spur von Kräutern, Rauch und Jod, erinnern sie von der Aromatik manchmal an die weissen Crus aus Châteauneuf-du-Pape, zeigen aber dann im Gaumen oft überraschend viel Frische und Biss. Die zwei kleinen, aber überaus feinen Weisswein-Hochburgen von Korčula liegen nur wenige Kilometer von den Stränden und der pittoresken Hauptstadt entfernt.

Wer die Insel und ihre Weine wirklich kennenlernen möchte, sollte sie ausserhalb des Sommerferien-Trubels besuchen. Spätestens ab Oktober, wenn die kühlen Nordwinde einsetzen, fällt Korčula in seinen wohlverdienten Winterschlaf. In der mittelalterlichen Altstadt von Korčula-Stadt ist dann von den nur noch 200 Einwohnern fast niemand mehr zu sehen. Das einzige Spektakel ist die stündliche Ankunft der Fähre.

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Gerade mal 500 Hektar sind auf der langgezogenen, 270 Quadratkilometer grossen Insel Korčula mit Reben bestockt. Verblüffend viel Frische und Struktur zeigen hier besonders die weissen Crus, die vorwiegend aus der Sorte Pošip gekeltert werden, mit der rund die Hälfte der Rebfläche bestockt ist. Noch rarer und in der Qualität noch eine Spur höher einzustufen sind die Weine aus der Sorte Grk. Nur acht Winzer produzieren von dieser Spezialität maximal zwischen 20 000 und 30 000 Flaschen pro Jahr. Hier vier Kellereien, die aus Grk und Pošip mithin die besten Weissweine der Insel keltern:

 

Frano Milina Bire

HR-20263 Lumbarda

Tel. +385 (0)20 71 20 07 | www.bire.hr

Der Winzer Frano Milina Bire produziert einen Grk mit herrlich blumig-würzigen Aromen, viel Struktur, Frische und edlen zartbitteren Noten. Zum Weingut gehört auch ein Restaurant, in dem hausgemachte Spezialitäten serviert werden, und eine Pension mit zehn bequemen Zimmern.

 

Branimir Cebalo

HR-20263 Lumbarda

Tel. +385 (0)20 71 20 44

Produziert den vielleicht besten Grk in Lumbarda. Sehr komplex im Ausdruck, mit mineralischen Komponenten. Im Gaumen sehr voll und vielschichtig, im Auftakt von fast öliger Textur, dann getragen von einer saftigen Säure. Langanhaltend.

 

Luka Krajančić

Zavalatica 313 | HR-20273 Čara

Tel. +385 (0)20 832 10 00 98

Luka Krajančić ist ein charismatischer Winzer. Sein Pošip Intrada zeigt sich floral, elegant und geradlinig, sein Pošip sur lie, der 42 Stunden auf der Maische liegt und dann in 750-Liter-Fässern ein Jahr auf der Hefe reift, ist ein vielschichtiger, sehr beeindruckender Cru.

 

Vina Milina

Smokvica 289 | HR-20272 Smokvica

Tel. +385 (0)20 83 11 67

Das Mini-Weingut, das eineinhalb Hektar bewirtschaftet, bringt einen erstklassigen, sehr eleganten Pošip in die Flasche. Aromen von Blüten und Kräutern, dazuein Anflug von Zitrusfrucht. Im Gaumen dicht und voll, getragen von einer saftigen Säure.

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