BRÄNDE

Durbacher Brenn-Oldie

Interview: Rudolf Knoll

Demnächst feiert Heinrich Männle seinen 82. Geburtstag. Vermutlich ist er damit der älteste noch aktive Brenner und Winzer Deutschlands. Grund genug, ihn in Durbach-Sendelbach zu besuchen und mit ihm über badische Brände zu plaudern.

Herr Männle, wie jung waren Sie, als Sie erstmals die Brennerei des Vaters betreten durften?

Mit vielleicht sechs, sieben Jahren habe ich meinem Vater das erste Mal beim Brennen zugeschaut. Ich musste aufpassen. Es kam bei den damaligen Gerätschaften schon mal vor, dass das Material hochstieg und es kleine Explosionen gab. Einmal hat sich mein Vater sogar das Gesicht etwas verbrannt.

Sie erzeugen neben traditionellem Trester auch Obstbrände. Wie viele Kirsch- und Birnbäume gehören zu Ihren Arealen?

Sicher über 200 Kirschbäume und bestimmt 800 Bäume für unseren Williams Christ. Dafür könnte ich eigentlich sechs, sieben eigene Brennrechte benötigen. Aber ich habe nur zwei, die für jeweils 300  Liter reinen Alkohol gelten.

Gilt diese Regel für jeden Brenner?

Sie gilt für jeden Abfindungsbrenner, so werden jene bezeichnet, die in kleinerem Umfang aktiv sind. Davon gibt es über 20 000 in Deutschland, allein im Badischen vermutlich 7000. Dazu existieren noch mehr als 200 000 kleinere Alkoholerzeuger, genannt Stoffbesitzer, die maximal 50 Liter Branntwein pro Jahr produzieren dürfen. Und dann gibt es die grösseren Verschlussbrennereien, die unterschiedliche Mengen an Branntwein produzieren. Der Markt war lange Zeit streng reglementiert über die Bundesmonopolverwaltung, die dem Bundesministerium der Finanzen zugeordnet ist.

Sie sagen «war reglementiert»...?

Für die Abfindungsbrennereien läuft das Monopol am 30. September 2017 aus, weil dieses System von der EU einkassiert wurde. Danach wird es spannend. Es kann durchaus sein, dass die Zahl der betrieblichen Kleinbrenner, die ohnehin zurückgeht, weiter schrumpft.

Was stört Sie beim bisherigen Reglement am meisten?

Dass die Zollrechnung sofort kommt, wenn wir gebrannt haben, egal, wann die Flaschen verkauft werden. Das sind bei 50  Liter reinem Alkohol immerhin über 500 Euro. Viele unserer Brände bevorraten wir einige Jahre, die Reife tut ihnen gut. Ich habe zum Beispiel einen 20-jährigen Trester, der in einem Fass von Asbach lagerte. Er schmeckt heute wie ein feiner Cognac.

Wie entsteht ein guter Brand?

Wichtig ist das gesunde Ausgangsmaterial. Ich bin ein Fan von reinen Naturprodukten und hole meine Kirschen und Birnen schonend mit einem Tausend Kilo-Container rein. Das Material soll reichlich Zucker enthalten. Bei meinen Kirschen können das schon mal über hundert Grad Öchsle sein. Dann wird Hefe zugesetzt, und die Gärung beginnt. Danach bleibt alles noch einige Monate im vollen, abgedeckten Behälter auf der Maische, ehe gebrannt wird und ich den Feinbrand gewinne, der dann mit neutralem Quellwasser aus einem nahen Wald auf Trinkstärke verdünnt wird.

Hat sich die Qualität der Brände durch modernere Technik im Vergleich zu früher verbessert oder verschlechtert?

Nicht unbedingt. Wichtig sind Erfahrung und Sorgfalt bei der Verarbeitung der Naturprodukte. Aber es gibt Arbeitserleichterung bei der Ernte durch gute Rüttelmaschinen. Und es wurden Kirschsorten gezüchtet, die besonders gesund sind und sich gut schütteln lassen. Was mir nicht gefällt, ist der immer wieder zu ahnende Einsatz von künstlichen Aromastoffen. Vor allem im Likörbereich ist offenbar alles erlaubt. Nach solchen Zusätzen wird selten gefahndet, weil die Untersuchungen recht teuer sind.

Ihr Williams Christ enthält einen besonderen Zusatz, nämlich eine ganze Birne. Wie kommt sie in die Flasche?

Nicht im ausgereiften Zustand über die am Boden aufgeschnittene Flasche, wie es häufig praktiziert wird. Bei mir wachsen die Birnen langsam in die Flasche. Ich stecke die Blüte hinein und hänge die Flasche so auf, dass sich kein Kondenswasser bilden kann. Dann hoffe ich, dass die Birne heranwächst und richtig ausreift, ohne Schaden zu nehmen. Später kann man sie jahrelang in der Flasche lassen und immer wieder nachfüllen. Ich war 1968 vermutlich der Erste in Deutschland, der so etwas praktizierte.

Knapp 5,5 Liter Spirituosen trinkt der durchschnittliche Deutsche im Jahr. Wie viel trinkt Heinrich Männle?

Die Menge zähle ich nicht. Aber ich gönne mir – bei bester Gesundheit – nahezu jeden Tag ein kleines Gläschen, meistens am Abend nach einem gemütlichen Abendbrot, am liebsten Williams-Edelgold. Wichtig ist, dass man einen Brand nicht einfach schnell wegkippt, wie es viele machen. Man soll die Frucht mit Nase und Zunge ergründen und langsam geniessen. Und man soll an andere Verwendungsmöglichkeiten denken.

Die da wären?

Probieren Sie mal Vanilleeis mit meinem Kirsch-Edelblut mit Fruchtauszügen – ein Hochgenuss. Ich kenne Konditoren, die ihre Schwarzwälder Kirschtorte mit einem Schuss Kirschwasser verfeinern, oder Metzger, deren Salami durch etwas Kirschwasser mehr Pfiff bekommt.

Zur Person

Heinrich Männle wurde am 13. Mai 1933 geboren. Das Weingut in Durbach (gegründet 1737) übernahm er im Alter von 23 Jahren vom Vater. Bald sammelte er Medaillen wie andere Leute Briefmarken und machte sich einen Namen als «Rotwein-Männle». 1993 baute er mit eigenen Händen einen bemerkenswerten Gewölbekeller aus Granit für seine Barriques und erst vor knapp zehn Jahren einen weiteren Granitkeller für normale Fässer. Mit Tochter Sylvia und beaufsichtigt von seiner Frau Wilma bewirtschaftet der Rastlose knapp sechs Hektar Reben und 3,5 Hektar Obst. Hochgeistige Spezialitäten sind der Williams Christ-Birnenbrand, das Haferpflaumenwasser, Kirsch-Edelgold mit Wildkirschen in der Flasche und diverse Brände mit Fruchtauszügen.

Wenn Brennküchen rauchen

Badische Obstbrände und Liköre aus Kirschen, Zwetschgen, Äpfeln und anderen zuckerreichen Früchten gelten als ein Stück Kulturgeschichte und als Beitrag zur Erhaltung einer schönen, reizvollen, kunterbunten Landschaft. Meist rauchen die Kamine der Brennküchen im Winter, wenn die im Sommer eingemaischten und vergorenen Ausgangsprodukte verarbeitet werden können. Das Brennen hat vor allem in der Ortenau Tradition. Schon 1726 gestattete der Bischof von Straßburg, Kardinal Armand Gaston de Rohan, den bäuerlichen Untertanen des Amtes Oberkirch das Brennen von Kirschen zum Eigengebrauch. Der Kirschenanbau wurde danach im Acher- und Renchtal besonders gefördert und empfohlen. Die Landwirte bekamen damit eine zusätzliche Einnahmequelle und konnten ihre wirtschaftliche Situation verbessern – aber zudem mehr Steuern abliefern...

Nach 1945 gab es noch rund 45000 Kleinbrenner im süddeutschen Raum. Heute gibt es im Badischen noch etwa 15000 Mini-Brenner, die durch ihre Tätigkeit den an Überproduktion leidenden Obstmarkt entlasten. Das Zentrum mit über 7000 Klein- und Obstbrennern ist der Ortenaukreis. 

vinum+

Weiterlesen?

Dieser Artikel ist exklusiv für
unsere Abonnenten.

Ich bin bereits VINUM-
Abonnent/in

Ich möchte von exklusiven Vorteilen profitieren