Ernte 2014

Der Misere entronnen

 

Text: Benjamin Herzog

Die Winzer Europas sind sich einig: 2014 war ein ungewöhnliches Jahr. Der milde Winter, der nasse Sommer und der damit verbundene Krankheitsdruck sorgten in vielen Gebieten für Unsicherheit und einen selten gesehenen Selektionsaufwand. Doch von Deutschland bis Italien ist Aufatmen angesagt: Die Jungweine sind besser, als lange befürchtet wurde.

 

Der Jahrgang 2014 verlangte besonders den Winzern in den nördlichen Anbaugebieten Europas alles ab. Der viele Regen, der daraus resultierende Krankheitsdruck und der Schädlingsbefall bei frühreifen Sorten liessen das Schlimmste erahnen. Doch viele Anbaugebiete erlebten einen Bilderbuchherbst mit sonnigen Tagen und kühlen Nächten, der es erlaubte, das Traubengut voll ausreifen zu lassen. Wer bis zum Schluss durchhielt und dann strikt selektionierte, wurde schliesslich mit guter Qualität belohnt.

Während die regulären Weine bei entsprechender Selektion gut bis sehr gut ausgefallen sind, werden spät gelesene Spezialitäten aus dem Jahrgang 2014 besonders rar sein. An der deutschen Mosel zum Beispiel war gesundes Lesegut mit hohem Mostgewicht selten, sodass es wenig Weine mit hohem Prädikat geben wird. Ähnlich verhielt es sich in der österreichischen Wachau, wo viele Winzer keine Smaragdweine aus dem Jahr 2014 abfüllen können. Auch verschiedene Betriebe aus dem südschweizerischen Tessin haben angekündigt, mangels entsprechenden Traubenmaterials auf die Produktion eines lange im Holzfass ausgebauten Spitzen-Merlots verzichten zu müssen.

Glücklicher Süden

Zufrieden mit der Ernte 2014 sind die Winzer in den südlichen Anbaugebieten, auch wenn das Jahr für sie einige Überraschungen bereithielt. Die Produzenten Portugals und Spaniens berichten von einer Reifephase mit ungewohnt milden Temperaturen und viel Niederschlag. Gerade in Weingebieten, wo die Reben in Durchschnittsjahren mit Trockenstress zu kämpfen haben, war diese Anomalie im Jahresverlauf durchaus willkommen. Das Resultat: frische Weine mit moderatem Alkoholgehalt, die zu überzeugen wissen. Winzer in Bordeaux sprechen 2014 von einem Spitzenjahr, vergleichbar mit 2010, und die Winzer in Italien sagen, die Menge sei zwar gering, die Qualität dafür aber in vielen Gebieten gut.

Die Konsumenten im deutschsprachigen Raum beschäftigte vor allem eine Frage während der Ernte 2014: Wird uns die für die Trauben schädliche Kirschessigfliege den ganzen Jahrgang vermiesen? Die Antwort nach beendeter Lese lautet entschieden Nein. Im Grossteil der betroffenen Gebiete wurden früh Gegenmassnahmen ergriffen, und die lästige Plage wurde im Verlauf des Herbstes eingedämmt. Denn während bei frühreifen den roten und leicht bronzierten Weintrauben die Ausfälle stellenweise gross waren, blieben später reifende Sorten wie Pinot Noir in vielen Anbaugebieten verschont. Es scheint, als ob der Medienrummel um die Kirschessigfliege in vielen Gebieten grösser war als der tatsächliche Schaden.

Abschliessend lässt sich also sagen, dass der Jahrgang 2014 in den nördlichen Anbaugebieten qualitativ äusserst heterogen ausfiel. In südlichen Anbaugebieten wie Alentejo, Languedoc und Süditalien sowie in Bordeaux konnten dagegen Spitzenqualitäten geerntet werden.

Jahrgang 2014 – so sehen ihn die Winzer in Europa

 

Douro und Dão - Nasser Sommer

«Normalerweise ist die Vegetation bei uns im Sommer gelb und braun, doch dieses Jahr war noch im August alles grün. Zum Glück hatten wir die meisten Trauben geerntet, als der grosse Regen kam. Erstaunt hat mich, dass unsere biodynamischen Rebberge weniger Fäulnis aufwiesen als die konventionellen.»

Dirk van der Niepoort, Niepoort Vinhos

 

Alentejo - Aussergewöhnlich gut

«Erst nach der Ernte ist uns klar geworden, was für einen herausragenden Jahrgang wir im Keller haben. Der Sommer war kühler als sonst. Doch gerade weil die Reben nie in Hitzestress kamen, haben wir hochkonzentrierte Rotweine, tiefdunkel und intensiv, aber auch mit einem überraschend hohen Säuregehalt.»

Luís Duarte, Herdade dos Grous, Rubrica u.a.

 

Ribera del Duero - Spitzenjahr

«Als die Ernte in Spanien begann, führten sintflutartige Regenfälle vielerorts zu Überschwemmungen. Doch in Ribera del Duero blieben wir auf wundersame Weise verschont. Wir sind wohl das einzige Weinbaugebiet in Spanien, das 2014 wirklich Trauben von absoluter Spitzenqualität einkellern konnte.»

Javier Zaccagnini, Bodegas y Vinedos Aalto

 

Bordeaux - Die beste Ernte seit 2010

«Bei uns herrschte Herbst im August und Sommer im September und Oktober. In Pessac-Léognan ernteten wir tolle Weissweine und extraktreiche, perfekt ausgereifte Rote. Der Cabernet ist besonders gelungen und hat vollfruchtige Weine ergeben. Für mich die beste Ernte seit 2010.»

Eric Perrin, Château Carbonnieux

 

Rhône - Perfektes Septemberwetter

«Der Jahrgang hält weit mehr, als der feuchte, kalte Sommer versprach. Das perfekte Septemberwetter ermöglichte eine optimale Reife. Die Syrah litt unter den Attacken der asiatischen Kirschessigfliege und musste stark gesondert werden, damit die Qualität stimmte. Die Weissen sind perfekt ausbalanciert.»

Paul Amsellem, Domaine Georges Vernay

 

Mosel - Besser als die Prognose

«Der Selektionsaufwand war enorm und ging auf  Kosten des Ertrags. Aber die Mühe hat sich gelohnt. Wir ernteten wunderbare Rieslinge. Grosse Gewächse sind rar, denn gesundes Lesegut mit hohen Mostgewichten war selten. Der Jahrgang wird alle negativen Erwartungen und Prognosen eines Besseren belehren.»

Annegret Reh-Gartner, Weingut Reichsgraf von Kesselstatt

 

Wachau - Weniger Smaragde

«Es war eine schwierige Ernte, die den Lesehelfern viel abverlangte. Die Aromareife bei den Hauptsorten Grüner Veltliner und Riesling ist gut eingetreten, die Zuckerreife hinkte beim Veltliner etwas hinterher, weshalb es bedeutend weniger Smaragde geben wird. Die Weine sind etwas leichter, mit guter Balance.»

Emmerich Knoll, Weingut Knoll und Vorsitzender Vinea Wachau

 

Pfalz - Riesling und Pinot sind top

«Menge und Qualität sind gut, etwas besser als 2013. An der Spitze sind besonders Riesling und Pinot hervorragend. Die Kirschessigfliege sorgte für grosse Anspannung. Eine frühe, penible Auslese war beim Dornfelder nötig. Die anderen Sorten wurden glücklicherweise kaum befallen.»

Werner Knipser, Weingut Knipser

 

Nordburgenland - Regenreich

«Die Ernte war die bisher grösste Herausforderung in meinem Winzerleben, nach mehr als 300 Litern Regen pro Quadratmeter von Juli bis September. Die Folge waren Überflutungen, nur bedingt reife Trauben und viel Botrytis. Doch es gibt auch hervorragende Qualitäten von Spätlese bis Trockenbeerenauslese.»

Gerhard Haider, Weinbau Gerhard Johann Haider

 

Deutschschweiz - Schöne Weissweine

«Die weissen Trauben erlebten 2014 ein perfektes Jahr. Problemegab es vor allem bei den Rotweinen. Nicht aber allein wegen der Kirschessigfliege, sondern vor allem wegen der Stiellähme, die bei gewissen Pinot-Noir-Klonen für grosse Einbussen sorgte. Qualitativ bewegen wir uns wohl auf dem Niveau von 2012.»

Urs Pircher, Weingut Pirche

 

Waadt - Hagel als grösstes Problem

«Selten ist über einen Jahrgang so viel Negatives geschrieben worden wie über den 2014er. Jetzt, wo die Weine im Keller reifen, schätze ich ihn bei uns im Lavaux qualitativ höher ein als den 2013er. Bei uns verursachten nicht die Kirschessigfliege oder der Regen die grössten Probleme, sondern vier Hagelzüge.»

Louis-Philippe Bovard, Domaine Louis Bovard

 

Piemont - Klein, aber fein

«Wir mussten in Monferrato einige Male gegen den falschen Mehltau intervenieren, wir hatten Hagel und Regen. Bei bis zu 50 Prozent geringerer Menge konnten wir aber eine gute bis sehr gute Qualität einfahren – allerdings nur aus den besten Lagen und mit vielen Stunden Arbeit in den Reben.»

Ermanno Accornero, Weingut Accornero

 

Sizilien - Ein Viertel weniger

«Auch auf Sizilien konnten wir 2014 rund ein Viertel weniger ernten. Doch die Qualität war bei optimal ausgereiften Trauben sehr gut, vor allem hatten wir einen sehr schönen Frappato. Regen im Frühsommer und ausgewogene Temperaturen sorgten für eine längere Reifeperiode als in Durchschnittsjahren.»

Arianna Occhipinti, Weingut Arianna Occhipinti

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