Deutscher Winzersekt

Knallen, spritzen, trinken…

Text: Rudolf Knoll

Ein 17 Jahre alter deutscher Sekt vom exotischen Rieslaner, der noch auf der Hefe liegt und sich seine Frische ebenso bewahrt hat wie eine gleichaltrige prickelnde Riesling-Brut-Version. Ein Riesling aus gefrorenen Trauben, der mit enormer Frucht prunkt. Sektüberraschungen sind trotz der gewaltigen Dominanz von Markensekt in Deutschland nach wie vor möglich – wenn man danach sucht.

Sie können ganz schön unkonventionell sein und haben gelegentlich fast verrückt anmutende Ideen, die Erzeuger von Winzersekt in deutschen Landen. Das war das Fazit einer Verkostung im Haus der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) in Frankfurt, die speziell für VINUM arrangiert wurde. Gut zwei Dutzend Prickler hatte der Verband der traditionellen klassischen Flaschengärer aufgeboten. Alle waren sie bei einem Wettbewerb um die «Goldene Perle» in verschiedenen Kategorien in der Spitze zu finden gewesen. Unsere Suche galt ungewöhnlichen Spezialitäten, wie man sie bei einem Profi wie Volker Raumland aus Flörsheim-Dalsheim findet. Er startete seine Karriere einst mit einem Sekt vom Müller-Thurgau. Oder Norbert Bardong aus Geisenheim, der sogar mit Rotsekt vom Spätburgunder Furore macht.

Diese spezialisierten «Platzhirsche» standen nicht in unserem Fokus. Der wohl ungewöhnlichste Sekt gab wegen seiner extremen Süsse und seinem Säurebiss zunächst Rätsel auf. Gewonnen wurde er aus tiefgefrorenen Riesling-Trauben des Jahrgangs 2012. Die naheliegende Bezeichnung «Eiswein-Sekt» ist rechtlich nicht zulässig. «Ich habe lange mit den Behörden verhandelt», erzählt dazu Winzer Klaus Singer-Fischer aus Großwinternheim. «Da der Grundwein nicht als Eiswein geprüft wurde, darf Sekt davon nicht so heissen.» Der Rheinhesse nahm Anleihe am englischen «Freeze» (einfrieren) und taufte den Sekt Freezling. Bei der Produktion musste er trotz viel Sekterfahrung lange zittern. 145 Grad Öchsle war das Ausgangsmostgewicht. Der Wein vergor bis 200 g/l Fruchtzucker und wurde dann mit dem Zusatz einer gärstarken Hefe in kleine Flaschen gefüllt, wo die zweite Gärung einsetzte. Die Hefen waren ob der hohen Konzentration bald mit ihrer Kraft am Ende. Es blieben 180 g/l Zucker bei 9 g/lSäure und 10,5 Vol.-% Alkohol übrig. Verkauft wird er zum Eiswein-Tarif: 38 Euro in der 0,375-l-Flasche.

Ebenfalls merklich Fruchtzucker liess eine andere Spezialität auf der Zunge spüren, nämlich ein 1998er Rieslaner vom Weingut Schales in Flörsheim-Dalsheim, einer der wenigen Betriebe, die schon vor Singer-Fischer Eiswein prickeln liessen. 1996 kam dieser Sekt auf den Markt, aber Chefin Astrid Schales strebt keine Neuauflage an. «Die Eiswein-Erzeugung wird durch den Klimawandel von Jahr zu Jahr schwieriger.» Dafür hat man noch einige Hundert Flaschen vom 17 Jahre alten halbtrockenen Rieslaner-Sekt im Keller. Grundwein war eine Auslese. Die erstaunliche Frische des schäumenden Weines erklärt Astrid Schales so: «Er liegt immer noch auf der Hefe, wir degorgieren nur nach Bedarf.»

Experimente an der Mosel

Genauso macht es auch Ingo Simon vom Weingut Gebrüder Simon in Lösnich an der Mosel mit seinem fragilen 1998er Riesling Brut. Der Sekt wird nicht geschwefelt und sollte deshalb bald nach dem Kauf getrunken werden. Simon liebt Experimente; er hat schon Beerenauslesen und Eiswein versektet. Seine im Weingut integrierte Sektmanufaktur füllt im Jahr 30 000 Flaschen; genauso viel wie Wein; nebenbei degorgiert er für einige Betriebe an der Mosel und in der Pfalz deren Sekt.

Die Leidenschaft für feine Prickler ist seinem pazifistischen Gedankengut zu verdanken. 1993 leistete der damals 23-Jährige seinen Zivildienst beim DRK-Sozialwerk Bernkastel-Wittlich ab. Zu diesem sozialen Dienstleistungsunternehmen gehört eine Sektkellerei mit Sitz in Graach. «Mein Vater machte zu Hause zwar damals schon etwas Sekt, aber beim Roten Kreuz lernte ich, was hier möglich ist, und setze das im Weingut heute um», erzählt Simon. Weil er ausserdem noch seit 2008 als Flying Winemaker in Georgien tätig ist und er dort viel Erfahrung mit Amphoren (Qvevri) sammelte, hat er jetzt eine Partie Weissburgunder zu Hause in Tongefässe gelegt. Vielleicht gibt es in drei, vier Jahren den ersten Qvevri-Sekt?

Winzer wie Simon, die Sekt als zweites Standbein neben dem Wein betrachten, gibt es einige. Etwa das Haus Barth in Hattenheim im Rheingau, das seit rund 20 Jahren mit seinem weissen Pinot Noir Ultra für Furore sorgt. Er ist auch deshalb das Flaggschiff in der umfangreichen Sektproduktion, weil er besonders sorgsam hergestellt wird. Die Pressausbeute liegt bei kaum mehr als 50 Prozent. «Sobald der erste farbige Tropfen zu sehen ist, hören wir auf», erklärt Mark Barth. Vor der zweiten Gärung ruht der Wein im grossen Holzfass und macht hier den biologischen Säureabbau durch. Als Sekt erlebt er noch vier Jahre auf der Hefe; aktuell ist der 2010er.

Lange auf der Hefe

Mit Sekt profilieren will sich das kleine Weingut (8,5 Hektar) von Thomas und Theobald Pfaffmann in Nußdorf, das sich nach der Übernahme von Junior Thomas «wegen der vielen Pfaffmänner in der Pfalz» jetzt Wein.Gut.Pan nennt. Der 33-Jährige kombiniert für seinen Pinot Weissburgunder mit einem Drittel Spätburgunder und 10 Prozent Schwarzriesling. Der Sekt-Grundwein wird im gebrauchten Holzfass ausgebaut. 40 Monate Hefelager schlagen sich im Preis (15 Euro) nicht nieder. Im breiten, 22 000 Flaschen umfassenden Sektsortiment von Bernd und Ralf Schönleber aus Oestrich-Winkel (Weingut F. B. Schönleber) gibt es einen 2009er Riesling brut, der nach fünf Jahren auf der Hefe Verkostungsgruppen polarisieren kann. Der goldfarbene finessenreiche Prickler wird entweder kritisch beurteilt oder hoch gelobt. Bei VINUM ging der Daumen nach oben.

Gut gereifter Sekt hat es nicht immer ganz leicht in der Einschätzung von Geniessern. Das weiss Ingo Simon mit seinem 1998er Riesling ebenso wie die 1983 vom damaligen Mosel-Weinbaupräsidenten Adolf Schmitt gegründete Vereinigung Saar-Mosel-Winzersekt in Trier. Hier wird Sekt von Riesling und Elbling extrem lang zurückgehalten, ehe er in den Verkauf kommt. Der aktuell älteste Jahrgang ist ein 1990er Elbling, der 22 Jahre auf der Hefe lag.

Ein seit der Gründung 1981 etwas anders organisiertes Gegenstück zu SMW ist die Erzeugergemeinschaft Winzersekt in Sprendlingen, die für rund tausend Winzer aus Rheinhessen, dem Rheingau und von der Nahe die Versektung übernimmt. Von den jährlich etwa 1,5 Millionen Flaschen werden via Rüttelpult 1,25 Millionen nach dem klassischen Verfahren aufbereitet, wieder an die Grundweinerzeuger geliefert oder eigenständig vermarktet. Auf Tanksekt entfallen nur 250 000 Flaschen. Beide Vereinigungen sind Mitglied im Verband der traditionellen klassischen Flaschengärer, der 1988 gegründet wurde, als Winzersekt noch «méthode champenoise» heissen durfte (1994 schoss die EU diese Bezeichnung ab). Über 30 der besten Sekterzeuger Deutschlands sind in dem Verband organisiert. Früher konnte jeder Interessent Mitglied werden, inzwischen sieht man sich nach den Worten des Vorsitzenden Ingo Simon als nobler «Sekt-VDP» und sortiert vor.

Feiner Sekt aus deutschen Landen

Sektmanufaktur Bardong | Geisenheim | Chardonnay Brut 2006 | www.bardong.de

Weingut Singer-Fischer | Großwinternheim | Rheinhessen | Riesling Schlossberg Freezling | www.singer-fischer.de

Weingut Schales | Flörsheim-Dalsheim | Rheinhessen | Rieslaner halbtrocken 1998 | www.schales.de

Weingut Gebrüder Simon | Lösnich | Mosel | Riesling Brut 1998 | www.gebrueder-simon.de

Wein- und Sektgut F.B. Schönleber | Oestrich-Winkel | Rheingau | Riesling Brut 2009 | www.fb-schoenleber.de

Sekthaus Raumland | Flörsheim-Dalsheim | Rheinhessen | Blanc de Blancs Brut 2007 | www.raumland.de

Weingut Wilhelmshof | Siebeldingen | Pfalz | Riesling Extra Brut 2007 | www.wilhelmshof.de

Sektkellerei Andres und Mugler | Ruppertsberg | Pfalz | Riesling Brut 2013 | www.andresundmugler.de

SMW Saar-Mosel-Winzersekt | Trier | Mosel | Riesling Cremant 2010 | www.smw-trier.de

Wein- und Sektgut Barth | Hattenheim | Rheingau | Pinot Noir Blanc de Noirs Ultra Brut 2010 | www.weingut-barth.de

Wein.Gut.Pan – Familie Pfaffmann | Nussdorf | Pfalz | Pinot Brut 2011 | www.vinopan.de

Sektmanufaktur Strauch | Osthofen | Rosé Brut | www.strauch-sektmanufaktur.de

Erzeugergemeinschaft Winzersekt | Sprendlingen | Pinot Noir Rosé Brut 2013 | www.winzersekt.com

Schloss Wackerbarth | Radebeul | Sachsen | Pinot Brut Nature 2007 | www.schloss-wackerbarth.de

Kaiserstühler Winzerverein | Oberrotweil | Baden | Muskateller extra trocken 2013 | www.winzerverein-oberrotweil.de

Wein- und Sektkellerei Stengel | Gellmersbach | Württemberg | Muskat-Trollinger Rosé trocken | www.wein-und-sektkellerei-stengel.de

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