RHEINHESSEN

Neu geboren

Text: Rudolf Knoll

Rheinhessen gilt seit einigen Jahren als deutsche Aufsteigerregion. Doch gerade einstige Flaggschiffe wie die Städte Nierstein, Ingelheim und Worms haben die Entwicklung etwas verschlafen. Jetzt reiben sie sich die Augen, haben wieder Durchblick und geben Gas.

Es ist noch nicht allzu lang her, dass junge rheinhessische Winzer gefrustet von Weinmessen ausserhalb ihrer Heimat zurückkamen. Nicht deshalb, weil man sie im Lande Hessen ansiedelte, obwohl das Gebiet zu Rheinland-Pfalz gehört, sondern weil Besucher einen weiten Bogen um ihren Stand machten und sie allenfalls ein Murmeln wie «Rheinhessen kannst du vergessen» hörten.

Diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen gilt das grosse Dreieck zwischen Worms, Mainz und Bingen als Heimat grossartiger Qualitätsweine. Zwar gibt es nach wie vor Problemfelder wie den bedeutenden Fassweinmarkt, auf dem schlichte Tropfen zuletzt zwischen 1 Euro und 1,50 Euro für den Liter gehandelt wurden. Aber selbst hier ist eine gewisse Umstrukturierung erkennbar. Immer mehr junge Winzer wollen sich nicht mehr in die Abhängigkeit vom Handel sowie von den Kellereien und Kommissionären begeben und starten aus dem Fassweinbetrieb allmählich in die Selbstständigkeit. Katharina Wechsler aus Westhofen, Christian Peth (Weingut Peth-Wetz) aus Bermersheim, Marc Weinreich aus Bechtheim und Patrick Kampf aus Flonheim sind inzwischen profilierte Vertreter dieser Entwicklung.

Das grösste deutsche Anbaugebiet (etwa 26 500 Hektar) profitiert vor allem von dem Ehrgeiz und dem Können der jungen Generation. Vor gut zehn Jahren konstituierte sich die wegweisende Gruppe Message in a bottle. Über zwei Dutzend temperamentvolle Winzerinnen und Winzer wollten für Spass am Wein sorgen und durch viel Erfahrungsaustausch die jeweiligen Betriebe qualitativ voranbringen. Das ist ihnen zweifellos gelungen. Inzwischen ist es etwas ruhiger geworden um die gereifte, teilweise – nur die Männer – schon an den Schläfen ergraute Truppe, bei der auch die Stars Philipp Wittmann und Klaus-Peter Keller auf der Mitgliederliste stehen. Aber ihr Vorbild spornt nach wie vor an.

Das gilt ebenso für Nierstein, Worms und die einstmals bedeutende Rotweinstadt Ingelheim, bei denen man gelegentlich den Eindruck hatte, dass sie etwas die Entwicklung der letzten 10 bis 15 Jahre verschliefen oder sich zu sehr auf alten Lorbeeren ausruhten und gar nicht mitbekamen, dass sie von Winzern in Orten wie Appenheim, Saulheim, Dittelsheim-Heßloch, Westhofen, Flörsheim-Dalsheim, Bechtheim und Hohen-Sülzen überholt wurden. Das war früher für die «Barone» vom Rhein das bedeutungslose «Hinterland». Inzwischen sind, so scheint es, die Produzenten aus den drei Städten am Rhein wie neu geboren. Was hier passiert, haben wir auf den folgenden Seiten zusammengefasst.

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