Riesling Champion 2015

Feuerwerk der Hochkaräter

Text: Rudolf Knoll, Fotos: Jana Kay

Es war ein Riesling-Feuerwerk, das Ende Juni bei den Finalrunden des VINUM Wettbewerbs «Riesling Champion» gezündet wurde. 580 von knapp 1400 eingereichten Weinen wurden an mehreren Tagen in Pleisweiler-Oberhofen (Pfalz) und in Weinsberg (Württemberg) verkostet. Sie hatten sich bei einer strengen Vorauswahl für die Schlussrunden qualifiziert. Da viele Winzer anstellten, die zur deutschen Elite gerechnet werden, und ausserdem eine Reihe von teilweise noch unbekannten Talenten angenehm überraschte, ist es nicht übertrieben, vom hochkarätigsten Riesling-Wettbewerb in Deutschland zu sprechen. Dementsprechend war das Niveau. Es versetzte unsere Juroren fast in einen Zustand der Euphorie! Die Pfalz war der grosse Triumphator mit dem Sieger in der Champion-Wertung, der zugleich den besten trockenen Riesling aufgeboten hatte. Aber auch die Mosel, Rheinhessen und die Nahe gingen mit Siegen in den verschiedenen Kategorien nicht leer aus. Winzer vom Mittelrhein, von der Nahe, aus dem Rheingau sowie aus Franken zeigten mit Plätzen an der Sonne ebenfalls viel Format. Mehr dazu auf den folgenden Seiten.

Ein Kollege der «Rheinpfalz», der bei der Verkostung der trockenen Weine im «Landhotel Hauer» in Pleisweiler-Oberhofen in der Südpfalz dabei war, stellte hinterher in seinem Bericht nach der Beobachtung der immer wieder begeisterten Juroren durchaus treffend fest: «Eigentlich wäre eine Vergnügungssteuer fällig gewesen.» Hoffentlich hat das nicht Finanzminister Schäuble zur Kenntnis genommen.

Marianne Knab, früher Geschäftsführerin bei Ecovin und heute Weinberaterin, kam als Verkosterin besonders ins Schwärmen und notierte für ihren Blog SinnVoll: «Weine mit langem Nachhall, ausbalanciertem Süsse-Säure-Spiel und gutem Trinkfluss. Das Niveau war sehr hoch. Deutschland ist einfach Riesling-Land. Die Probe bot für mich als Geniesserin und Köchin Inspiration pur.»

Es waren auf jeden Fall ereignisreiche Tage in der Pfalz und in Weinsberg, die einer gründlichen Vorprobe im Weingut Roth im fränkischen Wiesenbronn (danke für die grossartige Unterstützung) folgten. Schon hier deutete sich an, dass Deutschlands Winzer grossartige Gewächse aufgeboten hatten und auch der Jahrgang 2014, bei der Ernte vielfach kritisch betrachtet, mehr als angenehm überraschte. Gut 40 Prozent der Anstellungen kamen durch, obwohl wir streng aussortierten und auch bei manchem Grossen Gewächs oder hochprämierten Wein die Daumen senkten. So fiel eine Pfälzer Beerenauslese mit gleich fünf Auszeichnungen auf der kleinen Flasche bei uns wegen flüchtiger Säure krachend durch.

Am Ende befanden sich auf den Plätzen überwiegend prominente Erzeuger, aber auch ambitionierte Betriebe aus der zweiten Reihe. Im Detail machten wir eine Reihe von Entdeckungen diverser Newcomer und konnten feststellen, dass auch etliche Winzerinnen erstklassigen Riesling aufboten – wohl eine Resonanz auf die Partnerschaft mit der Vereinigung Vinissima – Frauen & Wein. Das Pfälzer Weingut von Winning konnte seinen Erfolg in der Champion-Wertung von 2012 wiederholen und damit Vorjahressieger Philipp Kuhn als Titelträger ablösen. Der strahlte dennoch, als wir ihn über seinen dritten Rang bei den trockenen Weinen und Platz fünf in der Gesamtwertung informierten: «Ich bin unheimlich glücklich darüber, zumal wir 2013 und 2014 Defizite bei den Edelsüssen hatten. Da war in unserer Region nicht viel herauszuholen.» Ein paar Details, die den Wettbewerb begleiteten, seien nicht verschwiegen. Etwa der Poststreik, der genau in den Zeitraum unserer Finalverkostungen fiel. Noch am Sonntag (!) bei der Vorsortierung der ersten Probe kamen ein Dutzend Pakete an. Die letzten Weine wurden am Montag früh von Juroren mitgebracht, die befreundeten Winzern auf unsere Vermittlung hin Hilfestellung leisteten. Dann das nach wie vor bestehende Problem der nicht immer deutlich erkennbaren Korkbeeinflussung. Beim Stechen der trockenen Weine waren kaum mehr Flaschen mit Schraubverschluss im Rennen. Und wir hatten eine Fehlerquote von 15 Prozent.

Eher für Erheiterung sorgten ein paar Kapriolen bei den Anstellern. Ein Weinpaket landete sogar in Zürich, eines in Hamburg. Ein anderer Betrieb schickte statt zwei gleich zwölf Flaschen. Manchmal fehlten die Konterflaschen bei verdächtigen Weinen (sie wurden dann nachgeordert). Und beim Thema trockener Wein waren einige Winzer nicht gesetzeskonform: Höchstgrenze sind hier, in Kombination mit der Säure, maximal 9 g/l Restzucker. Uns wurden einige Weine als «trocken» offeriert, die über 9 g/l lagen. Wir haben sie in die Kategorie Halbtrocken/Feinherb weitergeleitet.

RIESLING CHAMPION 2015 – DOPPELSIEGER STEPHAN ATTMANN

Gäbe es bei Kellerverkostungen eine Geschwindigkeitskontrolle, dann hätte es an diesem Nachmittag im Januar 2015 bei Stephan Attmann mehrfach geblitzt, und er wäre seinen Önologen-Führerschein los gewesen. Denn in Windeseile lief er im Untergeschoss des Deidesheimer Weingutes von Winning von einem Fass zum anderen, holte Wein heraus, liess ihn ins Glas fliessen und kam gleich darauf aus dem Schwärmen nicht mehr heraus: «Da gibt es Journalisten, die haben den Jahrgang 2014 schon gleich nach der Ernte niedergeschrieben. Doch wir haben Jungweine im Keller, die Grosses erwarten lassen.» Stimmt! Mit solchen Weinen erwarb das Pfälzer Weingut jetzt zum zweiten Mal nach 2012 den Titel «Riesling Champion». Nicht nur das: Zwei Weine lagen auf den Plätzen eins und zwei in der Kategorie Trocken. Einiges hatte sich bereits angedeutet beim Besuch Monate zuvor. Sehr gut fing es schon beiden Basisweinen an, die wir im atemberaubenden Tempo probierten. Der Weissburgunder machte viel Spass, ebenso der Sauvignon Blanc. Dann ein Riesling nach dem anderen bis hin zum Grossen Gewächs vom Forster Pechstein, über den der Betriebsleiter berichtete, dass er die vielfache Menge verkaufen könnte und längst alles, was im Fass liegt, mehr als «ausreserviert» ist.

Attmann wollte demonstrieren, welches Niveau das Weingut in den letzten Jahren auf breiter Front erreicht hat. Deshalb die Vielzahl der Fassproben. Zwischendrin fuhr er einen Zickzackkurs, als er über Erlebnisse mit den Weissweinen der Bourgogne berichtete und damit andeutete, dass ihn das Weinmachen in Frankreich durchaus inspiriert hatte für sein jetziges Wirken. Es begann mit dem Jahrgang 2007. Damals schenkte ihm der im Juli 2013 im Alter von nur 56 Jahren verstorbene Unternehmer Achim Niederberger, der das Weingut noch unter dem Namen Dr. Deinhard erworben hatte, das Vertrauen, verbunden mit der Erwartung, dass hier Grosses entstehen soll. Dabei war der heute 44-Jährige ein Seiteneinsteiger. Studiert hatte er Betriebswirtschaft, jobbte dann bei einem Weinhändler und wurde zum Weinfan. Bei Joachim Heger am Kaiserstuhl, der trotz seiner legeren Art schon so manchem jungen Winzer in der Ausbildung den richtigen Weg gewiesen hatte, brach der Virus dann richtig aus. Anschliessend wechselte Attmann in die Bourgogne, lernte wieder hinzu und war dann gerüstet, als ihn ein Ruf aus Deidesheim ereilte. Dort investierte der neue Eigentümer enorm in die Kellerwirtschaft und liess viele neue Fässer anschaffen. Stephan Attmann wurde als Gutschef nicht ins kalte Wasser geworfen. Er konnte von Anfang an auf die Mitarbeit von Kellermeister Kurt Rathgeber (40) vertrauen, der bei Bürklin-Wolf ausgebildet worden war, in Geisenheim studiert hatte und seit 2002 im Haus tätig war. Auch Aussenbetriebsleiter Joachim Jaillet, ein gebürtiger Württemberger und Herr über 44 Hektar Reben, brachte viel Erfahrung ins Spiel. Er lernte im Weingut Sonnenhof in Vaihingen an der Enz, liess sich in Veitshöchheim zum Weinbautechniker ausbilden und kam 2006 zum damaligen Weingut Dr. Deinhard. Hier brachte er seine «schwäbische Eigenschaft», das akribische Arbeiten, zur Geltung. Die Weine, geprägt vom Ausbau im Holzfass (aber nicht mehr so spürbar wie in der Anfangsphase vor Jahren), vom langen Vollhefe und anschliessenden Feinhefelager sowie von der Vergärung ohne Reinzuchthefen im Aroma zart gezeichnet, betrachtet das Trio als «Gemeinschaftswerk». Auf welchem Level die Qualität mittlerweile ist, wird deutlich durch den Verzicht auf Anstellungen Grosser Gewächse oder edelsüsser Spitzen. Mit drei Zweitweinen (Erste Lage) und einem Ortswein reichte es dennoch für den besten Notenschnitt.

Weingut von Winning | Weinstrasse 10 | 67146 Deidesheim | Tel. 063 26 966 870 | www.von-winning.de

VERRIESELTER RIESLING VOM KALKBODEN

Noch vor einigen Jahren durchliefen das Weingut Manz im beschaulichen Weinolsheim in Rheinhessen einige Millionen Flaschen. Vater Erich (59) verdiente sein Geld hauptsächlich als Lohnabfüller, achtete aber dennoch bei den eigenen Weinen auf Qualität. Als Sohn Eric einstieg, kam es förmlich zu einem Quantensprung, sprich einer bemerkenswerten Steigerung auf breiter Front. Das ist nicht allein auf den Verzicht auf die Lohnabfüllung und die Konzentration auf die Eigenproduktion zurückzuführen, sondern ebenso auf den Zuwachs an Rebfläche in Oppenheim und Nierstein. Mittlerweile stehen 20 Hektar unter Reben.

Wer sich heute durch die Kollektion des Hauses verkosten kann, hat bei allen Geschmacksrichtungen und Farben viel Spass. Der 35-Jährige war schon mehrfach beim Deutschen Rotweinpreis an vorderster Front dabei. Und jetzt also auch beim Riesling! Sein Siegerwein der Kategorie Halbtrocken/Feinherb ist kein Gewächs von bekannten Fluren an der Rheinfront. Er wuchs in der Lage Dienheimer Kreuz in einer 38 Jahre alten Rebanlage auf tiefgründigem Kalkstein. Eric Manz hat sich daran gewöhnt, dass in dieser Lage die Trauben leicht verrieseln. Was andere als Ärgernis betrachten, ist für ihn eher Arbeitserleichterung, weil das weniger Ausdünnungsmassnahmen erfordert und zugleich am Ende kleine, goldgelbe Rieslingtrauben auf die Erntehelfer warten.

Nach der selektiven Handsortierung wurden die Trauben leicht angedrückt und im eigenen Saft zwölf Stunden stehen gelassen, dann schonend angepresst und anschliessend ohne Zusatz von Reinzuchthefe vergoren. Der in solchen Fällen nicht seltene «Sponti»-Duft stellte sich allerdings nicht ein. Dass der Wein nicht trocken ausfällt, war Absicht. Denn Manz hat auf diesem Feld genügend andere Auswahl (zwei trockene Spätlesen aus der Lage Weinolsheimer Kehr waren ebenfalls im Finale dabei). So wurde die Entwicklung des gärenden Mostes genau beobachtet und der Wein dann, als er geschmacklich und in der Säure (8 g/l) den Vorstellungen entsprach, bei 19,6 g/l Fruchtzucker abgestoppt. Die erzeugte Menge reichte für 4000 Flaschen, was wiederum einen Preis von 9 Euro möglich machte.

Weingut Manz | Mühlweg 18 | 55278 Weinolsheim | Tel. 06249 80 30 08 | www.manz-weinolsheim.de

FRISCHER WIND IN DER SÜDPFALZ

«Katrin wird in der Branche bestimmt nicht vom Winde verweht», lacht Philipp Kuhn über ein bemerkenswertes Talent aus der Pfalz. Die gerade 24 Jahre junge Katrin Wind ist bei ihm im Verkauf angestellt und betreibt ausserdem noch ein Weingut in Landau-Arzheim mit aktuell 4,5 Hektar. Der Blondschopf wird in diesem Jahr ausgezeichnet für den «besten Frauenwein», ein Preis der 1991 gegründeten Vereinigung Vinissima – Frauen & Wein, der die Förderung des weiblichen Nachwuchses in der Weinbranche besonders am Herzen liegt.

Kaum jemand ist besser preisgeeignet als der fröhliche Quirl aus der Südpfalz! Denn sie war mit ihrem Meisterstück, dem 2014er Riesling Arzheimer Kalmit Kapellenstück, im Stechen der besten trockenen Weine dabei. Das bedeutete, dass ihr mit 17 Punkten bewerteter Wein es unter die 30 besten Gewächse von 350 Finalweinen geschafft hatte – mehr harte Konkurrenz geht kaum. In Absprache mit der Vinissima-Vorsitzenden Andrea Wirsching haben wir ihr den diesjährigen Preis zuerkannt.

Und das, obwohl Sandra Sauer aus dem fränkischen Escherndorf für ihre 2013er Trockenbeerenauslese mit 18 Punkten eine höhere Note bekam und auch Caroline Diel vom Schlossgut Diel aus Burg Layen für eine edelsüsse 2013er Auslese mit 17.5 Punkten bedacht wurde. Kandidatinnen wären ausserdem Carolin Spanier-Gillot aus dem rheinhessischen Bodenheim (zweimal 17 Punkte für eine 2014er Auslese und ein 2014er Grosses Gewächs) und die Fränkin Nicole Roth aus Wiesenbronn (17 Punkte für einen Lagenwein) gewesen. Aber Katrin Wind hat Einzelkämpfer-Status, während den anderen Damen Väter, Kellermeister oder Gatten zur Seite stehen (womit wir nicht behaupten wollen, dass sie es damit unbedingt leichter haben).

Der frische Wind aus dem Landauer Ortsteil gründete das Weingut erst 2011. Vater Klaus betrieb vorher Weinbau im Nebenerwerb und nahm die Tochter schon früh mit in die Weinberge. Im Alter von 16 Jahren stand ihr Berufsentschluss «Winzerin» fest. Ausgebildet wurde sie von Boris Kranz in Ilbesheim, ein Önologie-Studium in Geisenheim ist gerade vollendet, mit einer Bachelor-Arbeit über Unterlagsreben. Arbeitgeber Kuhn betrachtet sie als «grosses Vorbild». Ihre Fläche will sie in den nächsten Jahren noch um zwei, drei Hektar erweitern und bald mit Frühburgunder und Weissburgunder Furore machen.

Weingut Katrin Wind | Nauweg 6 | 76829 Landau-Arzheim | Tel. 0171 522 58 89 | www.weingut-wind.eu

«RUDI HAT SICH NICHT GETRAUT»

Nik Weis war gerade in Sachen Weinexport auf dem Weg nach Chicago, als wir ihn noch am Frankfurter Flughafen erwischten und ihm die Frage stellten, warum er «nur» vier fruchtige Weine angestellt und auf Grosse Gewächse oder Edelsüsse verzichtet hatte (was ihm vielleicht sogar den Sieg in der Gesamtwertung verwehrte). «Vielleicht hat sich mein Kellermeister Rudi Hoffmann nicht so recht getraut», lachte Weis, zeigte sich dann aber doch stolz über den Sieg in der Kategorie Fruchtig und den zweiten Champion-Rang.

Die Erfolge sind das Ergebnis einer Arbeit, die man als «penibel» bezeichnen könnte. Doch der Mosel-Winzer, der am Hauptfluss des Gebietes und an der Saar insgesamt 33 Hektar, verteilt auf sechs Spitzenlagen, bewirtschaftet, benutzt lieber das Wort «archaisch» und meint: «Wir arbeiten wie zu Urgrossvaters Zeiten.» Als Beispiele nennt er die Düngung mit Stallmist und zerkleinerten Kuhhörnern sowie die aufwändige Laubarbeit, den Pflanzenschutz und die Bodenarbeit per Hand. «So bekommen wir eine mineralische Geschmacksprägung in die Weine.»

Dazu tragen auch die vielen Anlagen mit alten Reben bei; die jüngste Flur wurde 1983 neu gepflanzt, damals noch unter Regie von Vater Hermann Weis, der mit Riesling sogar in Kanada Erfolg hatte und dort ein Weingut aufbaute. Praktiziert wird die an der Mosel traditionelle Einzelpfahlerziehung mit 7000 bis 10 000 Reben auf einem Hektar. Die Pflanzdichte setzt die Stöcke unter positiven Stress; zudem ist die Bearbeitung erleichtert. Verantwortlich für den Aussenbetrieb ist Hermann Jostock. «Ein waschechter Moselaner wie unser Kellermeister», weiss der Chef. Im Keller geht es unter Regie von Hoffmann sorgsam weiter. Nach kurzer Maischestandzeit (maximal drei Stunden) wird der Most per Falldruck transportiert und darf sich 12 bis 15 Stunden durch Sedimentation weitgehend klären. Die Vergärung erfolgt ohne Zusatz von Reinzuchthefen im Stahl oder in Stückfässern. Was wann passiert, entscheiden Nik Weis und Rudi Hoffmann ausschliesslich durch Verkostung. «Der Geschmack ist es, der zählt.» Sicher ist, dass sie bei ihrer Spätlese aus der Lage Leiwener Laurentiuslay, die mit 18 Punkten bewertet wurde, die richtige Entscheidung getroffen haben.

Weingut Nic. Weis – St. Urbans-Hof | Urbanusstr. 16 | 54340 Leiwen | Tel. 06507 937 70 | www.urbans-hof.com

KLEINOD DER WEINKUNST

Serienweise hatten wir in der Vorrunde exzellente Auslesen im klassischen Stil verkostet, manche mit einem zarten, delikaten Hauch von der Edelfäule, andere mit einer pikanten Frucht im Aroma, dazu schlank, verspielt, mit rassiger Säure, und kein Wein, der erkennen liess, dass da eine Beerenauslese oder gar eine Trockenbeere tiefstapelte. So wurde spontan entschieden, diesem oft etwas unterschätzten Prädikat eine eigene Kategorie zu widmen – auch deshalb, weil wir es als ungerecht empfanden, dass die höchsten Prädikate wohl doch im direkten Vergleich die Oberhand behalten würden.

Unser Siegerwein aus der Pfalz, gewachsen auf Lehm-Löss mit hohem Kalkanteil, geerntet am 24. Oktober 2014, brachte es auf stolze 18 Punkte. Von der Auslese aus dem Silberberg wurden immer 1400 Flaschen gefüllt. Sie ist kein Zufallsprodukt. «Wir bauen zwar 90 Prozent unserer Weine trocken aus. Aber die Leidenschaft für edelsüsse Spitzenweine hat mir mein Vater vererbt», erzählt Markus Pfaffmann, der in den stattlichen Betrieb (63 Hektar, verteilt auf Walsheim, Nussdorf, Böchingen, Gleisweiler, Frankweiler und Knöringen) 1998 nach dem Studium in Geisenheim einstieg und ihn gemeinsam mit mehreren Familienmitgliedern leitet. Auch die Senioren Helmut und Sigrid denken noch nicht an Ruhestand. So ist die Arbeit gut auf einige Schultern verteilt. Und die nächste Generation steht mit drei Töchtern allmählich Gewehr bei Fuss. Geschultert werden musste in den letzten zehn Jahren ein beachtliches Wachstum. 2005 standen erst 35 Hektar unter Reben, inzwischen hat sich die Fläche fast verdoppelt – und damit auch die Spielwiese für Edelsüss.

Eigentlich ist der 41-Jährige, dem der «Gault & Millau» «eine punktgenaue Arbeit und seit vielen Jahren überzeugende, fehlerlose Kollektionen» bescheinigt, ein Fan des Spätburgunders. Aber aktuell hat er doch zehn Edelsüsse im Sortiment. «Riesling spielt mit vier Füllungen die Hauptrolle», berichtet er. «Sie sind Kleinode der Weinkunst. Mir gefällt das wunderschöne Zusammenspiel zwischen Fruchtsüsse und der erfrischenden und belebenden Säure. Sie sind keine grossen Umsatzträger, werden von den Kunden aber zu besonderen Anlässen sehr geschätzt.» Bei solchen Weinen sollte man auf viele besondere Anlässe hoffen.

Weingut Karl Pfaff mann | Allmendstr. 1 | 76833 Walsheim (Vinothek: Nussdorfer Str. 2) | Tel. 06341 96 91 30 | www.weingut-karl-pfaffmann.de

HOCHKARÄTIGER HOCHZEITSWEIN

Im kleinen Weinort Burg Layen im Anbaugebiet Nahe gibt es nicht nur das renommierte Schlossgut Diel und den Direktvermarkter Pieroth. Schräg gegenüber von Diel hat ein junger Winzer seit etlichen Jahren konsequent auf Qualität gesetzt und bekam im letzten Jahr ein langersehntes Ziel erfüllt: Er wurde in den VDP aufgenommen. Zwölf Jahre lang hatte der Regionalverband kein neues Mitglied akzeptiert, aber um das Weingut Joh. Bapt. Schäfer kam man schliesslich nicht mehr herum. Winzer Sebastian Schäfers eigentliche Höhepunkte konnten indes bereits früher gefeiert werden. 2011 heiratete er seine grosse Liebe Christine (die ihm 2013 Nachwuchs Leonard bescherte). Und im Herbst erntete er den passenden Hochzeitswein, eine Trockenbeerenauslese mit 200 Grad Öchsle, über 10 g/l Säure und lediglich 6 Volumenprozent Alkohol. 14 Erntehelfer waren am 30. September aktiv, um zusammengeschrumpelte, eingetrocknete Beeren einzusammeln. «Da keine Botrytis dabei war, ist der Wein extrem klar in der Frucht», erläutert der 38-Jährige. Die Beeren wurden von Hand eingestampft und durften unter kühlen Bedingungen zwei Tage lang ziehen. Danach wurden sie mit einer kleinen Hydro-Kelter abgepresst. Der Most wurde nicht geschönt und bei Erreichen des für Wein nötigen Alkoholgehalts durch Kühlung abgestoppt. Was blieb, waren 330 Gramm natürlicher Zuckergehalt.

Bei solchen Werdegängen eines Weines ist viel Erfahrung spürbar. Schäfer machte von 1995 bis 1997 die Winzerlehre, der sich die Ausbildung zum Weinbautechniker in Bad Kreuznach anschloss. 2002 konnte er sich über den Titel «Bester Nachwuchswinzer Deutschlands» bei einem Berufswettkampf freuen. Im gleichen Jahr übernahm er als die vierte Generation den damals unbekannten, kleinen 4-Hektar-Betrieb vom Vater, investierte in den Keller und erweiterte die Rebfläche auf inzwischen 7,5 Hektar. Lagen wie Goldloch und Pittermännchen auf Dorsheimer Fluren haben reichlich Potenzial, das der engagierte Winzer seit Jahren sehr gut ausschöpft. «Wir haben viel gemacht, um noch präziser arbeiten zu können.» Viel Geld floss in die Traubenverarbeitung, eine neue Kellertechnik, neue Holzfässer, Edelstahltanks sowie eine Kühlanlage. Ausserdem leistete sich Schäfer eine neue Probierstube. Derzeit muss noch ein zweites Kinderzimmer eingerichtet werden. Kurz vor Erntebeginn wird Christine zum zweiten Mal Mutter. Vielleicht gibt es im Weinherbst eine Nachwuchs-Trockenbeerenauslese...

Weingut Joh. Bapt. Schäfer | 55452 Burg Layen | Tel. 06721 435 52 | www.jbs-wein.de

FASZINIERENDES RIESLING-KIND

Sie sind zwei eigentlich wohlerzogene «Kinder des Riesling», aber in der Szene nicht mehr so geschätzt wie einst. Die Scheurebe (Riesling x Bukettraube), kann trocken und edelsüss hervorragend ausfallen und prunkt oft mit einem typischen Johannisbeer-Duft. Aber sie ist bei der Lage anspruchsvoll und gefährdet durch Oidium sowie vorzeitige Botrytis. Züchtervater war 1916 Dr. Georg Scheu, der die Sorte ursprünglich Sämling 88 benannte (eine Bezeichnung, die heute noch in Österreich gepflegt wird). Der Rieslaner (Riesling x Silvaner), 1921 in Veitshöchheim gezüchtet, aber erst 30 Jahre später zunächst als Mainriesling zum Leben erweckt, macht den Winzern durch eine hohe Säure zu schaffen. So sind – von wenigen gelungenen Ausnahmen abgesehen – fast nur edelsüsse Weine möglich.

Zum Rieslaner-Fan wurde der schon zu Lebzeiten legendäre Betriebsleiter des Weingutes Müller-Catoir (Neustadt an der Weinstrasse), Hans-Günter Schwarz. Er lernte die Sorte in Franken kennen und lieben. Weil ihn schwierige Varietäten schon als Jungwinzer reizten, pflanzte er sie in der Pfalz an und feierte damit grosse Erfolge, ebenso wie mit der ihn zudem faszinierenden Scheurebe.

Diese beiden Sorten gehören auch zu den Spezialitäten des Weingutes Keller in Flörsheim-Dalsheim. Klaus-Peter Keller machte vor zwei Jahren den Vorschlag, publizistisch etwas für Scheurebe und Rieslaner zu tun. Und weil er ein Anhänger der Schwarz’schen These vom «kontrollierten Nichtstun im Keller» ist, lag es nahe, die Hans-Günter-Schwarz-Trophy auszuschreiben. Das bescherte uns erstklassige Kollektionen, wobei die «Scheu» auch im trockenen Bereich Reize offenbarte. Dass die Rieslaner-Trockenbeerenauslese von Keller in der Endabrechnung knapp vor einer Scheurebe-Trockenbeerenauslese vom Seehof von Florian Fauth aus Westhofen lag, hat für die Familie besondere Bedeutung. Denn die Trauben stammen aus einem über 50 Jahre alten Weinberg, den Senior Klaus Keller einst seiner Frau Hedi geschenkt hatte («ist mir lieber als Schmuck», war ihr damaliger Kommentar). Julia, die Gattin von Klaus-Peter, erinnert sich an die Ernte. «Alles einfach perfekt, 185 Grad Öchsle, geniale Säure. Da lief uns schon beim Keltern das Wasser im Mund zusammen.»

Weingut Keller | Bahnhofstr. 1 | 67592 Flörsheim-Dalsheim | Tel. 06243 456 | www.keller-wein.de

SIEG-COMEBACK NACH 20 JAHREN

Tradition steht nicht unbedingt dahinter. Gegründet wurde der St. Urbans-Hof erst 1947 von Nicolaus Weis, der sich bei der Namensgebung an Papst Urban I. (222–230) orientierte, der als Schutzpatron des Weinbaus gilt. Aber Weinberge gehörten schon seit Jahrhunderten zum Familienbesitz. Weis war politisch im rheinland-pfälzischen Landtag aktiv, setzte sich sehr für den Weinbau und die nach dem Zweiten Weltkrieg notleidenden Winzer ein und bekam deshalb den Titel «Ökonomierat» verliehen. Die nachfolgenden Generationen, ab 1971 mit Hermann Weis und seit 1977 Nik Weis, setzten immer hauptsächlich auf Riesling und das Potenzial erstklassiger Lagen. Und auf Kontinuität. Zuerst hielt Kellermeister Adolf Hoffmann den Betrieb auf Qualitätskurs, dann seit 1989 sein Sohn Rudi Hoff mann, der auch die Mitverantwortung für einen Sieg im Jahr 1995 beim damaligen Riesling-Erzeugerpreis von VINUM hatte. 20 Jahre später klappte es mit einem Triumph in der Kategorie Fruchtig. Der zweite Platz in der Champion-Wertung mit vier fruchtigen Weinen war eine tolle Abrundung.

Weingut Nic. Weis – St. Urbans-Hof | Urbanusstr. 16 | 54340 Leiwen | Tel. 06507 937 70 | www.urbans-hof.com

ZWEI STOLZE BRÜDER

Im letzten Jahr wäre Andy Spreitzer (44), damals Kapitän der Weinelf Deutschland, über einen dritten Platz bei der Winzer-Europameisterschaft in der Schweiz noch unglücklich gewesen. Aber es reichte am Ende für den Titel mit einem 3:2-Sieg über Ungarn. Diesmal konnte er sich mit Bruder Bernd (46) über Platz drei freuen und ihn vielleicht sogar als kleine Aufwertung ansehen. Denn vor einem Jahr liefen die beiden «nur» auf dem undankbaren vierten Platz ein, waren aber dafür Sieger in der Kategorie Fruchtig mit ihrer Spätlese «303», benannt nach einem legendären Trockenbeerenauslese-Mostgewicht von Grossvater Josef, die vor 95 Jahren Weltrekord bedeutete. Die bodenständigen Spreitzer-Brüder bewirtschaften 21 Hektar in Oestricher, Winkeler und Hattenheimer Fluren. Neben dem Riesling wächst hier lediglich noch etwas Spätburgunder (0,6 Hektar). Das Ergebnis des schwierigen, teilweise vorschnell verurteilten Jahrgangs 2014 sieht Andy Spreitzer als «hervorragend» an und freut sich, dass zum bisherigen Lob der Kundschaft nun ein Spitzenplatz bei VINUM hinzukommt. «Das macht uns richtig stolz.»

Weingut Spreitzer | Rheingaustr. 86 | 65375 Oestrich | Tel. 06723 26 25 | www.weingut-spreitzer.de

SÜSSE UND SÄURE IN BALANCE

«Das ist ein Beweis für das Potenzial des Bopparder Hamm», freute sich Matthias Müller über seinen Spitzenplatz. Der grösste Teil seiner 18,7 Hektar (Riesling 17 Hektar, dazu noch etwas Weissburgunder, Grauburgunder und Spätburgunder für Blanc de Noirs) entfällt auf diese steile Flur. Mitte der 90er Jahre übernahm der 51-Jährige gemeinsam mit Gattin Marianne von Vater Heinrich und weitete die Fläche aus, während etliche andere Winzer am Mittelrhein die Segel strichen. Von 2010 bis 2012 wurde noch mal gewaltig investiert in ein neues Betriebsgebäude und eine Vinothek im alten Ortskern von Spay.

Mit Genugtuung vernahm das VDP-Mitglied, dass einer seiner Lieblingsweine unter dem erfolgreichen Quartett war, nämlich der feinherbe Riesling von alten Reben («beste Balance von Süsse und Säure»). Bereits beruhigt zurücklehnen kann er sich, was die Zukunft des Weingutes betrifft. Sohn Johannes (24) lernte bei Emrich-Schönleber an der Nahe, hat gerade das Studium in Geisenheim abgeschlossen und brachte schon einige Ideen in den Betrieb ein.

Weingut Matthias Müller | Mainzer Str. 45 | 56322 Spay | Tel. 02628 33 63 | www.weingut-matthiasmueller.de

CHAMPIONS SIND SIE ALLE

«Bei dieser Qualitätsdichte war unser Abschneiden für uns ein grossartiges Erlebnis», kommentierte Gerd Faubel seinen dritten Rang in der Champion-Wertung. Er hatte ihn sich redlich verdient: Alle sieben angestellten Weine erreichten die Schlussrunde. Der zurückhaltende Pfälzer vergisst nicht den Dank an alle Mitstreiter: «Das ganze Team und die Familie halfen mit viel Engagement mit.» Der 30-Hektar-Betrieb gehört nicht unbedingt zur Pfälzer Prominenz, aber er ist seit etlichen Jahren eine mehr als zuverlässige Adresse mit einer erstaunlichen Gleichmässigkeit bei der Qualität in allen Geschmacksrichtungen. Der Riesling hat einen Flächenanteil von 30 Prozent, etwas mehr entfällt auf die weissen Burgundersorten.

Der 41-Jährige, der im Jahr 2000 den Betrieb übernahm, hat mit seiner Frau Silke eine tüchtige und charmante Partnerin. Sie betreut die Kundschaft und auch die Gäste des Hauses, die nach einer Verkostung gern eines der behaglichen, nach Weinlagen wie Heiligenberg und Kirchenstück benannten Gästezimmer im dazugehörigen Landhaus aufsuchen.

Weingut Faubel | Marktstr. 86 | 67487 Maikammer | Tel. 06321 50 48 | www.weingut-faubel.de

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