Südtirol

Super-Südtiroler

Text: Christian Eder

Bis heute machen Südtiroler Weine mit einem exzellenten Preis-Leistungs-Verhältnis von sich reden, aber in der elitären Spitzenliga spielten sie bisher kaum eine Rolle. Mit den neuen und entsprechend auch teuren Flaggschiffweinen der Genossenschaftskellereien könnte sich dieses Image nun ändern. Den bisherigen Höhepunkt dieser Entwicklung markiert der Grand Cru Vigna Ganger von der Kellerei Girlan. Der Pinot Noir aus Mazon, der bei seiner Lancierung im Rahmen einer Blindprobe bewiesen hat, dass er durchaus mit Top-Crus aus dem Burgund, Oregon, der Schweiz und Deutschland mithalten kann, wird zum Preis von 125 Euro angeboten.

Für Gerhard Kofler, Kellermeister der Kellereigenossenschaft Girlan ist sein neuer Flaggschiff wein Vigna Ganger auch der Abschluss eines Erneuerungsprozesses. Seit er vor zehn Jahren im Keller der Genossenschaft im Süden von Bozen das Ruder übernahm, blieb kaum ein Stein auf dem anderen: Das damals etwas angestaubte Weinsortiment wurde gestrafft, die Preise wurden angepasst und die Kellerei technisch auf den neuesten Stand gebracht. Und gerade wurde als Spitze des Sortiments der Vigna Ganger 2012 vorgestellt: Basis sind die Trauben einer Einzellage am Trattmannhof in Südtirols Blauburgunder-Hochburg Mazon. Dort entstand bereits bislang der Spitzen-Pinot der Kellerei.

Das erste rote Beispiel eines Flaggschiffweines einer Südtiroler Kellerei – quasi ein Super-Südtiroler – wird in einer Mini-Auflage von gerade mal 2186 Flaschen produziert. Das ambitionierte Ziel: einen Wein zu kreieren, der mit den besten Pinots mithalten kann.

«Seit 2008 waren wir auf der Suche nach einer Lage, die sich für die Produktion von Pinot Noir in besonderem Masse eignet. Einer Einzellage, in der sich die Sorte bestmöglich entfalten kann, die aber auch die Eigenheiten des Terroirs widerspiegelt: die Geologie der Böden, das Mikroklima und ihre Geschichte», erklärt Gerhard Kofler. Damit reiht sich die Kellerei Girlan ein in eine Handvoll Südtiroler Genossenschaftskellereien, die mit ihren Weinen Supertuscans und Einzellagen-Barolo Paroli bieten wollen. Begonnen hat damit die Kellerei Terlan vor zwei Jahren. Kellermeister Rudi Kofler: «Wir waren auf der Suche nach einem Wein, der unsere über hundertjährige Tradition verkörpern und die Grösse unserer besten Reben und Weinberglagen in sich vereinen würde.» So wurde der Terlaner I Grande Cuvée 2011 geboren – ein holzgereifter Weisswein, der sich mit den grossen weissen Burgundern messen soll.

Trauben aus dem ältesten Weingarten

Die Kellereigenossenschaften St. Michael-Eppan und Schreckbichl folgten kurz darauf: Hans Terzer, der wahrscheinlich am meisten prämierte Kellermeister Südtirols, zeichnet in St. Michael-Eppan für den Appius verantwortlich, einen Weisswein, der auf einem – je nach Jahrgang – wechselnden Blend der besten Lagen der Genossenschaft basiert. Und LR nennt sich die Weisswein-Cuvée von Schreckbichl, die Geschäftsführer Wolfgang Raifer gemeinsam mit Kellermeister Martin Lemayr kreiert hat: Der Name LR wurde als Hommage an Wolfgangs Vater, Südtirols Weinbaupionier Luis Raifer, gewählt. Ganz neu ist hingegen der Sanctissimus 2013, ein reinsortiger Weissburgunder Riserva der Kellereigenossenschaft St. Pauls, dessen Trauben aus dem wahrscheinlich ältesten Weissburgunder-Weingarten Südtirols stammen. 1899 gepflanzt und Richtung Süden ausgerichtet, liegt er in einer Steillage. Die Mazeration findet in Tonamphoren statt.

Aber nicht nur die Genossenschaften bringen ambitionierte neue Weine auf den Markt: Gerade erst hat auch das Weingut Hofstätter in Tramin den neuen Grand-Cru-Blauburgunder Ludwig Barth von Barthenau Vigna Roccolo 2012 vorgestellt.

Kritisiert wird nun einerseits, dass fast alle diese Kreszenzen in Mini-Auflagen abgefüllt werden. Italiens Weinführer «Gambero Rosso» verzichtet deshalb zum Teil auf eine Bewertung. Der Wein sei am Markt praktisch nicht präsent, heisst es. Andererseits hat Südtirol einiges aufzuholen: Zu lange verlangte man wenig Geld für Topqualitäten, sind viele Winzer überzeugt. Die neuen Super-Südtiroler kosten hingegen 100 Euro oder auch mehr. An der soliden Preispolitik des übrigen Sortiments der Genossenschaften wird das trotzdem in Zukunft wenig ändern, meint Girlans Gerhard Kofler: «Weine wie der Vigna Ganger, Terlaner I oder Appius zeigen allerdings, welches Potenzial Südtirol hat.»

Top-Weine

Kellerei Terlan, Terlaner I Grande Cuvée 2012

17.5 Punkte | 2018 bis 2024

Aus den besten Rebbergen der Kellerei in einer Meereshöhe zwischen 300 und 560 Metern, verbleibt zwölf Monate auf der Feinhefe im grossen Holzfass: komplex in der Nase, Aromen von Zitrusfrüchten, Pfeffer und Kräutern, ausgewogen und gut strukturiert, kombiniert Vielschichtigkeit mit Charakter. Mineralisch-elegant das Finale.

Kellerei St. Michael-Eppan, Appius 2011

17 Punkte | 2016 bis 2020

Hans Terzer kombiniert im zweiten Jahrgang Sauvignon mit Chardonnay und Pinot Grigio. Duftet nach tropischen Früchten, Zitrusfrüchten und Holunder, am Gaumen Finesse und Kraft gepaart mit hintergründiger Eleganz und Opulenz.

Kellerei Schreckbichl, LR 2012

17 Punkte | 2017 bis 2022

Chardonnay, Weissburgunder, Sauvignon und Gewürztraminer, auf der Feinhefe gelagert und im Holz gereift. Duft nach exotischen Früchten, auch balsamische Noten, der Ansatz gut strukturiert, besitzt Charakter, Schmelz und grosse Länge.

Kellerei St. Pauls, Sanctissimus Weissburgunder Riserva 2013

16.5 Punkte | 2017 bis 2021

Der Wein von den wohl ältesten Weissburgunderreben Südtirols wird in kleinen Tonamphoren vergoren: Nase nach Blüten und reifen Früchten; kompakt am Gaumen, die Säure gut eingebunden, anhaltend und geschmeidig. Sollte man zu einem Mahl geniessen.

Kellerei Girlan, Vigna Ganger Blauburgunder Riserva 2012

18 Punkte | 2019 bis 2030

Ausbau in der Barrique und 18 Monate in der Flasche sorgen für Finesse und Rasse zugleich: Bouquet von reifen Kirschen, Waldfrüchten, florale Komponenten; überaus geschliffener Verlauf mit würzigen Noten und einer guten Säurestruktur, der Abgang facettenreich und sehr elegant. Reifen lassen!

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