Abspann mit Promille: Zehn Film-Highlights für Weinfreaks

Top-10 Weinfilme

Text: Thomas Vaterlaus

  • Der Wein und der Wind
  • Babettes Fest
  • Das Geheimnis von Santa Vittoria
  • Herbstgeschichte

Inspektor Columbo bringt mit einem 45er Vintage Port etwas Klarheit in seinen Fall, Regisseur Alexander Payne stürzt mit «Sideways» den kalifornischen Merlot in die Krise und keiner hat je einen Léoville-las-Cases so poetisch beschrieben wie Louis de Funès in «Brust oder Keule». Wenn sich der Film mit Wein beschäftigt, sind Klischees zwar nie weit. Doch es gibt grandiose Ausnahmen! 

1. Der Wein und der Wind

2017

Regie: Cédric Klapisch

Mit Pio Marmai, Ana Girardot und François Civil

Als ihr Vater stirbt, stehen seine drei Kinder vor der Frage, was aus ihrem unrentablen Weingut im Burgund werden soll. Berührend.

2. Sideways

2004

Regie: Alexander Payne

Mit Paul Giamatti, Thomas Haden Church und Virginia Madsen

Zwei ungleiche Freunde, ein erfolgloser Schriftsteller sowie ein zweitklassiger Schauspieler, machen vor der Hochzeit des Letzteren das Weingebiet Santa Inez Valley in Kalifornien unsicher.

3. Babettes Fest

1997 

Regie: Gabriel Axel

Mit Stéphane Audran, Brigitte Federspiel, Bodil Kjer und Jarl Kulle

Die Französin Babette kommt als Flüchtling in ein jütländisches Fischerdorf in die Familie eines lutherischen Priesters. Als sie im Lotto eine grosse Summe gewinnt, bereitet die ehemalige Pariser Topköchin noch einmal ein grosses Diner zu und verzaubert – auch mit den ausgewählten Weinen – die sonst enthaltsam lebenden Dorfbewohner. Eine Ode an die spirituelle Kraft des Geniessens.

4. Saint Amour – Drei gute Jahrgänge

2016

Regie: Benoît Delépine

Mit Gérard Depardieu und Chiara Mastroianni

Desillusionierte Männer aus der Provinz begeben sich auf eine Sauftour durch die schönsten Weingegenden Frankreichs und schöpfen dabei so was wie neue Hoffnung.

5. Brust oder Keule

1976

Regie: Claude Zidi

Mit Louis de Funès, Coluche und Julien Guiomar 

Der Restaurantkritiker Charles Duchemin kämpft gegen Fast- und Industriefood. Irrwitzige Gastrokomödie mit grossartigen, weil urkomischen Weinszenen.

6. Columbo: Wein ist dicker als Blut

1973

Regie: Leo Penn (1921 bis 1998), der Vater von Sean Penn

Mit Peter Falk, Julie Harris und Donald Pleasence

Als sein jüngerer Bruder Ric das Familienweingut verkaufen will, sieht der distinguierte Winzer Carsini cabernetrot. Doch dank seinem aufkeimenden Interesse für Wein kann Columbo den Fall mit Hilfe eines 45er Vintage Ports klären. 

7. Das Geheimnis von Santa Vittoria

1969

Regie: Stanley Kramer

Mit Anthony Quinn und Anna Magnani

Bewohner eines italienischen Dorfes verstecken eine Million Flaschen Wein vor den deutschen Truppen. 

8. Bottle Shock

2008

Regie: Randall Miller

Mit Chris Pine, Alan Rickman, Bill Pullman und Rachel Taylor

Leicht klischeehafte, aber charmante Verfilmung der Story des sogenannten «Judgment of Paris» von 1976, als französische Weinsnobs bei einer Blindprobe die kalifornischen Gewächse höher bewerteten als die eigenen französischen Kultweine.

9. Es kommt der Tag

2009

Regie: Susanne Schneider

Mit Katharina Schüttler, Iris Berben und Jacques Frantz

Eine junge Journalistin spürt ihre Mutter auf, die ihre Tochter einst im Alter von zwei Jahren weggab, um als RAF-Terroristin in den Untergrund zu gehen. Seit ihrem Ausstieg lebt sie als Frau eines Winzers unerkannt im beschaulichen Familienweingut im Elsass.

10. Herbstgeschichte

1998

Regie: Eric Rohmer

Mit Marie Rivière und Béatrice Romand

Die Buchhändlerin Isabelle sucht für ihre beste Freundin, die Rhône-Winzerin Magali, den richtigen Mann.

Der Weinkenner James Bond 007

Wenn’s um Wein geht, kann 007 keiner so schnell was vormachen. Doch manchmal liegt auch er satt daneben. Etwa in «For your eyes only» (1981), wo Bond zusammen mit Bösewicht Kristatos auf Korfu diniert. Beide haben einen Preveza-Garnelen-Salat vor sich auf dem Teller und Kristatos sagt: «Ich würde dazu einen Robola aus Kefalonia empfehlen.» Bond verzieht die Mundwinkel und sagt: «Verzeihen Sie, aber dieser Wein ist mir eine Spur zu parfümiert für dieses Gericht, ich bevorzuge einen Theotaki Aspro.» Doch während es sich beim Robola tatsächlich um einen der besten Weissweine Griechenlands handelt, spekulieren Bond-Fans in einschlägigen Internetforen noch heute, 36 Jahre nach der Produktion dieses Filmes, darüber, was 007 mit «Theotaki Aspro» wohl gemeint haben könnte. Vielleicht einen Weisswein («Aspro») der Familie Theotoky auf Korfu? Sachdienliche Hinweise sind erbeten…

Bond als klassischer Weinsnob

«Stirb an einem anderen Tag» (2002) zeigt dagegen Bond als klassischen Weinsnob. Am Anfang des Filmes stürmt er, dem Feind wieder mal knapp entkommen, arg zerfleddert in einer pyjamaähnlichen Sträflingskluft in die Lobby des «Peninsula»-Hotels in Hongkong, wo ihn der Hotelmanager trotzdem sofort erkennt und ihm einen kräftespendenden Hummer, garniert mit Wachtelei, empfiehlt. Bond lächelt zustimmend und sagt: «Und vergessen Sie den 61er Bollinger nicht…» Der beste englische Agent und einer der besten Champagner, diese Mariage ist absolut glaubwürdig. Merkwürdig nur, dass Bond bis Ende der 70er Jahre immer nur Dom Pérignon getrunken hat… Nun: Nicht der Geschmack von 007 hat sich verändert, sondern der Vertragspartner beim entsprechenden Product-Placement.

Ein sehr frühes, unbeabsichtigtes, weil wohl vom Kulissenbauer zufällig arrangiertes Wein-Product-Placement finden wir im Hitchcock-Horrorfilm «Die Vögel». In der Schlüsselszene, wo die Bewohner in der Dorfkneipe von Bodega Bay über die Vögelangriffe diskutieren und dann durch das Fenster mitansehen müssen, wie infolge einer weiteren Vogelattacke die Tankstelle in die Luft fliegt, hängt über dem Bartresen gut sichtbar eine Werbetafel mit der Aufschrift «Gallo Wines». Schwer vorstellbar, dass dieser Auftritt den Absatz der Gallo-Weine gesteigert hat.

Perfekt gelungenes Product-Placement

Ein perfekt gelungenes Product-Placement erleben wir dagegen in der Komödie «Zoff in Beverly Hills» (1986), allerdings nicht für einen Wein, sondern für einen Weinbrand. Der obdachlose Jerry (gespielt von Nick Nolte) will sich im Pool eines reichen Kleiderbügelherstellers ertränken, wird aber von dessen Frau gerettet. Sie träufelt dem Bewusstlosen einen Billig-Cognac in den Mund, worauf dieser hustend zu sich kommt, den Cognac ausspuckt und sie mit den Worten anraunzt: «Sagen Sie mal, gibt‘s hier keinen Courvoisier XO?»

Die grossen Weinfilm-Disaster

Leider sind gute Weinfilme, ja selbst nur Filme mit guten Weinszenen rar. Die Drehbuchschreiber reduzieren den Rebensaft meist auf banalste Klischeevorstellungen. Der Wallstreet-Banker, der sich nach einer Fehlspekulation in seiner Stammbar mit «Barrel fermented»-Chardonnay besäuft. Die frustrierte Kommissarin im kühlen Skandinavien-Krimi, die abends ein grosses Glas mit chilenischem Cabernet füllt, um die schaurigen Ereignisse des Tages besser verarbeiten zu können. Der Journalist (beispielsweise Mikael Nyqvist in der Rolle von Mikael Blomkvist in der «Millennium»-Trilogie), der seine Enthüllungsstorys spät nachts nur mit freundlicher Hilfe des Rebensaftes in den Laptop hauen kann.

Sonnenuntergänge im Minutentakt

Auch in der Trilogie «Before Sunrise», «Before Sunset» und «Before Midnight» mit Julie Delpy und Ethan Hawke wird reichlich Wein geschlürft, er ist aber nur ein anonymes Schmiermittel für die endlosen Diskussionen der beiden. Und wenn tatsächlich mal ein Streifen im Napa Valley, in der Toskana oder in der Provence spielt, dann sind die Weinberge nicht mehr als die Kulisse für eine Handlung, die so austauschbar ist, dass sie genauso vor den Fischteichen einer Forellenzucht oder einer Hanfplantage spielen könnte. Vor allem Hollywood hat eine Reihe von Weinfilmen verbrochen, die für jeden Weinfreak eine Zumutung sind. Ganz besonders schlimm: «Dem Himmel so nah» (1995), bei dem immerhin Stars wie Keanu Reeves oder Anthony Quinn mitwirken. Doch auch sie können die banale Romanze um eine Winzertochter im Napa Valley nicht retten. In gefühlt 80 Prozent des Streifens taucht die gerade mal wieder zufällig untergehende Sonne die Weinberge in goldenes Licht. 

Winemaker-Nudisten-Camp

In die Klischeefalle geraten ist auch Starregisseur Ridley Scott («Alien», «Blade Runner», «Thelma & Louise») mit dem Streifen «Ein gutes Jahr» (2006), in dem der ehrgeizige Londoner Börsenmakler Max Skinner (gespielt von Russell Crowe) unverhofft ein Weingut in der Provence erbt. Als er hinfährt, um es schnell zu verkaufen, erliegt er aber selbstverständlich dem Charme des provenzalischen Savoir-vivre und auch noch einer Französin und wird sofort ein guter Mensch. Der Kritiker des «Le Parisien» brachte das Problem dieses Werkes auf den Punkt: Es gehöre zu der Art von Filmen, in denen jeder Franzose mit Espandrillos rumlaufe und einen R4 fahre…

Dies gilt leider auch für «Bottle Shock» (2008) von Randall Miller, von dem sich die Weinszene einiges erhofft hatte. Immerhin thematisiert das Werk das sogenannte «Judgment of Paris», also jene im Mai 1976 vom damaligen Weinhändler und heutigen Journalisten Steven Spurrier organisierte Blindprobe, bei der die französischen Juroren entgegen ihren Erwartungen die kalifornischen Crus höher bewerteten als die Weine aus Burgund und Bordeaux. Doch auch in diesem Film sehen wir Kalifornier mit Jeans und langen Haaren, sie fahren Chevrolet-Pick-up und verdrücken Hamburger, während die französischen Herrenwinzer mit «Moustache» und Schlips auftreten, Foie gras essen, um dann in ihren schnittigen Citroën DS sanft zu entschweben.
Kritiker bescheinigen dem Film zwar einen «gewissen Charme», in das Universum Wein taucht aber auch er nicht wirklich tief ein.

So bleibt denn «Sideways» (2004) bis heute die einzig wirklich gelungene US-Produktion, in welcher der Wein eine Hauptrolle spielt. Es ist zudem bis heute der einzige Kinostreifen, der den Weinmarkt beeinflusst hat. Die sympathisch schlapsige Hauptfigur Miles hat mit seiner militanten Liebe zum Pinot Noir dieser Sorte neue Anhänger verschafft und gleichzeitig mit seiner klaren Ansage «I am not drinking any fucking Merlot» diesem Bordeaux-Gewächs gravierende Imageprobleme beschert.

Übrigens: Die vielleicht komischste Weinszene aller Zeiten sehen wir in «Wanderlust – Der Trip ihres Lebens» (2012), wo Linda (Jennifer Aniston) und George (Paul Rudd) nach dem Scheitern ihrer urbanen Karrierepläne in einer ländlichen Hippie-Kommune landen, die gerade dabei ist, unter dem Motto «Just the Grapes» ein Nudisten-Camp für Winzer und Önologen durchzuführen.

Gamay für Columbo?

Doch generell scheint es, als sei der Anbau, der Ausbau, aber auch der Genuss von Wein ein Unterfangen, das zu komplex und zu kontemplativ ist für ein Format, das auf 100 Minuten beschränkt ist, die zudem immer schneller geschnitten werden müssen, damit die Zuschauer nicht wegzappen. Doch ein paar grossartige Ausnahmen zeigen, dass das Thema Wein sehr wohl eine Filmstory bereichern kann, wenn es authentisch in den Plot integriert wird. Ein Paradebeispiel dafür ist die Columbo-Folge «Wein ist dicker als Blut» (1973), in welcher der kultivierte Weingutsbesitzer Carsini seinen verschwendungssüchtigen Bruder ermordet.

Raffiniert ist, dass der Film keinerlei Bezug nimmt zum Geschehen auf dem Weingut, jedoch sehr stark die Kunst des Weingeniessens thematisiert. Carsini macht sich am Anfang des Films lustig über die mangelnden Weinkenntnisse von Columbo, was sich dieser zu Herzen nimmt. Schliesslich wird Columbo den sympathischen Mörder nicht zuletzt durch sein verblüffend schnell erworbenes Weinwissen überführen.

Gegen Schluss des Films liefert der schrullige Kommissar gar ein kleines sensorisches Meisterstück ab, indem er einen von Carsini blind servierten Wein folgendermassen beschreibt: «Ein subtiles Gewächs, ganz eindeutig aus dem Burgund, wobei ich mir noch nicht ganz sicher bin, ob es aus Gamay oder Pinot Noir gekeltert worden ist…» Das absolute filmische Highlight bezüglich Weinbeschreibung liefert übrigens Louis de Funès alias Restaurantkritiker Charles Duchemin in «Brust oder Keule» (1976) mit seiner Würdigung eines 53er Léoville-las-Cases. Seine Wortwahl («Die Trubteilchen fallen sehr langsam zu Boden…») unterscheidet sich dabei nur geringfügig von jener eines realen Weinkritikers. Allein de Funès′ Mimik macht die Szene zum Spektakel.

Sauftour durch die Provinz

Es ist ein Glück, dass seit kurzem die Franzosen, die mit ihren Sorten und ihrem Terroirgedanken die heutige Weinkultur geprägt haben wie keine andere Nation, nun auch bei der cineastischen Umsetzung des Rebensaftes mehr und mehr den Takt angeben. In den letzten Monaten haben sie uns gleich zwei Streifen beschert, die exemplarisch zeigen, was einen authentischen, glaubhaften, aber doch unterhaltsamen Weinfilm ausmacht. In «Saint Amour – Drei gute Jahrgänge» (2016) trifft Altbauer Jean (Gérard Depardieu) auf der Landwirtschaftsmesse in Paris seinen vereinsamten Sohn Bruno.

Es muss nicht immer Burgund sein

Obwohl komplett voneinander entfremdet, begeben sich die beiden im Auto des quirligen Taxifahrers Mike auf eine skurrile Reise in das Beaujolais-Dörfchen Saint-Amour. Spätestens als der Taxameter die 2600-Euro-Marke geknackt hat, legen die drei etwas skurrilen Weggefährten ihre tristen Vorgeschichten ab und entdecken die französische Campagne auf ihrer Sauftour neu. Und sie reisen ausnahmsweise nicht durch eine schöngefärbte, verkitschte Postkarten-Provinz, sondern durch ein Land, das zuweilen recht derbe, ja vulgäre Erlebnisse für sie bereithält. Und darum ist das Ziel dieses rauen Roadmovies, das Beaujolais, auch das richtige, weil der Wein von hier nicht für elitäre Snobs gemacht wird und darum ganz gut zu den drei leicht derangierten Protagonisten passt.

Der Wein und der Wind - DER Weinfilm

Übertroffen wird der Film nur noch vom kürzlich in die Kinos gekommenen «Der Wein und der Wind» (2017) von Cédric Klapisch. Drei Geschwister treffen sich kurz vor Beginn der Ernte auf dem Weingut der Familie im Burgund, während ihr Vater im Sterben liegt. Während Juliette stets bei ihrem Vater geblieben ist und im Weingut mitgearbeitet hat, wenn möglich unterstützt von ihrem Bruder Jéremie, hatte der nach Australien ausgewanderte Jean lange Zeit keinen Kontakt mehr zur Familie. Nach dem Tod ihres Vaters müssen sie nun entscheiden, was aus dem unrentablen, aber wertvollen Weingut werden soll.

Behutsam, fast wie in einem Dokumentarfilm, folgt die Kamera den drei Protagonisten. Das Resultat ist eine gerade wegen der zurückhaltenden Erzählart berührende Liebeserklärung an die Schönheit einer Weinlandschaft und die wieder aufkeimende Kraft der Familie.

Übrigens: Selbst leere Weinflaschen können zum Ausgangspunkt für Filmdramen werden. So in «Message in a Bottle» (1999) nach dem Roman «Weit wie das Meer» von Nicholas Sparks. Eine Zeitungsredakteurin findet beim Jogging am Strand von Cape Co eine angeschwemmte Weissweinflasche, die einen anrührenden Liebesbrief enthält – es ist der Auftakt zu einem Melodram.