VINUM-Profipanel Merlot Mondial

Mister Nice Guy

Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: Hans-Peter Siffert

Auch wenn Miles für den Merlot im US-Kultfilm «Sideways» nur ein «fucking» übrighatte – die Sorte zeigt sich international mehr denn je in Hochform. Das ist das Fazit des VINUM-Profipanels, in dem 20 ausgewählte Merlots aus sieben Ländern und drei Kontinenten antraten. Bordeaux und Washington setzten die Glanzlichter, die Gewächse aus der Schweiz, sekundiert von Weinen aus Deutschland und Österreich, hielten sich gut – verfehlten aber die Podiumsplätze.

Was für eine Probe! Schliesslich klassierten sich alle 20 Weine im sehr hohen Notenspektrum zwischen 17 und 19 Punkten. Mit anderen Worten: Wir analysieren hier nicht wirklich gravierende Qualitätsunterschiede, sondern Nuancen im High-End-Bereich und vielleicht auch unterschiedliche Vorstellungen darüber, was heute einen grossen Merlot überhaupt ausmacht.

«Einen guten Merlot in die Flasche zu bringen, ist keine Kunst mehr, aber aus der Sorte einen grossen Wein zu keltern, einen, der trotz Fülle und Wucht auch jenen Schmelz mitbringt, der die Weine erst trinkig macht, das ist schwierig», sagt Fredy De Martin, Kellermeister bei Gialdi im Tessin. Die Probe zeigte aber auch, dass selbst professionelle Verkoster unterschiedliche Meinungen darüber haben, wann ein Merlot im bestmöglichen Sinn konzentriert ist und ab wann schon Überreife oder Überextraktion mit im Spiel sind. Konsens herrschte hingegen darüber, dass der siegreiche Wein, der Péby-Faugères vom mitverkostenden Unternehmer und Weingutsbesitzer Silvio Denz, in perfekter Weise grösstmögliche Power mit grösstmöglicher Eleganz in sich vereint. «Einige Weine überraschten mich mit ihrer fast zartfruchtigen Eleganz. Das ist zwar eine interessante Seite des Merlots, trotzdem glaube ich, dass andere Sorten wie etwa der Pinot Noir besser geeignet sind für Weine in dieser Stilistik», meinte Denz. Für andere Mitverkoster waren dagegen gerade diese feinfruchtigen, kernigen und trinkigen Merlots die Entdeckung in dieser Probe. Für den Konsumenten ist die neue Merlot-Vielfalt auf jeden Fall höchst erfreulich. Jeder findet einen Topwein nach seinem Geschmack.

Ein Walliser vor den Tessinern

Nicht ganz unerwartet hat die Qualitätsverbesserung der letzten Jahre dazu geführt, dass es beim Merlot immer schwieriger wird, das Ursprungsland in einer Blindprobe sensorisch zu erkennen. Die zwei Crus aus Bordeaux, die es aufs Podium schafften (eben Péby-Faugères und La Fleur-Pétrus), erinnerten mit ihrer verschwenderisch dunkelbeerigen Aromatik an Crus aus der Neuen Welt und liessen erst durch ihre feste Struktur im Gaumen ihre Herkunft erkennen. Am klarsten konnten die Merlots aus der Schweiz (mit Ausnahme des Vinattieri, dessen Heimat in Kalifornien vermutet wurde) und aus den USA identifiziert werden. Doch nur zwei Weine, die sich beide in den Top 5 platzierten, wurden mit grosser Mehrheit (nämlich von jeweils acht der insgesamt zwölf Verkoster) richtig zugeordnet. Es sind gleichzeitig auch die zwei Weine, welche die unterschiedlichen Stilistiken, also gewissermassen die Antipoden des heutigen Merlot-Schaffens, am deutlichsten zum Ausdruck bringen. Der aus dem Wallis stammende Merlot Nadia Mathier 2015 von Nouveau Salquenen (Adrian & Diego Mathier) war nicht nur der bestklassierte Schweizer Wein in dieser Probe, er war auch der signifikanteste Vertreter der eleganten, feinfruchtigen Stilrichtung. Am anderen Ende des Spektrums stand der 2013er Merlot Horse Heaven Hills von Château Ste. Michelle im amerikanischen Bundesstaat Washington, ein ungemein dunkelbeeriger, opulenter, voll konzentrierter aber eben trotzdem ausgewogener Cru. 

In CHAD-Land ist die Schweiz klar der führende Merlot-Produzent. Die helvetischen Winzer bauen Merlot auf rund 1100 Hektar an, das ist fast die doppelte Fläche, die jeweils in Deutschland und in Österreich mit dieser Sorte bestockt ist. Darum waren in dieser Probe sechs Schweizer Merlots, drei aus dem Tessin und drei aus der Westschweiz, mit dabei. Sie konnten sich im stark besetzten Feld gut behaupten, auf den Podiumsplätzen landeten jedoch zwei Crus aus Bordeaux und einer aus dem US-Staat Washington. Überraschend ist die Tatsache, dass das bestklassierte Schweizer Gewächs nicht aus der Merlot-Hochburg Tessin kommt, sondern aus dem Wallis. Allerdings lagen die Bewertungen der Schweizer Crus nahe beieinander.

15.5

Volumenprozent Alkohol weist der Gewinner dieser Merlot-Vergleichsverkostung, der Péby-Faugères 2015 aus Saint-Émilion, aus. Dies ist der höchste Wert aller verkosteten Weine. Dass Bordeaux-Weine neuerdings in Vergleichsproben mit Neue-Welt-Gewächsen hervorragend abschneiden, hat auch damit zu tun, dass die Alkoholgrade in Bordeaux kräftig gestiegen sind. 14 Volumenprozent Alkohol wiesen die Weine unserer Probe im Durchschnitt auf, am unteren Ende dieser Skala rangierten drei Crus aus der Schweiz mit 13,5 Volumenprozent.

Resultat

18 Punkte
Castello di Morcote
Tessin, Schweiz
Riserva 2013
Was für ein filigraner Merlot! Sehr feine und frische Fruchtnoten, Waldbeeren, blaue Beeren, Pflaumen, dazu florale Noten, Pfingstrosen, etwas Teer, vornehme Röstnoten. Im Gaumen ausgewogen, saftig und sehr elegant bei mittlerer Fülle. 2017 bis 2022.
www.castellodimorcote.ch | ca. 39 Franken

18 Punkte
Laibach Vineyards
Stellenbosch, Südafrika
Merlot Claypot 2015
Zuerst herbale Noten, Veilchen, Pfefferwürze, Tabak, Rauch, dahinter reife dunkle Beerenfrucht. Im Gaumen zuerst Extraktsüsse, extrakt-reich mit feinkörnigem Tannin und einer präsenten Säure. Ein Merlot, der von allem viel hat. 2017 bis 2027.
www.moevenpick-wein.com | ca. 42 Franken

18 Punkte
Hammel – Clos du Châtelard, Waadt, Schweiz
Merlot Apicius Grand Cru Chablais 2014
Ätherische und balsamische Noten, Lakritze, Rauch, dahinter dunkle, warm wirkende Beerenfrucht und Holunder, Pfeffer und Tabak. Im Gaumen komplex und straff strukturiert, mit reifem Tannin und saftiger Säure. 2017 bis 2022.
www.hammel.ch | ca. 37 Franken

18 Punkte
Château Gazin
Bordeaux (Pomerol), Frankreich
Château Gazin 2014
Von herbalen Noten geprägt, Minze, Lorbeer, Nelken, dazu zurück-haltende Beerenfrucht und elegante Würznoten. Im Gaumen sehr dicht gewoben und druckvoll. Angepasste, präsente Säure. Langanhaltend. 2017 bis 2030.
www.moevenpick-wein.com | ca. 89 Franken

18.5 Punkte
Northstar Winery
Washington, USA
Merlot Columbia Valley 2012
Warme, sehr reife Beerenfrucht, balsamische und herbale Noten und präsente Eichenholzwürze. Auch herbale Noten. Prototyp eines sortentypischen Top-Merlots. Im Gaumen opulent, reichhaltig, ja mächtig. 2017 bis 2022.
www.ste-michelle.com | ca. 35 Euro

18.5 Punkte
Nouveau Salquenen, Adrian & Diego Mathier
Wallis, Schweiz
Merlot Nadia Mathier 2015
Zeigt warmen Charme mit Johannisbeeren, Minze, Pfeffer und einer Spur Rauch. Anflug von animalischen Noten. Im Gaumen perfekt ausbalanciert, mit edler Frucht, feinkörnigem Gerbstoff und präsenter Säure. 2017 bis 2022.
www.mathier.com | ca. 30 Franken

17 Punkte
Weingut Prieler
Burgenland, Österreich
Merlot Schützner Stein 2013
Reife, leicht marmeladige Frucht mit Cassis und Pflaumen, eventuell Anflug von flüchtiger Säure. Balsamische Noten. Im Gaumen im Auftakt extraktsüss, dann von straffer Säure geprägt. Adstringierend im Abgang. 2017 bis 2020.
www.vinothek-brancaia.ch | ca. 32.80 Franken

17.5 Punkte
Ca’ del Bosco
Lombardei, Italien
Il Merlot Rosso del Sebino 2009
Komplexe und reife Aromatik mit reifen Pflaumen, auch Anflug von Rosinen, dazu Laub, Veilchen und Malz. Im Gaumen ausgewogen und weich, mit reifem Tannin und einer lebendigen Säure. Langanhaltend. 2017 bis 2020.
www.caratello.ch | ca. 78 Franken

18.5 Punkte
Seavey Vineyard
Kalifornien (Napa Valley), USA
Merlot 2013
Aromen von eingemachten roten Beeren, dazu Noten von Nussschokolade, Nougat. Im Gaumen konzentriert und ausgewogen, mit einem Anflug von süsser Frucht. Hat viel Substanz. Leichte Bitternote im Finish. 2017 bis 2022.
www.napawine.ch | ca. 60 Franken

18 Punkte
Manz Wein
Rheinhessen, Deutschland
Merlot Herrenberg *** trocken 2012
Herbale Noten, eine Spur Unterholz, auch Pfeffer, dahinter reife Wald- und Himbeeren. Im Gaumen ausgewogen, lebendig, feine Frucht, kräuter-würzige Noten. Präsente Säure und pfeffriges Finale. 2017 bis 2022.
www.manz-weinolsheim.de | ca. 20 Euro

18 Punkte
Merryvale Vineyards
Kalifornien (Napa Valley), USA
Merlot 2014
In der Nase reif, mit Brombeeren, Amarenakirschen, Kräuterbonbons und Rumtopf. Im Gaumen viel reife Fruchtsüsse, an Dörrfrüchte erinnernd. Ein Wein mit viel wuchtiger Wärme, aber auch Schmelz und Eleganz, nicht fett. 2017 bis 2020.
www.bauraulacvins.ch | ca. 59.80 Franken

17.5 Punkte
Cave Cidis – Cave de la Côte
Waadt, Schweiz
Merlot «Inspiration» 2014
Wirkt sehr frisch, von herbalen, leicht grünlichen Noten geprägt. Minze, Pfeffer und Unterholz, dahinter rote Kirschen. Im Gaumen straff und geradlinig. Präsente Säure. Filigraner Merlot. 2017 bis 2020.
www.cidis.ch | ca. 27 Franken

18.5 Punkte
Shafer Vineyards
Kalifornien (Napa Valley), USA
Merlot 2014
Schmeichlerischer Merlot mit viel warmem Charme. Verführerische Frucht mit dunklen Waldbeeren, Pflaumen und Heidelbeeren. Im Gaumen dicht und weich, verschwenderische Fülle. Edles Tannin und angepasste Säure. 
2017 bis 2022.
www.martel.ch | ca. 58 Franken

18 Punkte
Vinattieri
Tessin, Schweiz
Merlot Vinattieri 2013
Tolle, verführerische und voll ausgereifte Aromen von Kirschen und Erdbeeren, dazu gut unterlegte, edle Würznoten. Im Gaumen dicht gewoben, mit kernigem Tannin. Ein gut komponierter Cru mit Überseeduft und Alte-Welt-Struktur. 
2017 bis 2023.
www.zanini.ch | ca. 135 Franken

18.5 Punkte
Castello di Ama
Toskana, Italien
Vigna l’Apparita Merlot 2009
In der Nase sehr reif und komplex mit dunklen Beeren, aber auch Garrigue-Kräutern, Trüffel, Teer, dazu balsamische und würzige Noten. Im Gaumen hochelegant gereift, weich, füllig, getragen von einer saftigen Säure. 2017 bis 2020.
www.martel.ch | ca. 270 Franken (Magnum)

17.5 Punkte
Weingut Krutzler
Burgenland, Österreich
Merlot 2013
Wirkt in der Nase viel-schichtig, aber etwas ungestüm, mit Kirschen, Heidelbeeren, Pflaumen, aber auch Liebstöckel, Pfeffer und Nelken. Wirkt im Gaumen kraftvoll und immer noch überraschend jugendlich. Kerniges Tannin bei mittlerer Fülle. 2017 bis 2022.
www.vinothek-brancaia.ch | ca. 56 Franken

18 Punkte
Gialdi Vini
Tessin, Schweiz
Merlot Sassi Grossi 2015
Verführerische, warm wirkende Aromatik, mit Waldbeeren, Heidelbeeren und Kirschen, auch Marzipan und Wacholder.Im Gaumen dicht gewoben und elegant, mit saftiger Säure und noch leicht sperrigem Tannin. Braucht noch etwas Zeit. 2017 bis 2025.
www.gialdi.ch | ca. 48 Franken

19 Punkte
Château Faugères
Bordeaux (Saint-Émilion), Frankreich
Péby-Faugères 2015
Enorm vielschichtig, mit frischer, dunkelbeeriger Frucht, besonders Kirschen und Holunder, dazu Garrigue-Kräuter und edle Würznoten. Im Gaumen überaus kraftvoll und fest strukturiert. Wirkt trotz seiner Fülle trinkig. 2017 bis 2027.
www.denzweine.ch | ca. 129 Franken

18.5 Punkte
Château La Fleur-Pétrus
Bordeaux (Pomerol), Frankreich
La Fleur-Pétrus 2013
Einladende, elegante Aromatik mit roten Beeren, Veilchen und Lakritze, dazu edle Würznoten. Im Gaumen ausgesprochen gehaltvoll und ausgewogen. Sehr feinkörniges Tannin und eine saftige Säure. Grosser Wein. 2017 bis 2030.
www.moevenpick-wein.com | ca. 195 Franken

18.5 Punkte
Château Ste. Michelle
Washington, USA
Merlot Horse Heaven Hills 2013
Verführerische Aromen von schwarzen Beeren, dazu Lakritze, Minze und eine Spur Rauch, dazu eine kernige Eichenholzwürze. Im Gaumen vollmundig, geschmeidig und weich, aber nicht mastig. Langanhaltend. 2017 bis 2022.
www.ste-michelle.com | ca. 22,50 Euro

Die Jury

Thomas Vaterlaus Chefredakteur VINUM, Zürich. Sein Favorit: Château Ste. Michelle Merlot Horse Heaven Hills 2013, Washington.

Beat Caduff Gastgeber, Zürich. Sein Favorit: Château Faugères Péby-Faugères 2015, Saint-Émilion.

Mladen Tomic Wein-Blogger, Zürich. Sein Favorit: Weingut Manz Merlot Herrenberg*** 2012, Rheinhessen.

Nicole Harreisser Redakteurin VINUM, Zürich. Ihr Favorit: Gialdi Vini Sassi Grossi 2015, Tessin.

Fredy De Martin Kellermeister Gialdi, Mendrisio. Sein Favorit: Seavey Vineyard Merlot 2013, Napa Valley. 

Hans Babits Académie du Vin, Zürich. Sein Favorit: Castello di Ama Vigna l’Apparita Merlot 2009, Toskana.

Ursula Geiger Redakteurin VINUM, Zürich. Ihr Favorit: Château La Fleur-Pétrus 2013, Pomerol.

Sigi Hiss Weinjournalist, Einsiedeln. Sein Favorit: Hammel – Clos du Châtelard Merlot Apicius 2014, Waadtland.

Robin Kick MW Consultant, Vico Morcote. Ihr Favorit: Merryvale Vineyards Merlot 2014, Napa Valley.

Silvio Denz Unternehmer und Weingutsbesitzer, London. Sein Favorit: Château Faugères Péby-Faugères 2015, Saint-Émilion.

Lidwina Weh Sommelière, Wohlen. Ihr Favorit: Merryvale Vineyards Merlot 2014, Napa Valley.

Luigi Zanini junior Weingutsbesitzer Vinattieri, Besazio. Sein Favorit: Laibach Vineyards Merlot Claypot 2015, Stellenbosch. 

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