Weinreisen in Texas

If you’re gonna drink in Texas . . .

Text: Ursula Geiger

Der Weinbau in Texas boomt. In den letzten 12 Jahren wurden 265 Weingüter gegründet. Wein und Tourismus sind eng miteinander verknüpft. Mit einer gebuchten Wine-Tour, Fahrer inklusive, kann man den neuen Wirtschaftszweig des Lone Star State erkunden. Besonders attraktiv ist das Texas Hill Country rund um das Städtchen Fredericksburg. 

Dunkelbau, mit einem Hauch Purpur ist der Himmel in der texanischen Morgendämmerung. In Fredericksburg schnurren die mächtigen Trucks am «Cameron Inn Bed & Breakfast» vorbei. Ihre Bremsen zischen leise, bevor sie in die vierspurige Mainstreet einbiegen. Nebenan in «Mahaley’s Cafe» duftet es schon nach Burritos und Kaffee mit Vanillegeschmack.

Der erste Pick-up rollt an. Boots, Jeans, fette Gürtelschnalle, kariertes Hemd und Hut. Der Texas-Look steht dem Hünen gut. Er heisst Chris Brundrett, ist einer der Namensgeber von der Winery William & Chris Vineyards und trifft sich mit anderen Produzenten aus dem Hill Country zum Frühstück im «Mahaley’s». Eine willkommene Stärkung, bevor im «Inn on Baron’s Creek» über die Relevanz des Weintourismus mit Produzenten aus den USA diskutiert wird. Denn das Wein-Business boomt in Texas, der Tourismus trägt einen entscheidenden Teil zur Wertschöpfung bei und ist im Hill Country beispiellos organisiert. Das bezaubernde Städtchen Fredericksburg ist das Herz der Weinregion: 12 000 Einwohner, 900 Bed & Breakfast und eine Metzgerei, die Opa-Wurst für das Oktoberfest herstellt. Genau! Fredericksburg wurde von deutschen Einwanderern gegründet, ist seit Jahrzehnten bekannt für seine Pfirsiche und seit rund zehn Jahren um eine Attraktion reicher: Die rund 51 Weingüter, die rund um das Städtchen in den letzten zehn Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen, sind ein Publikumsmagnet sondergleichen und verkaufen in den Shops Downtown ihre Weine samt Accessoires. Das historische Zentrum von Fredericksburg ist perfekt erhalten. Das Pionier-Museum zeugt vom harten Leben der damaligen Siedler: «Die Höhepunkte im Jahr waren für Bill der Beginn der Fischsaison, der Beginn der Jagdsaison und das Schützenfest», steht unter dem sepiafarbenen Konterfei eines hageren Mannes, der sich auf sein Gewehr stützt. Zahlreiche kleine Geschäfte säumen die Mainstreet. Im General Store verkaufen ältere Damen mit onduliertem Haar Haushaltartikel und weisen freundlich darauf hin, dass die gleiche Ware in der Kunststoff-Ausführung günstiger sei als in Edelstahl. In der Auslage von Lindas Headquarters-Hats-Shop nuckelt ein ausgestopftes Gürteltier an einer Bierflasche. Fastfood-Ketten gibt es hier allenfalls in der Peripherie. Die Lage zwischen den Metropolen Austin und San Antonio ist ideal. Das Hill Country bietet sich für Kurztrips an. Raus aus der City, ab auf den Wine Trail.

1991 wurde dem Texas Hill Country, einem Gebiet mit einer Fläche von über drei Millionen Hektar, der AVA-Status verliehen. Damit ist die Region die zweitgrösste und die südlichste American Viticultural Area in den USA. Die grösste AVA liegt am Oberlauf des Mississippi. Die seit 1989 bestehende «Fredericksburg in the Texas Hill AVA» ist in dieser riesigen Region mit einer Fläche von 30 000 Hektar inkludiert. Das sind Zahlen, die ein Greenhorn aus Europa erst einmal verdauen muss. Doch die Weite der dünn besiedelten Landschaft, durchzogen von sanften Hügeln, markanten Felsen und Flüssen spricht für sich: Hier ist Platz, die Böden sind gut. Der rote, sandige Lehm liegt teils zwei Meter hoch auf kalkhaltigem Untergrund. Doch Rebberge sind (noch) wenige zu sehen, aktuell stehen hier etwas über 30 Hektar Reben. Der Löwenanteil des Traubengutes, das hier verarbeitet wird, kommt von den High Plains, in der Gegend um Lubbock, im nordwestlichen Zipfel von Texas, 500 Kilometer von Fredricksburg entfernt. Die Region ist das grösste Baumwoll-Anbaugebiet der Welt. Doch Baumwolle braucht viel Wasser, Rebstöcke weniger. Dank dem ariden Klima ist auch der Pilzdruck gering. Darum sattelten viele Farmer auf Reben um – und beliefern mittlerweile die Wineries in Texas mit Trauben. Doch wird die kontrollierte Herkunftsbezeichnung für die Hill-Country-Produzenten immer wichtiger, und der Pioniergeist, das Wein-Business in diese Richtung hin zu stärken, ist ungebrochen. Christopher und Jennifer Cobb von Kuhlman Cellars wagten den Schritt, lancierten 2014 ihren ersten Jahrgang und eröffneten eine Winery, die wachsen sollte: von heute 30 000 Flaschen auf 120 000 Flaschen. Unterstützt wird das Paar seit 2012 von der Önologin Bénédicte Rhyne, die in Dijon studierte und ihre Karriere bei Ravenswood in Kalifornien startete. Der Weinbau im Hill Country mit dem feuchten subtropischen Klima ist nicht unproblematisch.

Wetterkapriolen
«7. März Austrieb, 15. Mai Spätfrost, starker Hagel im Juni, im August Hurrikan-Saison mit vielen Niederschlägen», präzisiert Cobb den Jahrgang 2016, den er wegen der Wetterkapriolen verloren hat. Es sei Knochenarbeit, hier Rebfläche aufzubauen, meint er, während er den tiefdunklen 2014er Field Blend im Glas schwenkt: dunkelbeerige, weiche Frucht, körniges Tannin und eine geniale Säure. Cobb ist zufrieden: Seine Reben, die rote Erde und der dramatische texanische Himmel, von dessen Horizont eine Gewitterfront anrollt – das ist seine Welt. Als alteingesessenen Betrieb könnte man Pedernales Cellars bezeichnen: Die Eltern von Julie und David Kuhlken pflanzten ihre ersten Rebberge in den 1990ern. Fünf Jahre später gründeten sie Pedernale Cellars. Heute ist die Winery ein florierendes Familienunternehmen. Auch Julie hat immer ein sorgsames Auge aufs Wetter. «Wenn die feuchte Luft vom Golf auf eine Kaltfront vom Norden trifft, passiert das über dem Hill Country und dann ist die Hölle los, dann wüten hier die Hill-Tornados», berichtet die zierliche Frau.

Sattel statt gerahmtes Diplom
Der Erfolg der Pedernales-Weine hängt nicht als Diplom an der Wand, sondern steht aufgebockt im Verkaufsraum: Die Sättel gab es als Trophäe für die besten Weine an der Houston Rodeo and Wine Show. «Zweimal haben wir hier mit unserem Viognier gepunktet. Der beste Wein wird in eine Salmanazar-Flasche abgefüllt und versteigert. Sagenhafte 75 000 Dollar betrug der Erlös, der für einen wohltätigen Zweck gespendet wurde. Wein und Charity. Texas ist reich, wer erfolgreich wirtschaftet, hat gewonnen, denn es gilt: Einkommen wird nicht besteuert. No taxes in Texas! Das lässt viel Raum zur Selbstverwirklichung, wie das Beispiel von Richard und Bunny Becker aus San Antonio zeigt. Eigentlich wollte das Paar nur eine kleine Hütte im Hill Country als Hideaway für die Wochenenden renovieren. Es ist daraus ein Weingut geworden, mit arrondierten Rebflächen vor und hinter der mächtigen instand gesetzten Scheune. Lavendel umsäumt den Eingang – Bunny Becker ist passionierte Gärtnerin und auch im Verkaufsraum gibt es allerhand kosmetisches Kräuterwerk zu kaufen. Und natürlich Wein. 35 verschiedene Weine gibt es zu verkosten und zu kaufen. Im gut zehn Meter langen Oval der mächtigen Theke wird zu sechst gearbeitet und Wein ausgeschenkt. Der Ansturm ist gross. Eine Probe mit sechs Weinen kostet 20 Dollar, ein Glas Wein im Offenausschank zwischen 10 und 15 Dollar. Wer mehr Privacy möchte, bucht ein Tasting in der Library, der Becker’schen Weinschatzkammer mit Blick auf Barriques und die Hall of Fame der Winzer: Das Porträt jedes Einzelnen, der an Becker Vineyards Trauben liefert, hängt hier, denn längst decken die Rebflächen rund ums Haus den Bedarf nicht mehr. Für Chris Brundrett von William & Chris Vineyards sind die Weingüter ein wichtiger Wirtschaftszweig für die Region. 1000 Besucher pro Woche zählt seine Winery. Das Team braucht laufend Verstärkung. «Wir bieten eine Perspektive für die jungen Leute», so Chris. Wer hier jobbt, bekommt 12 Dollar die Stunde, einen ordentlichen Lohn für Aushilfen. Wer Interesse am Wein zeigt, wird gefördert und in andere Regionen geschickt, um zu lernen. Das Business braucht gut ausgebildeten Nachwuchs. Wie zum Beispiel Josh Fritsche, der seit 2011 zum Team gehört. Der kongeniale Weinmacher produziert einen Brut-Artisanat-Rosé, so frisch und feinperlend, dass man sich am liebsten die ganze Flasche einverleiben möchte. Bei Rancho Ponte wirkt Trace, ein begabter Quereinsteiger aus der Restaurantszene in Houston, als Önologe und unterstützt den Besitzer Roberto Ponte. Robertos Familie stammt aus dem Friaul. Einen Weiss- und einen Rotwein habe sein Grossvater gekeltert. Riesige Ventilatoren an der Decke des schlichten Wellblechbaus halten die gekühlte Luft in Umlauf. Der 2014er Ranch Dog Red ist eine Cuvée aus Merlot, Montepulciano, Chardonnay und Muskateller. Die roten Sorten sind in französischer und amerikanischer Eiche ausgebaut. Die 280 Flaschen, die jährlich produziert werden, gehen weg wie warme Semmeln.

Luckenbach-Texas
Barbecue und Wein gibt es am Abend in der Music-Barn in Luckenbach. In der riesigen Scheune wird zum Tanz aufgespielt. Der Bretterboden bebt, der Fiddler streicht immer wilder über die Saiten seines Instruments. Nebenan in der alten Post Station geht es ruhiger zu. Der heimliche Chef hier ist ein Kater namens Dog, der mitten auf der Theke thront und über alles wacht. Getrunken wird Bier. Bezahlt wird cash. 1970 kaufte Hondo Crouch die Ansammlung von Häusern für 30 000 Dollar. Das Dorf Luckenbach-Texas war zum Verkauf ausgeschrieben. 1904 wohnten hier 492 Menschen, in den 1970er Jahren waren es noch 3. Hondo baute die Scheune und veranstaltete Konzerte. Waylon «Waymore» Jennings widmete dem Fleckchen Erde einen Song, die Legende war geboren. In der Post Station spielt an diesem Abend eine kleine Combo auf Akustik- und Steel-Gitarren «Tumbling Tumbleweeds» von Son of Pionier. Ein magischer Song für einen magischen Moment unter dem weiten Sternenhimmel von Texas.

Texanische Weintipps

Pedernales Cellars, Stonewall
Viognier Reserve 2014

16 Punkte | 2017 bis 2019

Kühle, reife Frucht, dazu die typisch floralen Noten nach Rosenknospen und Maiglöckchen. Dicht, beinahe cremig am Gaumen, exzellente Länge.

Pedernales Cellars, Stonewall
Texas Tempranillo Reserve 2014

17 Punkte | 2017 bis 2022

Die Trauben stammen aus den High Plains bei Lubbock und aus dem Hill Country: pflaumige Frucht, dazu dezente Würze. Am Gaumen sehr pur mit ausbalancierter Säure und exzellenter Länge.
www.pedernalescellars.com

Becker Vineyards, Stonewall
Prairie Rotie 2014

16 Punkte | 2017 bis 2020

Syrah, Grenache und Mourvèdre. Der typische Rhone-Blend wartet mit Noten von Leder und Tabak auf. Doch die Frucht am Gaumen ist dunkelbeerig und frisch, das Tannin präsentiert sich reif und ausbalanciert.

Becker Vineyards, Stonewall
Estate Reserve Merlot 2012

16.5 Punkte | 2017 bis 2024

60 Dollar kostet die Flasche und zur Verkostung wird der Wein nur ab und zu ausgeschenkt: extrem dunkle, brombeerige Frucht, üppige Struktur, dicht und mit körnigem Tannin, die Säure schafft Länge und Eleganz. Prima gemacht.
www.beckervineyards.com

Rancho Ponte, Fredericksburg
Ranch Dog Red 2014

15 Punkte | 2017 bis 2018

Feinfruchtiger Tropfen, rote Beeren, Kirschen und ein Hauch von Marzipan, geschmeidig und sanft am Gaumen. Everybody’s Darling und damit der Partywein schlechthin.

Rancho Ponte, Fredericksburg
Montepulciano French Oak 2015

16 Punkte | 2017 bis 2020

Sehr kleine Produktion und darum immer sehr schnell ausverkauft.
Extrem seidiges Tannin mit reifer, dunkelbeeriger Frucht am Gaumen, langes Finish auf Würznoten. Der Montepulciano American Oak ist deutlich weicher, runder und auch etwas gefälliger, mit Vanille und Kokos im Finale.
www.ranchoponte.com 

Hill-Country-Reisetipps

Die schönste Reisezeit ist im April, mit fantastische Blütenpracht entlang der Highways. Der kühlere Herbst bietet sich ebenso an. In Stonewall kann man die Ranch des ehemaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson besichtigen.
www.visitfredericksburgtx.com


Übernachten

 

Cameron Inn Bead & Breakfast
337 East Main Street
Fredericksburg, Texas
www.travelmainstreet.com/cameron-inn
Brandneu und luxuriös mit dem genialen Frühstück, das bei Bedarf aufs Zimmer gebracht wird. Doch besser man sitzt mit den anderen Gästen im Esszimmer und plaudert. Grosse Zimmer mit Whirlpool und Rainshower im Bad. Hinterm Haus gibt es auch einen Hottub unter freiem Himmel.

Inn on Baron’s Creek
308 South Washington Street
Fredericksburg, Texas
www.innonbaronscreek.com
Gepflegte Hotelanlage mit grossen Zimmern, genügend kostenfreien Parkplätzen und einer schönen Poolanlage. Gemütliche Lobby, grosse Bar für den Absacker am Abend. In unmittelbarer Gehdistanz zum Zentrum von Fredericksburg.

 

Essen, Trinken, Feiern

 

Navajo Grill
03 East Main Street
Fredericksburg, Texas
www.navajogrill.com
Soulfood aus dem Süden gibt es hier, mit saisonalen Beilagen. Prima Steaks oder knuspriges Hühnchen mit pikanter Sauce und viel Limette. Unbedingt die Bier-Auswahl der Pedernales Brewing Company probieren. Als Aperitif muss es der Texas Apple Cidre mit Bourbon und Cranberry-Saft sein. Fantastisches, selbst gebackenes Brot.

Java Ranch
114 East Main Street
Fredericksburg, Texas
www.javaranchcoffee.com
Texaner lieben ein kräftiges Frühstück und Käsekuchen. Beides gibt es auf der «Java Ranch» reichlich. Der Typ hinter der Theke ist zunächst zwar einsilbig, beim dritten Besuch gibt es aber ein herzliches «Howdy!» zur Begrüssung. Guter Kaffee, starkes WLAN, witzige Souvenirs.

Luckenbach-Texas
412 Luckenbach Town Loop
Fredericksburg, Texas
www.luckenbachtexas.com
Ein Must. Die Atmosphäre in der Music-Barn und in der alten Post Station ist unschlagbar. Vollgestopft mit Anekdoten und Erinnerungen. Gekrönt mit Livemusik vom Feinsten. Jeder unterhält sich mit jedem: «Everybody is somebody in Luckenbach-Texas.»

 

Einkaufen

 

Headquarters Hats
122 East Main Street
Fredericksburg, Texas
www.headquartershats.com
Eine riesige Auswahl an Cowboy-Hüten aller Art bietet Linda an. Die Stücke sind oft Unikate und entsprechend teuer. Linda lebt auf ihrer Ranch ausserhalb und weiss alles über Stinktiere und die scheuen, nahezu blinden Gürteltiere (Armadillos), die zu Tode erschrecken, wenn man die langen Tasthaare berührt.

Fischer & Wieser
1408 South US Highway 87
Fredericksburg, Texas
www.daspeachhaus.com
Mark Wiesers Vorfahren stammen vom Bodensee. Die Affinität zum Obst war gegeben. Wieser hat sich ein Pfirsichimperium aufgebaut und verkauft im Peachhaus allerlei feine Saucen und Chutneys, die der quirlige Barbecue-Spezialist John DeMers in der neuen Kochschule verwendet.
 
Der Küchenladen
258 East Main Street
Fredericksburg, Texas
www.littlechef.com
Ein High-End-Küchenausstatter mit allem, was es braucht. Löffel- und Tassenmasse für amerikanische Rezepte gibt es hier ebenso wie Demeyere-Pfannen, Le-Creuset-Schmortöpfe und edle Messer. Grosse Auswahl an Kochbüchern.

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