Marktschau: Spumante aus der Franciacorta

Satèn ist keine Sauce

Degustation und Text: Carsten Henn

Italiens Herausforderer des internationalen Schaumwein-Champions Champagne ist die Franciacorta, eine kleine, malerische Weinbauregion in der Lombardei, die DOCG-Status besitzt. Können die Norditaliener den Franzosen das Wasser – oder genauer: den Spumante – reichen? 

 

Mehr als fünf Atmosphären Druck darf er nicht haben, der Satèn. Wenn man weiss, was der Begriff übersetzt bedeutet, verwundert das kaum: Seide. Genau wie diese soll er über den Gaumen gleiten, und da wären die üblichen sechs Atmosphären Druck des Guten etwas zu viel. Hergestellt werden darf diese Spezialität nur aus Chardonnay und Weissburgunder. Damit ist sie eine der interessantesten Besonderheiten in der Welt des Schaumweins – von der trotzdem kaum einer weiss. Warum? Weil die Franciacorta so klein ist, gerade einmal rund 2200 Hektar sind bestockt. Sie gilt heute als einziges geschlossenes Weinbaugebiet für Spitzenschaumwein in Italien. Und noch eine Besonderheit: Als einzige DOCG Italiens muss sie ihren Status nicht auf dem Etikett angeben – genau wie die Champagne ihren AOC-Status nicht ausweisen muss. Weiss man um die geringe produzierte Menge, wundern die ambitionierten Preise wenig, man hat Seltenes im Glas. Und was die Konkurrenz Champagne betrifft: Manche, wie die grandiosen Spumante von Ferghettina – also von Roberto Gatti, des ehemaligen Kellermeisters von Bellavista –, können die Grosskopferten aus Frankreich locker herausfordern, aber man ist dabei selbstbewusst genug, um einen eigenen Stil zu kultivieren. Und der heisst nicht nur beim Satèn cremig-charmante Gefälligkeit. Die Perlen des Schaumweins schmelzen bei einigen Spumante geradezu am Gaumen, dazu gesellt sich eine reife Frucht, selbst die vom Restzucker extrem trocken eingestellte Franciacorta weist eine weiche Süsse auf. Neun deklarierte Schaumweinsorten gibt es, die höchste Stufe heisst «Riserva», vom Tag der Abfüllung bis zum Degorgieren müssen 60 Monate vergehen. In unserer Probe setzten nur wenige Erzeuger auf rassige Säure und stahlige Art, wie der La Capinera Brut von Vigneti Cenci – gleichzeitig einer der wenigen Schnäppchen. Wobei: Schaut man sich einige der durchgenudelten Standard-Cuvées grosser Häuser in der Champagne an, kann die Franciacorta locker mithalten. Und auch bei Rosés verstehen die lombardischen Winzer ganz genau, wie das charmante Spiel von roter Frucht und Frische zu sein hat.

Der Wein

Der Begriff «Franciacorta» beschreibt sowohl eine Region, ein Herstellungsverfahren und natürlich auch einen Wein. Auch bei den Rebsorten spielt die Zahl drei eine Rolle: Pinot Noir, Chardonnay und Pinot Blanc sind die drei zugelassenen Gewächse. Es werden drei Kategorien unterschieden: Franciacorta, Franciacorta Satèn und Franciacorta Rosé. Die heute mehr als 110 Kellereien des Konsortiums produzieren ihre Schäumer nach strengen DOCG-Richtlinien, die unter anderem den Sortenverschnitt und die Reifezeiten auf der Flasche regeln.

Die Region

Das Anbaugebiet befindet sich rund eine Autostunde von Mailand entfernt, südlich von Bergamo und nordöstlich von Brescia, begrenzt durch das Südufer des Iseosees im Norden. Die Region liegt im kontinentalen Klima, das aber durch den See das ganze Jahr über gemildert wird. Die Form des Anbaugebiets erinnert an ein Amphitheater, das vor über 10 000 Jahren durch Gletschermoränen gebildet worden ist. Diese spezifischen Böden mit viel Schlick und Sand sowie wenig Lehm sind durchlässig und haben einen hohen Mineralanteil. 

Die Verkostung
Bei dieser Verkostung beschränkten wir uns auf aktuell am Markt verfügbare Weine. Die Muster wurden verdeckt verkostet und stammen von Weinhändlern, die dem VINUM WineTradeClub angehören. Mitglieder werden regelmässig über die Themen der Marktschau informiert. 
www.vinum.eu/wine-trade-club

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