Weine aus dem Libanon

Boom in der Levante

Verkostung und Text: Rudolf Knoll, Fotos: z.V.g

Weinbau hat einige tausend Jahre Tradition im Libanon. Durch den hohen Anteil Christen in der Bevölkerung kam er nie ganz zum Erliegen. Vor rund 40 Jahren machten erstmals reife Weine von Château Musar international das Potenzial dieses Landes am Mittelmeer deutlich. Jetzt wurde es Zeit für eine aktuelle Bestandsaufnahme auf breiter Front mit Blick auf die Entwicklung der letzten 15 Jahre.

Als VINUM im Mai 1989 erstmals über den Libanon berichtete und Château Musar ins Blickfeld als unerschütterliche Wein-Hochburg in Zeiten des Bürgerkrieges (1975 bis 1990) rückte, wurden Kampfflugzeuge, Autobomben, Strassenschlachten, Artillerie-Duelle und Flüchtlingselend erwähnt. Als ein Kollege vor einigen Jahren in den Libanon fliegen wollte, musste er unterschreiben, dass das auf eigene Verantwortung geschah. Aktuell gibt es das Flüchtlingselend wieder (diesmal sind es Syrer, die vor dem Krieg aus ihrer Heimat flohen). Aber man kommt unbeschadet an und wieder zurück, obwohl das Auswärtige Amt in Deutschland diverse Warnungen ausspricht und vor Touren in einige Regionen warnt. Aber alles halb so wild. Wir haben zwar die zahlreichen Checkpoints in den Städten und im Land registriert, fuhren an einigen Flüchtlingslagern vorbei und besichtigten die eigentlich auf der Verbotsliste stehenden historischen Tempel von Baalbek. Doch am gefährlichsten kam uns der typisch arabische Verkehr vor, bei dem auf zwei Fahrspuren in Beirut drei Autos nebeneinander aufs Gas treten…

«Der Libanon sieht sich auf Augenhöhe mit sehr guten Erzeugerländern der Welt.»

Rudolf Knoll
VINUM-Autor

Ansonsten ist es derzeit ruhig im Libanon. Das letzte Scharmützel mit Israel fand 2006 statt und war eine 33-tägige Auseinandersetzung zwischen der Hisbollah-Miliz im Libanon und dem Nachbarn im Süden. Die Wirtschaft ist langsam dabei, sich zu erholen, trotz einer extrem hohen Verschuldung des Landes. Im Weinbau kann man sogar von einer Boom-Stimmung sprechen. Zwar entfallen nach wie vor gut zwei Drittel der jährlichen Produktion auf die Traditionshäuser Musar, Kefreya und Ksara. Aber nach 1990 entstanden eine Reihe ambitionierter kleiner Weingüter, die teilweise durch in Frankreich ausgebildete Önologen erstklassige Weine erzeugen, die internationales Interesse verdienen.

Zahlen und Fakten

Man kann den Libanon als kleines Land der grossen Weine beschreiben. Mit etwa 2500 Hektar Rebfläche gehört der Staat am Mittelmeer mit den Nachbarn Syrien und Israel zu den Mini-Weinländern der Welt. Die Hauptsorten Cabernet, Merlot, Mourvèdre, Syrah, Carignan, Grenache, Cinsault sowie Sauvignon Blanc, Sémillon, Chardonnay und Ugni Blanc sind eine Folge der französischen Einflussnahme von 1920 bis 1946. Autochthone Sorten werden für einige Weissweine und ansonsten für Arak verwendet.

Gourmand und Gourmet

Essen ist ein Bestandteil libanesischer Kultur. Die Küche ist vielseitig. Mediterrane Zutaten, vor allem Olivenöl, Oliven, Gemüse, Ziegenkäse und Obst, sind ein beliebtes Beiwerk. Mezze (Libanons Tapas) dürfen nicht fehlen. Geschätzt werden Eintöpfe mit Fleisch, Huhn und Gemüse sowie Falafel (frittierte Bällchen aus pürierten Hülsenfrüchten) – Fett wird nur sehr sparsam verwendet. Sie lassen sich, da geschmacklich durchaus deftig, gut begleiten von den gehaltvollen Rotweinen des Landes.

Resultate, Analysen, Statements

Auf der ProWein in Düsseldorf ist das Land schon seit einigen Jahren mit einem relativ kleinen Gemeinschaftsstand vertreten, der aber langsam wächst, weil immer mehr Betriebe der jüngeren Generation Interesse daran haben, international ins Geschäft zu kommen. In den letzten Jahren wurden auf Initiative des Landwirtschaftsministeriums auch «Libanesische Weintage» in Frankreich, Deutschland (Berlin), den USA und in der Schweiz durchgeführt. Diese Märkte können Libanons Erzeuger nicht mit Menge überschwemmen, bei einer Gesamternte von allenfalls 80 000 Hektoliter Wein. Bei den Präsentationen überraschen die Weine in der Regel positiv. Das betrifft nicht nur die Aushängeschilder Musar, Kefreya und Ksara, die schon seit Jahrzehnten bekannt sind für gute und überzeugende Qualitäten. Die Preise mögen teilweise hoch erscheinen, aber der Libanon spielt nicht in einer Liga mit «Billigheimern», sondern sieht sich auf Augen- höhe mit sehr guten Erzeugerländern der Welt, die noch deutlich mehr für ihre Spitzen- weine verlangen. So wird Château Musar oft mit exzellenten Bordelaisern verglichen, aber die Flaschenpreise auch für reife Jahrgänge lassen nicht erkennen, welcher Aufwand hier im Keller betrieben wird (frühestens nach sieben Jahren kommen die besten Rotweine in den Verkauf). Gut im Griff haben die Produzenten den von der Natur geschenkten relativ hohen Alkoholgehalt. Auch mit 14 Vol.-% sind die Weine selten protzig. Ein hoher Extrakt puffert gut ab. Negative Ausnahmen gibt es gelegentlich. Da es bislang keine offizielle Weinprüfung gibt, kommen manchmal auch fehlerhafte Weine mit flüchtiger Säure, Oxidation und Böckser in die Flasche.

Die Verkostung

Drei Tage Intensiv-Tour, täglich drei Weingüter, das war das Pensum vor Ort. Dazu wurden beim Importeur Caracter Wines in Karlsbad (Baden) noch eine Reihe Weine aus dem sonstigen Sortiment verkostet und auch Offerten anderer Händler unter die sensorische Lupe genommen, um einen guten Einblick in die Qualitäten zu erhalten, mit denen der Libanon auf den Exportmärkten aktiv ist.

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