Georges Vigouroux, Cahors

Pioniere und ihre Söhne

Text: Barbara Schroeder, Fotos: Rolf Bichsel

Cahors hat heute als führende Appellation des Südwestens gar Madiran hinter sich gelassen. Den Durchbruch verdankt es Pionieren wie den Vigouroux, die auf ebenso ausgewogene wie komplexe Weine setzen.

 

Wer sich beim Fussball nur die Torschussszenen anschaut, der steht abseits, versteht nichts vom Spiel, vom Aufbau, von der Taktik, von technischen Finessen. Und wer heute, ohne zurückzublicken, das Vigouroux-Imperium unter die Lupe nimmt, mit seinen sauber herausgeputzten Monumenten wie Mercuès oder Château de Haute-Serre, den perfekt unterhaltenen Weinbergen, den schmucken Verkaufslokalen, der Produktion von zwei Millionen Flaschen, die heute in die ganze Welt gelangen – wer all dies nur im Hier und Jetzt sieht, der vergisst, dass die Geschichte vor gar nicht so langer Zeit auf einem einfachen Hof begonnen hat. Nicht einmal die Tatsache, dass «die Vigouroux den Handel im Blut haben», wie der aktuelle Firmenchef Bertrand-Gabriel Vigouroux stolz erklärt, kann den Erfolg des Unternehmens ausreichend erklären. Hätte denn ein Händler, der sich bloss rasch und konsequent bereichern will, auf eine zeitweise doch ziemlich verschriene Sorte wie den Malbec gesetzt? Nein, er hätte mit Landwein aus Sauvignon Blanc oder Chardonnay gehandelt: kleiner Einsatz, grosse Marge. Er hätte einen gesichtslosen Betonschuppen zum Hauptquartier gewählt, statt sich uralte Schlösser mit brachliegenden Parzellen zu leisten, und schon gar nicht in ein verlottertes Geschichtsmonument mit 3000 Quadratmeter Dachfläche investiert, deren Unterhalt allein ein Vermögen verschlingt.

Nein, die Vigouroux haben noch etwas anderes im Blut als nur den Handelsvirus. Diese ganz besondere Liebe zur Heimat, zum eigenen Grund und Boden, diesen unerschütterlichen Glauben an die eigenen Möglichkeiten. Und an die eigene Traubensorte. Was Marcel Guigal für die Syrah ist oder Alain Brumont für den Tannat, war der heute 78-jährige Georges Vigouroux für den Malbec: ein Mentor, ein Förderer, ein Freund.

«Der Malbec?», sagt Bertrand-Gabriel mit dem leicht gelangweilten Unterton des Mediengewohnten, der dauernd die gleiche dumme Routinefrage beantworten muss. «Der Malbec? Ohne diese Traube würde es uns nicht geben. Sie allein unterscheidet uns von allen anderen Weinbaugebieten der Welt. Darum hüten wir die Sorte wie unseren Augapfel und teilen unsere Erfahrungen mit Malbec-Spezialisten aus aller Welt. Eine besondere Affinität haben wir zu Mendoza in Argentinien. Dort hat man das echte Potenzial des Malbec erkannt.»

Merke: In seinem Sohn Bertrand-Gabriel, seit 1989 im Unternehmen tätig und heute Generaldirektor, Rebchef und Weinmacher in Personalunion, hat Altmeister Georges einen würdigen Nachfolger gefunden. Auch der Malbec fällt sichtlich nicht weit vom Stamm. Er war einst die wichtigste Sorte des rechten Bordeaux-Ufers. Dort musste er dem Merlot und Cabernet Franc weichen. In Cahors hat er sein Reduit gefunden.

Der Malbec kann auch ganz anders

Der Malbec ist auch nicht ganz einfach im Umgang (doch welche Sorte ist das schon?). Er ist zwar recht feuchtigkeitsanfällig, erlaubt aber hohe Erträge und gibt dann einen zwar angenehm fruchtigen, an Holunderbeersaft erinnernden, doch insgesamt eher simplen Wein. Er reagiert extrem auf seinen Standort und entwickelt im besten Fall, zum Beispiel auf den kargen Lehm-,Kalk- oder Schwemmlandböden über den Ufern des Lot, der gemächlich durch das Cahors-Anbaugebiet mäandert, ganz andere Eigenschaften: Tanninreichtum, Farbkraft, aromatische Komplexität, Reifepotenzial.

«Ohne den Malbec würde es uns nicht geben. Er allein unterscheidet uns von allen anderen Weinbaugebieten der Welt.»

Bertrand-Gabriel Vigouroux Generaldirektor

Es gab eine Zeit, da rieten Cahors-Winzer den Kunden, ihre Weine entweder sehr jung zu trinken, um von der überschwänglichen Fruchtigkeit zu profitieren, oder sie zwei Jahrzehnte im Keller zu vergessen. Das hatte seinen Grund: Jung getrunken liess sich die Eckigkeit der Tannine hinter dem Alkohol und der Fruchtsüsse verstecken. Mit zunehmender Reife nicht mehr. Mit seinen robusten, auf etwas zweifelhafte Langlebigkeit getrimmten Weinen machte Cahors darum zuerst vor allem lokal von sich reden. Erst als Pioniere wie die Vigouroux, Baldès und Co mit diesem Stil brachen und auf moderne, ausgewogene und doch komplexe Weine setzten, gelang der internationale Durchbruch. Heute gehören die Cahors (wieder) zu den grossen Weinen der Welt und haben – als führende Appellation des weiten wilden Südwestens – gar Madiran hinter sich gelassen (sieht man von Alain Brumont ab, der eine Appellation für sich darstellt). Den Vigouroux gelingt dabei ein zusätzlicher Balanceakt: Sie sind fähig, absolute Spitzenweine zu produzieren, verstehen sich aber auch auf das Keltern von gutem Alltagswein für die kleine Börse. Und sie haben es ebenfalls geschafft, sich nie ganz von der Barriquitis anstecken zu lassen. Ihre Spitzenweine reifen im kleinen Eichenfass – doch das Holz ist präzise dosiert: «Ich will doch nicht an einem Holzscheit nagen», sagt Bertrand-Gabriel dezidiert.

Eine Facette von vielen

Die Vigouroux machen aber nicht nur Wein, sie betreiben auch ein Hotel (das«Mercuès» gehört zu den pittoreskesten und besuchenswertesten Luxushotels Frankreichs) und zwei Restaurants («Mercuès» und «La Table de Haute-Serre» in Cieurac, beide in der Nähe der Stadt Cahors), in denen gekonnt Spitzenküche mit Wein und lokalen Produkten verbunden wird. Zwei Produkte liegen ihnen besonders am Herzen: schwarze Trüffeln und Safran. Safran wurde im Quercy vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution angebaut: Er war von erstklassiger Qualität und besass internationalen Ruf. Erst 1997 wurde die Produktion relanciert. Heute ernten rund 80 Safranproduzenten zwischen sechs und acht Kilo Safran, das entspricht etwa zwei Millionen Blüten.

Wein, das ist für die Vigouroux Teil eines Gesamtkonzeptes, zu dem auch Gastronomie, Kultur, Architektur und anderes mehr gehören.

Weine des Winzers

 

Château Leret-Monpezat 2010

Malbec | 2016 bis 2030

Die Reben auf einer Terrasse über dem Lot-Ufer profitieren von der Vielfalt der Böden aus Kalkgeröll und Lehm. 2010 zählt zu den besten Jahrgängen des letzten Jahrzehnts.

Mariage: Grillspeisen

 

Château Pech de Jammes 2010

Malbec | 2014 bis 2025

Das steile, trockene Terroir der Causse de Cahors bringt einen besonders samtigen Malbec hervor, der weniger auf Breite setzt als auf Länge.

Mariage: Wildgeflügel, Hase

 

Pure Malbec 2009

Malbec | 2014 bis 2031

Parzellenselektion von Château Pech de Jammes aus den besten Lehm- und Kalklagen, die sich in einem natürlichen Amphitheater befinden.

Mariage: Kalbsrippe oder Ente