Unique Wineries of the World

Weingut Obrecht

Fotos: Gaudenz Danuser, Rodrick Aichinger, Christian Obrecht, Yanik Bürkli

Crus mit Seele
und viel Spannung

Wer den Weg des Winzerpaares Francisca und Christian Obrecht in Jenins verfolgt hat, der weiss, dass ihr Weingut heute nicht mehr dasselbe ist wie noch vor zehn Jahren. Das zeigt sich auch im Glas. Galten die Obrecht-Crus, allen voran ihr Parade-Pinot, der Monolith, einst eher als Vertreter der opulenten Richtung, so fasziniert ihr Paradewein heute mit deutlich mehr rotbeeriger Frische, Finesse und Temperament. Auch analytisch lässt sich das nachverfolgen, denn knackte ihr Parade-Pinot nach der Jahrtausendwende noch regelmässig die Hundert-Grad-Öchsle-Schallmauer, so sind sie heute mit 95 Öchsle mehr als zufrieden. «Die Weine sind ein Spiegel unserer persönlichen Entwicklung. Waren wir in jungen Jahren empfänglich für Power und Würze, so suchen wir mit zunehmendem Alter nach Filigranität und Tiefgründigkeit», sagt Francisca Obrecht.

«Seit Beginn der Umstellung auf biodynamischen Anbau im Jahr 2010 bestimmt der Rebberg unser ganzes Tun und Handeln. Das hat unser Leben verändert... zum Guten.»

Während sie auf der Ferieninsel Gran Canaria aufgewachsen ist, wo ihr Vater in der Tabakindustrie arbeitete, war der Weg des Winzersohns Christian Obrecht vorgezeichnet. Sie trafen sich während des Önologie-Studiums in Wädenswil, wo sie in der gleichen WG wohnten. 2006 konnten sie dann das bereits sehr gut aufgestellte Weingut von Christians Eltern übernehmen, welche die Umstellung vom landwirtschaftlich gemischten Gehöft zum Weingut schon Ende der 70er Jahre abgeschlossen hatten. «Wir erkannten schnell, dass bei der Kellerarbeit vor allem Feintuning gefragt war. Bei der Rebarbeit hingegen sahen wir mehr Potenzial.» 2008 hörten sie mit Herbiziden auf, 2010 verbannten sie die systemischen Pflanzenschutzmittel. Schritt um Schritt näherten sie sich dem biodynamischen Anbau. 2013 begannen sie dann den Umstellungsprozess, seit 2017 bewirtschaften sie ihre ganzen sieben Hektar kontrolliert biodynamisch nach den Vorgaben von Demeter.

«Der Weg zum biodynamischen Anbau hat unser Leben verändert», sagt Francisca Obrecht. «Früher hatten wir unseren Pflanzenschutz- und Bewirtschaftungsplan und waren zeitlich weitestgehend autonom. Heute diktiert der Rebberg unseren Zeitplan. Wenn wir zu einem Grillfest eingeladen sind und sich dann wetterbedingt Handlungsbedarf ankündigt, bleiben wir zuhause. Aber dieses Antizipieren mit den Reben hat unser Leben bereichert.» Die neue Sensibilität hat auch die Arbeit im Keller verändert. Die Vergärung mit rebbergseigenen Hefen und der Verzicht auf Filtration gehören schon seit längerem zum Repertoire von Christian Obrecht. Heute werden alle Weine in 1800 Kilo fassenden Holzbottichen vergoren. Während der Pinot und der Chardonnay im Eichenholz reifen, werden einige Weissweine nach einer drei- bis fünftägigen Maischengärung in 250-Liter-Tonamphoren ausgebaut. Das auf einem Minimum an Eingriffen basierende Konzept hat vor allem die Weissweine merklich verändert: Sie erscheinen temperamentvoller, lebendiger und animierender. Über die Jahre hat sich auch der Sortenspiegel verändert, und zwar nach einleuchtenden Kriterien: «Von Sorten, die wir selber nicht so gern trinken, haben wir uns verabschiedet, jene, die wir lieben, dagegen gepuscht.» So sind Pinot Gris, Gewürztraminer, Malbec, Merlot und Syrah verschwunden, zugunsten von mehr Chardonnay und Completer. Der Wein, der den individuellen Entwicklungsprozess der Obrechts wohl am deutlichsten aufzeigt, ist ausgerechnet der Riesling-Sylvaner. Einst schön primärfruchtig und im besten Sinne gefällig, ist er zu einer Persönlichkeit mit Ecken und Kanten gereift.

Drei Spitzenweine

Brut 2016

Aus der Pinot-Noir-Vorernte rund drei Wochen vor der Hauptlese, ergänzt mit Pinot Meunier. Der Grundwein reift sechs Monate teils in der Barrique. Anflug von frischen roten Beeren und Sommerkräutern. Im Gaumen geradlinig, klar und erfrischend.

Blanc de Noir Schiefer 2018

Aus spätreifen Pinot-Noir-Trauben, die bei der Hauptlese aussortiert werden. Dazu kommt Saignée-Saft. Gut sechs Monate in der Tonkugel gereift. Zarte rote Beeren, auch frisches Kernobst und mineralischkreidige Noten. Im Gaumen kräftig und temperamentvoll.

Monolith 2018

Der Top-Pinot der Obrechts zeigt eine verführerische Aromatik mit roten und dunklen Beeren, dazu Zwetschgen, etwas Garrigue-Kräuter und erdig-mineralische Noten. Im Gaumen tiefgründig, getragen von einer saftigen Säure.