Ein alpiner Mikrokosmos

So schmeckt Südtirol

  • Der reich gedeckte «Südtiroler Tisch» wird von terroirgeprägten Weiss- und Rotweinen der Meraner Winzer bereichert.
  • Die Wein-Terrassen am Sonnenberg liefern mit ihren kargen, sandigen Schieferböden den idealen Untergrund für charaktervolle Gewächse.

Mit knapp 5400 Hektar zählt Südtirol zwar zum kleinsten Weinanbaugebiet Italiens. Doch völlig unterschiedliche Terroirs, von Europas höchstgelegenem Weinberg bis zu Regionen, wo Feigen- und Olivenbäume wachsen, bringen facettenreiche Spitzengewächse hervor. Fast 90 Prozent aller Südtiroler Weine haben DOC-Status. Passende Speisen mit den Top-Weinen zu vermählen, ist ein leichtes Spiel.

Genussbotschaft rund um Meran

Wer eine Festwiese für genussaffine Menschen sucht, findet sie in Meran und seiner Umgebung: Auge und Gaumen werden in und um das Weindorf Marling verhätschelt. Eingerahmt von Moränenhügeln und Weinbergen, mit Blick auf einige der schönsten Burgen des Landes wartet ein üppig gedeckter Tisch. Seit Jahrhunderten ist der Weinbau hier über dem Etschtal zu Hause. Auf bis zu 800 Metern Höhe wachsen unter anderem Sauvignon, Chardonnay, Vernatsch, Lagrein und Blauburgunder im milden Klima. Um zu zeigen, wie schön ein Lagrein Riserva der Kellerei Meran oder ein feinduftiger Weissburgunder vom Weingut Popphof mit Südtiroler Küche funktionieren, findet zwei Frühlingswochen im Jahr die «Marlinger Weinkuchl» statt.

Marlinger Genussstätten – vom traditionellen Wirtshaus bis zum designten Ristorante – bringen ausgesuchte Gewächse der Gemeinde und regionaltypische Kost zusammen. Sich nach dem Genuss hausgemachter Schlutzkrapfen oder von Radicchio-Risotto mit Parmesan ein Bild von der Geburtsstätte der dazu gereichten Weine zu machen, lässt sich etwa in der Vinothek der Kellerei Meran einlösen. Schon aus der Ferne funkelt das architektonische Juwel dem Besucher entgegen. Ein riesiger Glaskubus birgt eine Schatzkammer dessen, was die besten Hanglagen in Meran und umliegenden Gemeinden bieten. Kellerführungen geben Einblick in die fabelhafte Welt Südtiroler Weine. Spätestens bei der anschliessenden Verkostung der Terroir-Weine spürt man, wie sehr sie Klima, Böden und Mentalität der Erzeuger in sich bündeln. Kaum woanders als in Südtirol sind nördliche Eleganz und südliche Kraft im Weinglas so stark vereint. Weitere lokale Rebsäfte probieren kann man entlang des vier Kilometer langen Weinkulturweges Marling. Die übersichtliche Strecke ist gesäumt von etlichen familiengeführten Weingütern, die es kaum erwarten können, die Finesse ihrer Erzeugnisse über die Besucherzungen fliessen zu lassen. www.weinkultur.it

Dem Himmel ein Stück näher

Diesen Teil der norditalienischen Provinz als «Feinkostabteilung Südtirols» zu bezeichnen, ist keinesfalls zu hoch gehängt: Mildes Klima vom Marmordorf Laas über das Martelltal, das höchste Erdbeeranbaugebiet Europas, die Orte Schlanders, Latsch bis Kastelbell-Tschars mit geringer Luftfeuchtigkeit, zahlreichen Sonnenstunden und Wind, der über das ganze Jahr hinweg Obst, Gemüse und Weinreben trocknet und so vor Krankheiten schützt, liefert eine Steilvorlage für erstklassige Genussprodukte aus der Natur. Die Holzregale kleiner Hofläden sind prall gefüllt mit eingelegten Marillen und Beeren, Almkäse, Kastelbeller Spargeln, Vinschger Palabirnen und dem Vinschger Paarl – ein traditionelles köstliches Sauerteigbrot. Die kargen, mineralischen Böden an den südexponierten Hängen des Sonnenbergs wiederum liefern eine Steilvorlage im wahrsten Sinne des Wortes für den Vinschger Wein: Tief müssen die Rebwurzeln auf den Steilhängen in die Böden schlagen und saugen so feine Akzente der Gesteine auf.

Die grossen Schwankungen zwischen Tag- und Nachttemperaturen sind ein weiterer Eckpfeiler, um charaktervolle Weissweine wie Riesling und Weissburgunder und feinfruchtige, rassige Rote wie blauen Burgunder oder Zweigelt entstehen zu lassen. Extrembergsteiger Reinhold Messner hat das Weingut Unterortl Juval hier an ein Winzerpaar verpachtet. Unterhalb von Schloss Juval vinifizieren Martin und Gisela Aurich vom Riesling bis zum Gemischten Satz elegante Tropfen aus Urgesteinsverwitterungsböden bis auf 850 Meter Höhe. Um den Wein im Vinschgau niemals aus den Augen zu verlieren, lockt der Via Vinum Venostis in malerischer Naturkulisse. Der neun Kilometer lange Weg, der mit einem Höhenunterschied von 200 Metern entspanntes Wandern verspricht, führt nicht nur vorbei an Rebfeldern und teils quer über Höfe, wo man sich einen authentischen Eindruck der dörflichen Bräuche abholen kann. Hautnah streift die Strecke auch die historischen «Waale». Wie Bäche muten die künstlich angelegten Bewässerungskanäle an. Das trockene Klima im Vinschgau mit äusserst geringem Regenfall zwang die Dorfbauern einst, Gletscherwasser aus dem Hochgebirge auf ihre Felder zu leiten, damit Obst, Gemüse und Weinreben nicht austrockneten. Längst bedient man sich moderner Bewässerungstechniken. Aber die faszinierenden Wasserleitungen säumen die Naturstrecke bis heute. www.vinschgau.net

Das neue Weisswein-Paradies

Rebstöcke und Kastanienhaine schmiegen sich an sonnige Hänge. Die Sarntaler Alpen einerseits, der Blick auf die Dolomiten-Zacken auf der anderen Talseite – all das macht Klausen und Umgebung zu einem Urlaubsziel der Superlative. Herzstück der Region ist das mittelalterliche Städtchen Klausen. Das Künstlerstädtchen zählt mit Kloster Säben zum «I Borghi più belli d’Italia». Auf Feinschmecker hat das nördlichste Weinbaugebiet Italiens wegen seiner Weissweine magnetische Wirkung. Weinkritiker vom Wine Spectator bis zum Gambero Rosso überschlagen sich mit Lob für vibrierende Rieslinge, mineralische Sylvaner oder fruchtig-elegante Kerner aus dem Eisacktal. Ob in der Eisacktaler Kellerei in Klausen oder auf einem der umliegenden Weingüter: Der Wein-Enthusiast ist hier definitiv angekommen. Als Nahtstelle zwischen Österreich und Italien sind Kultur und Kulinarik hier wie im gesamten Südtirol von zwei Mentalitäten geprägt. Wärmende Gastfreundschaft im gebirgsgeschützten Klima, drei gelebte Sprachen sowie eine Synthese aus italienischer Dolce Vita und alpiner Verlässlichkeit ziehen in ihren Bann.

Zwischen der Gasthauskultur sollte man eine Kostprobe im zweifach besternten «Jasmin» in Klausen nehmen. Küchenchef Martin Obermarzoner veredelt Mediterran-Alpines mit seiner Handschrift, bringt Dorade mit einem Specksaum und Risotto mit Zitronensprossen-Butter in Einklang. Die Südtiroler Küche – ob Speckknödel in der Gaststube oder Taubenbrüstchen mit geräucherter Honigbirne in der Gourmetstube – ist wie gemacht für regionale Tropfen. Die Eisacktaler Weissweine passen zu Fisch-Variationen und hausgemachter Pasta. Ende Juni kann man sich auf dem Weissweinfestival «Sabiona19» in den malerischen Gassen der Altstadt von Klausen einen Gaumen-Eindruck der regionalen Weissweine abholen. Die Genussmeile ist musikalisch untermalt und kulinarisch veredelt. www.klausen.it

 

Fotos: fotografielafogler der Marion Lafogler, Helmuth Rier, IDM Südtirol/Florian Andergassen, Klaus Peterlin, IDM Südtirol/Alex Filz, Tiberio Sorvillo