Das Württemberg von heute

Heilbronner Jungwinzerinnen und Jungwinzer übernehmen das Kommando

Fotos: Pfalzweinfoto / André Kunz, Anna Ziegler, Maks Richter, Christopher Arnoldi, Heilbronn Marketing GmbH / Christoph Düpper, z.V.g.

Hier bewegt sich was: In Heilbronn haben die Jungwinzerinnen und -winzer das Kommando übernommen. In ihren Familienweingütern und in der Genossenschaft stehen sie gemeinsam für das Württemberg von heute. Gute Gründe, die Stadt zu besuchen, gibt es aber noch mehr.

Man kann über Heilbronn wirklich vieles sagen: Sie ist die Käthchen-Stadt (eingedenk des Drama-Klassikers «Das Käthchen von Heilbronn» von Heinrich von Kleist), eine Neckarmetropole, ein Technologiestandort. Und ja, natürlich ist sie auch eine Weinstadt.

Heilbronn ist für den Weinbau im Ländle sogar ziemlich bedeutend: Mehr als 530 Hektar Rebfläche werden in den Lagen Heilbronner Wartberg, Stiftsberg und Staufenberg bewirtschaftet. Damit ist die Stadt immerhin die drittgrösste Weinbaugemeinde in Württemberg. Ausserdem gilt sie auch als älteste Weinstadt Württembergs: Vor rund 1250 Jahren wurde der Weinbau hier erstmals urkundlich erwähnt. Ach ja, und sagen Sie hier bitte nicht «Winzer» – die heissen hier «Wengerter» («Weingärtner»).

Der Wein hat aber hier nicht nur Tradition, er wird auch von jungen, klugen Köpfen immer weitergedacht. Viele Weinbaubetriebe der Stadt haben junge Chefinnen und Chefs, die gut ausgebildet und weitgereist sind, um in ihren Familiengütern neue Akzente zu setzen. Ein gutes Beispiel dafür ist etwa die «Wein-Villa», die nicht nur ein schickes Gebäude mit Vinothek und Gastronomie ist, sondern ein Zusammenschluss von 14 innovativen Winzerbetrieben aus der Stadt mit der Heilbronner Genossenschaftskellerei. Sie präsentieren sich gemeinsam, organisieren Events und haben auch sonst schon einiges ins Rollen gebracht.


Alexander Bauer - Weingut Alexander Bauer

Die grosse weite Weinwelt – manchmal findet man sie in der Studi-WG-Küche. Als Alexander Bauer in Geisenheim Weinbau studierte, ging’s jeden Donnerstag rund: Die Kommilitonen wurden eingeladen, und es gab eine Weinprobe immer zu einem anderen Thema, «zum Beispiel Pinot Noir aus aller Welt, autochtone Rebsorten, Südafrika oder Piemont», erinnert er sich. Noch vor Beginn seines Studiums hatte er seinen ersten eigenen Wein zu Hause gemacht, einen Lemberger. Was der heute 32-Jährige anders macht als die Eltern: «Die Rotweine werden nur noch in Maische­gärung hergestellt. Ausserdem kommt öfter Holz zum Einsatz.» Von den edelsüssen Weinen hat er sich getrennt, «dafür sind andere Weinbaugebiete prädestinierter.» Er setzt auf ein dreistufiges Modell: Schankwein, Weinbergswein und Reserve. In letzterer Kategorie findet sich auch ein Trollinger von Terrassenlagen. Und er hat seine eigene Vorstellung von Finesse. «Ich liebe Frische», erklärt Alexander Bauer. «Wenn also jemand einen Standard-Lemberger sucht, mit Restsüsse, kräftigen Tanninen und wenig Säure – den haben wir nicht.»

www.weingut-alexander-bauer.de

 

Alexander Bauer Lemberger Reserve 2018

Der Duft erinnert an Rote Johannisbeeren, mit Früchten, Blättern, Stängeln und Erde. Am Gaumen intensiver Gerbstoff, mit Anklängen an Sauerkirsche, Cassis und Muskatnuss, dazu Eukalyptus im Nachhall. Dieser Wein profitiert sehr von etwas Zeit im Dekanter.
16,90 Euro

Alexander Bauer Trollinger Reserve 2020

Die Farbe: wie Kirschsaft und erkennbar unfiltriert, ungewöhnlich für die Rebsorte. Der Wein duftet frisch nach reifer Sauerkirsche und würzig wie Lakritz. Kirschig bleibt es auch am Gaumen, auch etwas erdig dabei. Ein frischer, rassiger Sommerrotwein.
8,90 Euro


Christina Kircher - Heilbronner Genossenschaftskellerei

«Das Weinmachen wurde mir in die Wiege gelegt», meint Christina Kircher, Winzerin in dritter Generation. Mit 16 startete sie ihre Winzerlehre, danach legte sie den Weinbautechniker drauf. Nun führt die 25-Jährige gemeinsam mit ihrem Freund den Familienbetrieb, ein Traubenweingut in Weinsberg, das der Heilbronner Genossenschaftskellerei zuliefert. Der Vater wurde vor Kurzem Vorsitzender der Genossenschaftskellerei und war daher schnell dabei, die Verantwortung im eigenen Betrieb weiterzureichen. Was die jungen Wein- bauern anders machen als die Generation davor? «Man hilft sich gegenseitig mehr», hat Christina Kircher beobachtet. «Wir haben in Weinsberg einen Arbeitskreis, mit dem man zum Beispiel gemeinsam Maschinen anschafft. Oder wenn Weinberge neu angelegt werden müssen, leiht man sich gegenseitig die Helfer aus.» In der Genossenschaft engagiert sich Christina Kircher als Co-Leiterin des Jungwinzerprojekts Triebwerk. Gemeinsam haben sie eine junge Weinlinie entworfen, mit Lemberger, Riesling und neu einem Schillerwein. Letzterer wird aus internationalen Reb- sorten cuvetiert.

www.wg-heilbronn.de

 

Triebwerk Schillerwein 2020

Bei diesem lachsfarbenen Schillerwein kann man die Rebsorten herausschmecken: die Exoten-Aromatik des Sauvignon Blanc, die Paprika-Note des Cabernet Sauvignon und die Geschmeidig-keit des Merlot. Eine knackige, erfrischende Säure. Supermoderner Wein.
9,90 Euro

Triebwerk Lemberger 2019

Schwarz-lila Farbe. Eine rassige Nase mit Aromen von Süsskirsche, Heu und Petrol. Sanft am Gaumen mit ganz zurückhaltenden Tanninen. Die Geschmacksnuancen sagen Kirsche und Eukalyptus, im Nachhall kommen Wacholderbeere und Kreide dazu. Edel.
29,95 Euro


Viola Albrecht - Weingut Albrecht-Kiessling

In heimischen Gefilden bleiben für die Winzerausbildung – das war so gar nicht ihr Ding. Viola Albrecht ging für die Ausbildung zu VDP-Betrieben in die Pfalz (Christmann) und nach Rheinhessen (Winter). Nach dem Studium in Geisenheim musste es noch weiter weg gehen: Zuerst in die italienische Emilia-Romagna («Sangiovese ist so interessant, er hat viele Ausprä- gungen, und Württemberg ist ja auch eine Rotweinregion.») und dann nach Neuseeland («Von dort habe ich den Sauvignon Blanc mitgebracht.»). Dann wollte sie zunächst das Angebot straffen, 14 Rebsorten fand sie üppig – «aber an den vielen Rebsorten haben wir auch einfach so viel Spass.» Einen Schwerpunkt legt die 28-Jährige weiterhin auf Sekt, den schon der Vater einführte und selbst versektete. Ebenfalls im Fokus stehen die weissen Burgundersorten. Bekannt ist das Weingut in der Stadt für seine After-Work-Lounge, die jeden letzten Donnerstag im Monat stattfindet. «Dabei geben wir auch immer einen Einblick in den Keller.» Ihre jüngere Schwester Luisa ist demnächst auch mit der Ausbildung fertig und steigt dann voll mit ins Weingut ein.

www.albrecht-kiessling.de

 

Albrecht-Kiessling Heilbronner Stiftsberg Weißburgunder Brut 2020

Die Perlage dieses Sektes aus Flaschengärung schäumt im Glas, am Gaumen wirkt sie dann aber eher zart. Ein würziger Duft von roher Quitte und etwas Erde. Am Gaumen findet sich eine feine Muskatnuss-Note, der Abgang wirkt mineralisch. Originell und fein.
12,50 Euro

Albrecht-Kiessling Waldluft Sauvignon Blanc 2021

Saftig-frischer Duft mit Aromen von knackiger Birne, unreifer Mango und etwas Passionsfrucht. Am Gaumen erinnert die Frucht an Gummibärchen mit Zitrusfrucht- und Ananas-Geschmack, dazu kommen grüne Kräuter. Die präsente Säure regt den Speichelfluss an.
9,20 Euro


Lars Hieber - Weingut Schäfer-Heinrich

«Wer Füsse bis zum Boden hat, der darf mitmachen», pflegte der Vater zu Lars Hieber immer zu sagen. Man kann erahnen, seit wann der Jungwinzer im Fami- lienbetrieb mitmacht: ungefähr schon seit immer. Nach seiner Winzerausbildung bei den VDP-Betrieben Ellwanger und dem Weingut der Stadt Lahr (heute Wöhrle) ging er zum Praktikum nach Südtirol und Südafrika. Immer achtete er darauf, bei ökologischen Betrieben unterzukommen. Denn seine Eltern stellten schon 1990 auf Öko um, «ich kenn’s nicht anders.» Dann hängte er den Weinbautechniker dran, und dann konnte es richtig losgehen. Da war er 23. Seit der heute 32-Jährige im Keller etwas zu sagen hat, hat er am Angebot ordentlich gefeilt. So stellte er auf ein dreistufiges Modell um, ähnlich dem mit Guts-, Orts- und Lagenwein vom VDP – trockene Spätlese gibt es nun keine mehr. Beim Ausbau im Holzfass «achte ich auf Details, zum Beispiel darauf, wie lange was in welchem Fass lagert.» Die Premium-Rotweine bleiben unfiltriert. Im vergangenen Jahr kreierte er die Linie Be für den unkomplizierten Anlass. Schritt für Schritt in Richtung der modernen Kundschaft.

www.schaefer-heinrich.de

 

Schäfer-Heinrich Heilbronner Stiftsberg Trollinger 2020

Einladende Farbe von hellem Kirschsaft, die Nase erinnert an rotes Fruchtgummi. Am Gaumen wirkt der Trollinger anschmiegsam, das Tannin ist leicht, die Aromen erinnern an Kirsche und rote Pflaumen. Ein Wein für jede Jahreszeit, im Sommer etwas kühler trinken!
8,95 Euro

Schäfer-Heinrich Quintessence Rotwein-Cuvée 2018

Die schwarz-lila glänzende Cuvée duftet harmonisch nach Himbeere und Kirsche. Am Gaumen zeigen sich saftige Kirschen, Pflaumen und Cassis, untermalt von einem griffigen Tannin, das für Nachhall sorgt. Lemberger trifft auf Cabernet Sauvignon und Merlot.
25 Euro


Ob im Weindorf im September, in der Weinvilla oder am Wein-Pavillon: Die Jungwinzerinnen und -winzer sind die Triebfedern von Heilbronn. Aber bei allem Streben nach mehr Angeboten wirken sie angenehm unangestrengt, «Wein darf hier unkompliziert sein», erklärt Jungwinzerin Viola Albrecht, die auch Sprecherin der Weinvilla ist. «Man trifft sich auf ein Gläschen, wir sind hier nah am Kunden. Wer uns fragt, bekommt auch viele Infos.» Eine Weinreise nach Heilbronn kann einfach jeder machen.