Best of Steiermark 2025

Wo die grünen Hügel locken

Text: Harald Scholl, Fotos: pixelmaker.at / Robert Sommerauer, Johanna Lamprecht, Johann Lafer, Flora P.

Wer in die Steiermark reist, merkt sofort: Hier ist jeder Winkel ein kleines Erlebnis – Weinberge, die wie Amphitheater in die Landschaft gebaut sind; Buschenschänken, die urige Gastfreundschaft leben; eine Lebensart, die nicht laut wird, sondern sachte einlädt. Die Steiermark ist mehr als nur Wein – sie ist Landschaft, Lebensgefühl und eine Melodie in Grün und Gold.

Die Steiermark ist mehr als nur ein Weinbaugebiet, ein Bundesland und ein Urlaubsziel. Das Vulkanland im Osten erzählt von Erdgeschichte und Wärme; Basalt und Tuff prägen den Boden, pannonisches Klima bestimmt das Temperament. In der Weststeiermark hingegen regiert der Schilcher: eine Region, die mit dem Blauen Wildbacher eine kühle Säure und eine schlanke Eleganz feiert – eine Spezialität mit Charakter. Im Süden, in der Südsteiermark, öffnet sich das Herzstück des steirischen Weinbaus: Hier wachsen Sauvignon Blancs, die weltweit gefragt sind, auf Hügeln, die wie natürliche Amphitheater anmuten, umrahmt vom sanften Flügelschlag des Klapotetz. Dass hier Wein mehr ist als nur ein Getränk, bringt US-Weinkritiker David Schildknecht auf den Punkt: «Die Winzer der Steiermark stehen nicht nur für eigenständige Steilhang‑Weine, sondern auch für mutiges Umdenken. Sie haben die letzten 30 Jahre genutzt, um Österreich mit einer neuartigen Weinstilistik zu erobern.» Und dies über die Landesgrenzen hinaus: Denn längst sind die Weine der Steiermark international gesucht und gefragt. Vielen begegnet man auf den Weinkarten der besten Restaurants in ­Zürich, Berlin, London oder New York.

Zuerst ist da der Wein

Die Steiermark lebt vom Duft ihrer Rebsorten. Im Zentrum steht der Sauvignon Blanc, das weisse Flaggschiff. Mit derzeit rund 902 Hektar Rebfläche – fast 18 Prozent der steirischen Weingärten – ist er die meistangebaute Sorte der Steiermark. Seit 2016 legte die Fläche um bemerkenswerte 27 Prozent zu. International gehört die Region zu den Topanbaugebieten, regelmässig ausgezeichnet bei globalen Verkostungen. Wie der zweite Vorsitzende im Rebsortenspiegel wirkt der Morillon, die lokale Bezeichnung für Chardonnay. Eingeführt von Erzherzog Johann, fand die Sorte hier zu einer eigenständigen Identität. Obwohl genetisch identisch mit Chardonnay, feiert man hier ihre stilistische Eigenständigkeit, sie ist oft schlanker, mineralischer, mit steirischem Touch. «Für uns ist Morillon nicht nur ein Synonym, sondern steht für den Geschmack der Steiermark», sagt ­Katharina Tinnacher vom Weingut Lackner-Tinnacher. Daneben finden Traminer, Muskateller und Rotweine wie der Blaue Wildbacher nur begrenzt Raum. Sie machen zwar nur einen kleinen Anteil aus, verleihen der Region jedoch prägende Nuancen. Muskateller bringt pikante Frucht, Traminer ist Ausdruck von Gewürz und ätherischer Eleganz. Der Blaue Wildbacher wiederum ist Herzstück des Schilchers, leuchtend und markant. Markus Pongratz vom Weingut Pongratz am Kranachberg beschreibt das Besondere seiner Heimat so: «Sobald der Morgennebel weicht und die ersten Sonnenstrahlen unsere Weinreben erleuchten, entfaltet sich eine einzigartige Magie.» Das bestätigen auch die Statistiken: Sauvignon Blanc ist die Leitsorte mit rasch wachsender Bedeutung, Morillon zeigt als steirisches Gegenstück Qualität mit Wurzeln, und das stille Rebsortennetzwerk vollendet den Farbenreichtum.

In der Steiermark fängt Stilistik in der Landschaft an und setzt sich unmittelbar in den Weinen fort. Ein Blick auf die Jahrgänge zeigt eine klare Entwicklung, die zugleich die Wandlungsfähigkeit der Region widerspiegelt: 2017 brachte fein ausgearbeitete Riedenweine mit Reifepotenzial. 2018 glänzte durch elegante Ortsweine, während 2019 rassige Gebietsweine hervorbrachte, die Frucht und Würze in animierender Säurebalance vereinten. 2020 zeigte sich zurückhaltend, feinfruchtig und vielschichtig – besonders beim Sauvignon Blanc: verhaltene Primärfrucht, die sich im Duft langsam öffnet, getragen von würziger Säure. Am Gaumen exotische Noten, unterstützt von einer stabilen Säurestruktur, die Ausdruck und Frische verleiht.

2021 gilt als kühler Jahrgang mit straffen Weinen und hohem Reifepotenzial. Viele Riedenweine daraus werden schon jetzt als Klassiker gesehen, weil sie Eleganz und Langlebigkeit vereinen. 2022 stellte die Winzerinnen und Winzer mit viel Sonne und Wärme vor Herausforderungen, doch die besten Betriebe fingen die Reife durch straffe Säure und klare Frucht ab. Entstanden sind kraftvolle Weine, die ihre Herkunft deutlich zeigen und wirklich den Charakter ihrer Herkunft betonen. 2023 brachte ein harmonisches Bild: kein extremes Wetter, ausgewogene Reife, trinkige Stilistik bei Gebiets- und Ortsweinen, während die Lagenweine Tiefe erkennen lassen. 2024 schließlich präsentiert sich frühreif und charmant: die Weine sind offen, duftig, fruchtbetont, zugänglich und zeigen schon jung große Trinkfreude, ohne an Präzision einzubüßen, zugleich aber den unkomplizierten Charme des Jahrgangs zu zeigen.

Steirische Frische

Verkostungen bestätigen diese Entwicklung, und auch internationale Kritiker halten fest, dass die besten Sauvignons aus der Steiermark längst zur Weltspitze gehören, weltweit anerkannt. Experimentierphasen sind einer gelungenen Balance zwischen Trinkfreude, Ernsthaftigkeit und Lagerpotenzial gewichen. «Die Sorte Sauvignon Blanc bringt in der Steiermark quer über alle drei Gebiete Weltklasse-Weine hervor. Wenn so viele Top-Winzer ihren Fokus auf eine Sorte legen, bleibt der Erfolg nicht aus – auch ganz wichtig: das Terroir der Weinbauregion Steiermark ist prädestiniert für diese Sorte», sagt Stefan Potzinger, Obmann von Wein Steiermark. Eine Beobachtung, die auf den Punkt bringt, was Reisen durch die steirischen Weinberge so nachhaltig beeindruckend macht: Rebsortenstilistik, Jahrgangsunterschiede und Terroir fügen sich zu einem Modell, das internationale Anerkennung ebenso sucht wie stilistische Eigenständigkeit.

Im Zentrum – Lage, Lage, Lage

Die Steiermark hat in den letzten Jahren ihr Profil geschärft. Mit der Einführung der DAC-Struktur 2018 steht die Herkunft an erster Stelle, was auch die Wahrnehmung ihrer Weine prägt. Gebiets-, Orts- und Riedenweine bilden ein klar gegliedertes System, das den Blick stärker auf die Eigenheiten von Vulkanland, Weststeiermark und Südsteiermark lenkt. Die Südsteiermark als Herzstück ist mit ihren steilen Hügeln und ikonischen Rieden wie Zieregg, Kranachberg oder Hochgrassnitzberg international zum Synonym für Sauvignon Blanc geworden. In der DAC-Pyramide stehen Gebietsweine für die klare, frische, trinkige Stilistik, die Lust auf das zweite Glas macht. Ortsweine wie etwa ein Sauvignon Blanc aus Ehrenhausen oder Gamlitz bringen mehr Tiefe und zeigen die typischen Charakterzüge ihrer Herkunft. Die Spitze bilden die Riedenweine, deren Lagenbezeichnungen zu Markenzeichen geworden sind: kraftvolle Sauvignon vom Zieregg, saftige, mineralische Morillon vom Kranachberg oder die strahlende Präzision eines Hochgrassnitzbergs. Hier zeigt sich, wie eng Typizität und Herkunft miteinander verwoben sind: Kühle Nächte und warme Tage erzeugen Aromenintensität und Frische, die selbst nach Jahren im Glas bleiben. Armin Tement bringt es auf den Punkt: «Eine grosse Lage ist wie ein eigenes Universum – sie gibt vor, was möglich ist, wir Winzer sind nur Übersetzer.» Im Vulkanland hingegen bestimmen Vulkangestein und Basalt die Handschrift – Weine mit Würze und Struktur, die eine oft unterschätzte Tiefe zeigen. Hier findet man Ortsweine aus ­Straden oder Klöch, deren Morillon oder Traminer immer eine Spur Rauchigkeit und Würze im Gepäck haben. Rieden wie Buch oder Königsberg bringen Weine hervor, die eigenständig und langlebig sind. Und in der Weststeiermark, auf den kargen, schiefrigen Böden rund um Stainz und Ligist, prägt der Blaue Wildbacher seit Jahrhunderten eine Nische, die unverwechselbar bleibt. Schilcher ist hier nicht nur Gebietswein, sondern Ausdruck einer ganzen Kultur. Ortsweine aus Stainz zeigen sich mit straffer Säure und rotbeeriger Frucht, während einzelne Rieden wie Langegg oder Engelweingarten längst bewiesen haben, dass auch Rosé ein ernsthaftes Thema mit Reifepotenzial sein kann.

Steirisch geniessen

Die Steiermark boomt auch dank ihrer Kulinarik. Zwischen Weinbergen und Wirtshäusern, Buschenschänken und Haubenküchen entfaltet sich eine Genusskultur, in der das Lokale und Kreative sich reizvoll ergänzen. Vom weltbekannten Kürbiskernöl über Käferbohnen, Vulcano-Schinken und Almkäse bis hin zu frischem Fisch, zu Forellen, Saiblingen und Karpfen, reicht das Spektrum.

«In der Steiermark wird die regionale Kochkunst mit hochwertigen Produkten und tradiertem Wissen köstlich ausgefeilt. Und da steckt viel Herz drin.»

Johann Lafer

Safran aus der Oststeiermark, knuspriges Bauernbrot, Obstbrände oder der Schilchersturm im Herbst zeigen, dass die regionale Küche gleichermassen Vielfalt wie Tiefe besitzt.  Zu geräucherter Forelle passt ein Sauvignon Blanc aus der Ried Zieregg, dessen salzige Mineralität und kühle Kräuterwürze den Fisch ideal ergänzen. Eine Variation mit Käferbohnen oder feine Gemüsegerichte lassen sich kongenial mit einem Gelben Muskateller aus Straden kombinieren, der mit floraler Leichtigkeit und fruchtigem Spiel die Gerichte trägt.

In Deutschland ist der südsteirische Sauvignon Blanc ein fester Top-Performer auf gehobenen Weinkarten. In der Schweiz wiederum schätzt man Wein, der Frische und Kulinarik harmonisch vereint und Teil der Genusskultur ist. Buschenschank-Klassiker finden ebenso Anklang wie gereifte Riedenweine, die mit Alpkäse, Fischgerichten oder beim Apéro glänzen. «Die Steiermark ist für uns ein Glücksfall: Klein in der Menge, gross in der Klasse – das Publikum erkennt sofort die Authentizität dieser Weine», sagt der Zürcher Sommelier und Importeur Philipp ­Schwander. Für Weinfreunde in Deutschland und der Schweiz ist die ­Steiermark längst kein Nischengebiet mehr, sondern ein geschätzter Teil der Weinwelt.