Der neue Trend: Do-It-Yourself Weine aus Bordeaux

14.05.2009 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Bordeaux) - Stellen Sie sich eine Flasche Wein vor, die nicht nur ihren Esstisch ziert, sondern von der Sie vor Ihren Gästen angeben können: "Leute, das ist mein eigener Bordeaux-Wein. Und das Etikett ist auch von mir entworfen". Na, was muss dass für ein Gefühl sein - ein eigner Bordeaux Wein. Nein, nein, das ist kein Scherz. Das ist Realität.

 

In Amerika ist es längst üblich "Do-It-Yourself"-Weine zu erzeugen und es entstehen immer mehr so genannte "Stadtweingüter" in Kombination mit einer realen Winery (wir berichteten). Am bekanntesten ist die kalifornische Micro-Winery Crushpad mit Sitz in San Francisco. Hier lassen "Do-It-Yourself" Winzer von überall aus der Welt ihre "eigenen" Weine vinifizieren. Der Einsatz: ca. 6.000 Dollar, ein Internetanschluss und schon kann es losgehen.

Mit einer benutzerfreundlichen Software und Lehr-Videos können die "Do-It-Yourself" Winzer sich informieren, lernen und selbst Entscheidungen treffen. Ihre Anweisungen senden Sie dann an das Personal des Weinkellers. Dort befolgt und überwacht man die gewünschte Vinifizierung, tauscht Daten als Zwischenergebnisse aus und kümmert sich um die "Do-It-Yourself" Weine bis zur Flaschenabfüllung und Versandt weltweit.

Crushpad, 2004 in San Franzisco gegründet von Michael Brill, weist für 2008 schon einen Umsatz von 9 Millionen Dollar aus. Die meisten der mittlerweile 5.000 Kunden sind in Wirklichkeit Gruppen von Freunden oder ganze Familien, die zumeist auch noch in verschiedenen Städten in Amerika leben. Auch US-Unternehmen, die ihren Kunden eigene Weine als Präsente überreichen oder bei Galas kredenzen bis hin zu Köchen, Restaurants, ja sogar Winzer lassen bei Crushpad ihre "Do-It-Yourself" Weine kreieren.

"Als ich vor zwei Jahren im Magazin Fortune einen Artikel über die kalifornische Firma Crushpad lass, hatte ich noch keine Ahnung, dass ich mal ein Do-It-Yourself Weingut in Bordeaux gründen würde" sagte Stephen Bolger, französisch-amerikanischer Herkunft. "Ich fühlte mich beim Lesen des Artikels wie in der Fernsehserie Eureka. Ich glaubte zu träumen".

Heute ist Stephen Bolger Präsident von Crushpad Frankreich. "Ich habe das Konzept der US Innovation von Crushpad mit der französischen Weinkultur gemischt" sagt Bolger. "Meine Aufgabe war es die Brücke zwischen Kultur, französischen Trauben, Tradition und französischem Savoire-Vivre zu finden"

"Anfangs hielten mich alle in Bordeaux für einen Spinner", schmunzelt Bolger. "Das wird nie funktionieren hörte ich vor allem von den Négociants". Doch Stephen Bolger machte sich unbeirrt an die Arbeit. Mit einer Gruppe von Beratern besuchte er über 100 verschiedene Weingüter und traf eine Auswahl von 30 Gütern,  deren Traubenmaterial der gewünschten Qualität entsprach und die er für sein Projekt begeistern konnte.

"Als Stephen mich ansprach und mir seine Idee erläuterte, erschien mir diese im Hinblick auf die Weinwirtschaft in Bordeaux und der damit verbundenen traditionellen Vermarktung als sehr kompliziert" sagte Eric Boissenot, internationaler Weinberater u.a. von renommierten französischen Gütern wie Lafite, Margaux und Léoville-Barton. "Stephens Begeisterung und Dynamik haben mich aber überzeugt. Zudem habe ich beim Besuch der kalifornischen Firma Crushpad die Originalität des Konzeptes erfahren und meine Vorbehalte schwanden vollens".

"Wir erhalten hier täglich eine steigende Flut von E-Mails, was uns zeigt, das viele Menschen unser Konzept begrüßen. Sie sind neugierig wie Kinder und finden die Idee spannend, einen eigenen Wein zu kreieren", freut sich Stephen Bolger.

"Es wird interessant sein zu sehen, welche Qualität wir erzeugen können", sagt der Kunde Asko Kassinen, Manager von Hawlett-Packard mit Sitz in Helsinki. "Wir wissen, dass die Trauben von Bolgers Team sorgfältig ausgewählt werden, von besten Weinbergern stammen, von erfahrenen Kellermeistern mit bestem Kellermaterial und Fässern zum fertigen Wein geführt werden". Er hat Trauben der Rebsorten Cabernet Franc und Merlot von Château Cheval Blanc und einem legendären Weingut in Saint Emilion für seine Weine ausgesucht.

Und Taavet Hindrikus, Kunde aus London, sagt: "Sie haben Zugriff auf einige der weltweit besten Trauben. Daraus können wir gemeinsam einen wirklich guten Wein machen. Ich denke, es wird sehr aufregend werden"

Und der Profi Boissenot meint: "Dieses Projekt ermöglicht es mir die Menschen kennen zu lernen, ihre Vorlieben und ihr eigenes Verständnis zum Wein zu erfahren."

"Die Erwartungen der Kunden sind groß, schließlich handelt es sich um Bordeaux Weine, da muss die Qualität stimmen", sagt Stephen Bolger. Doch ein Argument ist nicht zu schlagen: Bolgers Weine kosten 22,50 bis 30 Euro pro Flasche bzw. umgerechnet auf die Gesamtinvestition der Kunden ca. 6.750 bis 9.000 Euro. Kein Vergleich zu den zuweilen hunderten von Euro für Weine der klassifizierten Güter aus Bordeaux.

"Ich bin kein Weinkenner und habe auch keine Ahnung wie Wein hergestellt wird. Aber ich lerne fleißig und erfahre viel von Bolgers Team" sagt der Londoner Kunde Taavet Hindrikus. "Ich schaue täglich auf die Meldungen und Berichte, die mir per Mail zugesandt werden. Ich erhalte sogar auch Verkostungsnotizen, so fühle ich mich als Teil des Teams".

Stephen Bolger hat mit Crushpad Frankreich einen Trend kreiert, der genau in die Zeit passt und der offensichtlich auch in Europa ankommt. "Ich mache mir keine Sorgen über unser Konzept", sagt Bolger. "„Vielmehr mache ich mir Sorgen über die enorm steigende Zahl an Interessenten. Wir wollen keine Massenweine produzieren, wir wollen ausschließlich Qualität erzeugen und zufriedene Kunden haben".