Verführerische Deklaration: Deutsche Billig-Réserve für 2,99 Euro

06.11.2009 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Koblenz) - "Darauf habe ich eigentlich nur gewartet", meinte Hans H. Hieronimi, Geschäftsführer des Schutzverbandes Deutscher Wein in Koblenz, nachdem bei Aldi Süd vor wenigen Tagen eine Riesling Réserve 2007 von der Mosel für 2,99 Euro offeriert wurde. "Ich werde wohl dem Discounter einen Brief schreiben, weil die Warenzeichen-Anmeldung für Réserve noch nicht durch ist."

 

Dafür gibt es weinrechtlich vermutlich nur schwer eine Handhabe gegen diese Billigware mit verführerischer Deklaration. Denn nach einem langen Rechtstreit durch mehrere Instanzen erkämpfte sich ein Pfälzer Winzer vor einem Jahr vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz die Zulassung für die Bezeichnung Réserve, Grande Réserve sowie Privat Réserve für seine Rotweine, die nach eigener Bekundung einem selbst gesetzten hohen Qualitätsniveau entsprechen und eine Lagerdauer von drei, beziehungsweise fünf Jahren haben.

Das alles bezieht sich auf die französische Schreibweise, da diese nicht europarechtlich geschützt ist, wie dies bei Reserva, Riserva und Reserve in anderen Ländern der Fall ist. War schon fast ein Schelmenstück, die Zulassung der Réserve für deutschen Wein von einem winzigen Strich über dem "e" abhängig zu machen. "Es besteht keine Verwechslungs- und Irreführungsgefahr", urteilten die Richter lapidar, aber wenig wirklichkeitsnah. Weinrechtlich ist der Begriff für Deutschland nach wie vor nicht fixiert. Es existieren weder eine Vorschrift über Lagerzeiten für Weiß- und Rotweine, noch Mindestanforderungen oder eine Eingrenzung auf bestimmte Sorten.

Im Deutschen Weinbauverband wurde Anfang der neunziger Jahren schon mal intensiv über Inhalte für "Reserve" diskutiert, aber dann davon Abstand genommen, weil die deutsche Schreibweise für Österreich geschützt ist und man nicht mit einer Freigabe des Nachbarn rechnet. Jetzt besteht eigentlich Handlungsbedarf - ähnlich wie bei der Bezeichnung "feinherb", die ebenfalls auf dem Etikett der Mosel-Réserve prangt und nicht genau definiert ist. Deshalb gibt es hin und wieder richtig süße feinherbe Weine mit mehr als 40 g/l Restzucker (!)

Der 2007er Riesling, abgefüllt in der Großkellerei Peter Mertes, ist geschmacklich wohl im halbtrockenen Bereich angesiedelt, hat aber nichts von den Attributen an sich, die auf der Flasche versprochen werden ("ein Riesling von besonderer Qualität, erlangte im kühlen Keller Reife und Harmonie"). Das Aroma ist sehr zurückhaltend, auf der Zunge spürt man eine etwas unreife Säure und Bitterstoffe.

FAZIT:

Wer voll Euphorie an das scheinbare Schnäppchen heran geht und ein bisschen Ahnung hat, wird diese Réserve gleich zweimal trinken: das erste und das letzte Mal.