Ahr und China als Partner: Zwei neue Eigentümer im Stadtweingut Klingenberg

23.11.2010 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Klingenberg) - Wer derzeit die Webseite vom Stadtweingut Klingenberg anklickt und Informationen über das alteingesessene städtische Weingut einholen will, sieht nur ein schönes Weinlandschaftsbild und den Hinweis: „Bald mehr“. Im Impressum findet sich ein für Franken mehr als ungewohnter Geschäftsführername mit einer fast irritierenden Heimatanschrift: Xu Xianzhong aus Yichang Hubei. Dass es sich nicht um einen versehentlichen Buchstabensalat handelt, deutet ein zweiter Chefname an: Benedikt Baltes aus Mayschoß an der Ahr. Es handelt sich um die neuen Eigentümer des Stadtweingutes, das über einen längeren Zeitraum zum Verkauf ausgeschrieben war (wir bericheten) und seit 1. September 2010 offiziell zwei jungen Männern gehört, die ein Weilchen Konkurrenten waren.

 

Sowohl Baltes (26) wie auch sein Partner aus China (28) bewarben sich zunächst getrennt um den Erwerb, lernten sich dann kennen, merkten schnell, dass offenbar die Chemie zwischen ihnen stimmte und es nicht logisch war, dass sie sich gegenseitig beim Preis hoch schaukelten. Also machten sie gemeinsame Sache und bekamen schließlich den Zuschlag für die elf im Ertrag stehenden Hektar sowie für weitere 7,5 Hektar Brachfläche. Die Kaufsumme wird mit 1,4 Mio. Euro beziffert, eigentlich nicht viel für diese doch stattliche Größenordnung, aber doch reichlich Geld für einen Betrieb, der in den letzten Jahren nicht gerade Ruhm anhäufte und im Verband der Prädikatsweingüter wohl nur „geduldetes Mitglied“ war.

Von der versprochenen „Spitzenqualität“ im erst vor kurzem vom VDP aufgelegten Mitgliederverzeichnis mit Betriebsbeschreibungen war in den letzten Jahren immer weniger zu schmecken. Aber wer gibt schon gern einem Haus, das seit 1955 Prädikatsweingut ist, den Laufpass. Die beiden neuen Eigentümer bekamen eine Bewährungsfrist. „Wir bleiben auf Probe Mitglied“, erzählt Baltes. Er ist überzeugt vom „Riesenpotenzial“ der Klingenberger Reben, die überwiegend in uralten, wohl schon im 12. Jahrhundert angelegten Querterrassen wachsen.

Für den Weinausbau ist Baltes zuständig. Er kommt aus einem Weinbaubetrieb, die Eltern bewirtschaften in Mayschoß 13 Hektar, liefern aber an die örtliche Winzergenossenschaft ab. Der junge, ambitionierte Mann lernte bei Adeneuer in Ahrweiler und dann im Weingut Juris in Gols (Burgenland), machte ein Praktikum in Portugal und war schließlich im aufstrebenden Rheinhessen-Gut Keth in Offstein tätig. Außerdem steht noch die Ausbildung zum Weinbautechniker in Bad Kreuznach in seiner Vita. In Gesprächen mit jungen Winzerkollegen merkte er, dass ihm etwas fehlte: ein eigener Betrieb. Zuhause gibt es noch zwei Brüder, da war eine selbstständige Entwicklung langfristig nicht sicher. Also begann er zu suchen, registrierte die Offerte der Stadt Klingenberg und stellte beim ersten Besuch fest: „Die Lagen sind ein Traum.“

Xu Xianzhong (in Deutschland „Axel“ genannt) ist weinbaulich nicht vorbelastet. Er studierte in Dresden Mikroelektronik. Die Familie ist unter anderem in der Hotelbranche tätig. Als die beiden voneinander hörten, vermutete jeder, der andere sei nur der Repräsentant eines Konzerns, der sich ein Weingut leisten wollte. Doch schnell war klar, dass es sich um ein privates Interesse handelte und dass sie auf die Hilfe ihrer Familien bauen mussten, um nicht alles über die Bank zu finanzieren.

In der gemeinsamen GmbH gibt es eine klare Aufgabenteilung. Baltes ist für Weinberg, Keller und den Verkauf in Deutschland zuständig, sein chinesischer Partner will Klingenberger Wein in seiner Heimat unter anderem über die Hotelschiene der Familie bekannt machen. Vermarkten müssen sie aktuell noch Restbestände und bald schon den neuen Jahrgang 2010, von dem lediglich 26 000 Liter geerntet wurden. Spätburgunder gibt es kaum, dafür Blanc de Noirs und Rosé. „Ich bin unter den gegebenen Umständen zufrieden mit der Qualität“, urteilt Baltes.