AREV fordert zur GMO-Wein eine studienbasierte Debatte ohne Ideologie

01.02.2011 - arthur.wirtzfeld

BELGIEN (Brüssel) - Politische und berufsständische Vertreter Deutschlands, Österreichs, Spaniens, Frankreichs, Georgiens, Italiens, Luxemburgs, Rumäniens und Tschechiens trafen sich Ende Januar zum Austausch in Brüssel, initiiert durch die AREV (L'Europe de la civilisation de la vigne et du vin), die 75 Weinregionen aus 19 Ländern vertritt. Der Austausch galt der nun zweijährigen Reform der GMO-Wein (Gemeinsame Marktorganisation für Wein, zumeist als EU-Weinmarktreform bezeichnet), um deren Auswirkungen zu analysieren und über unternehmerische Initiativen zu diskutieren.

 

Die bei diesem Treffen gemeinsam zusammen getragenen Ideen, Wünsche und Vorschläge werden auch in den Bericht der Kommission einfließen, die diese dem Rat und dem Parlament dann Ende 2012 vorlegen wird. Dem Bericht wird auch eine wissenschaftliche Studie zur Auswertung der Reform zugrunde liegen, die von der AREV in Auftrag gegeben wurde.

Während ihrer Gespräche über die kurzfristigen und mittelfristigen Folgen der Weinmarktreform für die Menschen, die Betriebe, die Gebietskörperschaften, ihres Lebensraums und der jeweiligen Region, waren die Teilnehmer der einstimmigen Meinung, dass auch wenn einige dieser Maßnahmen begrüßenswert sind, wie etwa die Schaffung nationaler Finanzrahmen, die eine stärkere auf Subsidiarität ausgerichtete Verwaltung ermöglichen, oder die Absatzförderung auf dem Auslandsmarkt, so sind die Aussichten für die meisten Weinbaubetriebe nach wie vor schlecht und die Einkommen deutlich rückläufig.

Trotz umfangreicher Rodungsmaßnahmen liegt das wesentliche Ziel der Reform, d.h. die Wiederherstellung des Weinmarktes und eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit, noch in weiter Ferne, während die umstrittenste Maßnahme, die vollkommene Liberalisierung der Pflanzrechte ab Ende 2015, die Situation durch eine nie dagewesene Deregulierungswelle nur verschärfen kann.

Der Präsident der AREV, Jean-Paul Bachy, auch Präsident der Region Champagne-Ardenne, erinnerte daran, dass der Weinanbau in den traditionellen Gebieten mit Ursprungsbezeichnung nicht nur für das soziale und wirtschaftliche Gefüge einer Region, sondern auch für die Umwelt und die Landschaft der Gebiete eine wichtige Rolle spielt. Er unterstrich weiter die Notwendigkeit, die Regulierungswerkzeuge, welche über Jahrhunderte den heutigen erhaltenswerten ländlichen Besitzstand und die Landschaften der Weinregionen gestaltet haben, zu schützen, denn Letztere stellen identitätsbildende Lebensräume dar und verleihen der Erzeugung von Wein einen ausgeprägten Mehrwert. Unter allen anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen verwies er auf den spezifischen Charakter des Produkts Wein, den es zu erhalten gilt, umso mehr als dass die mit Rebstöcken bepflanzten Flächen keine Anbaualternativen aufweisen.

DAS DUO WEINBERG / REGION HAT VORRANG

Der Präsident verwies auf die besorgniserregende finanzielle Situation zahlreicher Betriebe in den meisten Mitgliedsregionen und bekräftigte erneut die Notwendigkeit, die Auswirkungen des bei jeder Weinproduktion vorkommenden Aufeinanderfolgens von Überschuss und Verknappung auszugleichen.

Das System der Pflanzungsrechte, ein für die Regulierung des Angebots und der damit zusammenhängenden Konzepte „Ursprungsbezeichnung“ und „Terroir“ unverzichtbares Werkzeug, das sich angesichts des ungezügelten Marktgebarens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bewährt hat, ist ebenfalls ein Instrument, das eine vernünftige Bewirtschaftung der Produktionsgebiete im Interesse des gemeinsamen Erbes des "Duo Weinsbaugebiet/Region", zu dessen natürlichen Sprachrohr sich die AREV dank ihrer doppelten Repräsentativität gemacht hat, ermöglicht.

Eine Abschaffung dieses Systems wird unweigerlich zu einer Verlagerung der Weinbaugebiete in Richtung maschinell bebaubarer Zonen (von den Bergen in die Ebene) mit kostengünstigeren Arbeitskräften führen (länderübergreifende Abwanderung von Investitionen) und einen unlauteren Wettbewerb zwischen den Weinen mit und ohne geographischen Angaben herbeiführen, da letztere keinen Produktionszwängen unterworfen sind und darüber hinaus seit der Reform dieselbe Präsentationsweise verwenden dürfen.

ERFORDERLICHE NACHHALTIGE PERSPEKTIVEN

Die berufsständischen Vertreter der AREV haben im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass junge Winzer angesichts der nach 2015 zu befürchtenden Entwicklung bereits heute zögern, kleine und mittelgroße Betriebe zu übernehmen, die zunehmend mit einer Industrialisierung des Weinanbaus konfrontiert sein werden. Bei den jungen Vertretern des Weinsektors angebotenen Schulungsmaßnahmen ist ein Stillstand bzw. ein Rückgang der Anmeldungen festzustellen. Zahlreiche Betriebe halten ihre Investitionen angesichts der unwägbaren Folgen, die mit den ultraliberalen Maßnahmen der GMO auf sie zukommen werden, zurück. In bestimmten Gebieten stellt die AREV bereits eine Vorpositionierung gewisser kapitalstarker Unternehmer fest, die ihre Betriebe ausbauen möchten, was sich zweifelsohne fatal auf die kleinen auswirken wird.

STUDIENBASIERTE DEBATTE OHNE IDEOLOGISCHEN HINTERGRUND

In diesem Zusammenhang hat das Internationale Büro der AREV beschlossen, eine wissenschaftliche europaweite Studie zu veranlassen, welche die sozialen, wirtschaftlichen und umweltspezifischen Folgen dieser Maßnahmen für den Sektor und die Gebietskörperschaften bewerten soll. Parallel dazu ruft es feierlich nicht nur den neuen Kommissar Dacian Ciolos und die Europäischen Parlamentsabgeordneten, sondern auch die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten mit Weinanbaugebieten (17, bald 18 von 27) an und fordert sie auf, den Zeitpunkt des für Ende 2012 geplanten Berichts zu nutzen, um diese Maßnahme in ihrem eigenen Interesse und ohne „Ideologie“ vor dem Hintergrund der Studie erneut zu überprüfen.

Schließlich wiederholt die AREV ihre eindringliche Bitte zur Schaffung einer Beobachtungsstelle des europäischen Weinbaus mit Berücksichtigung der regionalen Dimension, die den sozial-wirtschaftlichen und umweltspezifischen Rahmen eines jeden Weinbergs ausmacht.