Deutsche Oenologen "in Frauenhand"

10.03.2011 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Geisenheim) - Dass Oenologie, die Wissenschaft des Weines, kein männliches Vorrecht mehr ist, zeigt die zunehmende Zahl der Studentinnen und Absolventinnen an deutschen Fachhochschulen, ebenso ihre Präsenz in Weingütern sowie in entscheidenden Funktionen in großen Genossenschaften und Kellereien. Die Kellerwirtschaft am Campus Geisenheim wird schon seit etlichen Jahren von einer Frau geleitet, Dr. Monika Christmann (die auf den ihr zustehenden Professor-Titel fast allergisch reagiert).

 

Jetzt hat sich auch der Bund Deutscher Oenologen in Frauenhand begeben. Seit kurzem ist die erst 25-jährige Susanne Bürkle Geschäftsführerin des renommierten Verbandes (wir berichteten). Sie steckt derzeit mitten in der Vorbereitung der 55. internationalen Fachtagung des Verbandes am 15. März in Geisenheim. Trotzdem fand sie Zeit für ein Interview mit Rudolf Knoll:

R.KNOLL: Wie kam es zu dieser Aufgabe?

S.BÜRKLE: Ich arbeite hauptberuflich im Kompetenzzentrum Weinmarkt und Weinmarketing des Dienstleistungszentrums Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Oppenheim und habe nach dem Bachelor-Studium der Internationalen Weinwirtschaft in Geisenheim beim Deutschen Weinbauverband als Assistentin der Geschäftsführung den 60. Deutschen Weinbaukongress im Rahmen der Intervitis Interfructa in Stuttgart organisiert. So kommt es automatisch zu Kontakten. Ich kenne auch Edmund Diesler gut, den Präsidenten des Oenologen-Bundes, und wurde gefragt, ob ich Interesse hätte, zu helfen. Da nahm ich den Verein etwas unter die Lupe, und kam zur Meinung, hier lässt sich etwas bewegen. Also habe ich zugesagt.

R.KNOLL:  Ist der Job so gut dotiert, dass es sich in der Männerwelt aushalten lässt?

S.BÜRKLE: Ich arbeite ehrenamtlich. Aber es macht Spaß, mit angenehmen, unkomplizierten Menschen in Kontakt zu sein. Die Reaktionen auf eine junge Frau als Geschäftsführerin waren durchwegs positiv. Ich habe scheinbar einen kleinen Bonus, manche halten mich sogar für eine Powerfrau. Außerdem habe ich im Vorstand weibliche Unterstützung durch die Oenologin Simone Renth-Queins. Mit dem normalen Weinalltag habe ich durch meine Herkunft aus dem Weingut Simon-Bürkle in Zwingenburg an der Hessischen Bergstraße ebenfalls Erfahrung.

R.KNOLL: Kennt man in der Öffentlichkeit überhaupt den Verband oder ist er mehr Insidern bekannt?

S.BÜRKLE: Wir sind natürlich ein Fachverband, der nur in der Szene einen Namen haben kann. Aber mehr Öffentlichkeitsarbeit wollen wir schon betreiben, um nach außen hin bekannter zu werden. Es freut mich, dass das Presseinteresse relativ hoch ist und uns auch Anfragen aus dem Ausland erreichen.

R.KNOLL: Was ist, neben dem bevorstehenden Kongress, die wichtigste Aufgabe in nächster Zeit?

S.BÜRKLE: Wir müssen den Verband den Mitgliedern noch näher bringen, wir müssen ihm ein Gesicht geben. Manche zahlen routiniert ihren geringen Jahresbeitrag von 30 Euro und nehmen kaum zur Kenntnis, dass sie Mitglied in einem Verein sind, der immerhin rund 1600 Mitglieder hat und in der Fachwelt Ansehen genießt. Es ist erfreulich, dass sich die nachrückende Generation zunehmend engagiert in der Verbandsarbeit. So können wir, wie Edmund Diesler bei meinem Amtsantritt meinte, schwungvoll in die Zukunft gehen.

R.KNOLL: Was wird am 15. März alles auf dem Programm stehen?

S.BÜRKLE: Rein fachliche Themen, aber nicht nur solche, die unsere Leute in der Kellerwirtschaft und im Weinberg beschäftigen. Es gibt auch Workshops über Marketing und neue Medien. Einige Veranstaltungen sind öffentlich, andere kostenpflichtig.

R.KNOLL: Frau Bürkle, vielen Dank für das Gespräch.

 

Der BUND DEUTSCHER OENOLOGEN hat einen Vorläufer im 1951 gebildeten Fachausschuss Weinbau in der Vereinigung ehemaliger Geisenheimer (VEG), der mit 250 Mitgliedern vom Start ging. Daraus entwickelte sich der Bund der Techniker des Weinbaus (BTW), der maßgeblich an der Entwicklung Geisenheims zur Ingenieurschule beteiligt war. 1964 erfolgte die Umbenennung in Bund der Ingenieure des Weinbaus (BIW). Später wurde daraus der Bandwurmname Bund der Diplom-Ingenieure des Weinbaus, der Oenologie und der Getränketechnologie. Um in der Namensgebung international griffiger zu werden, erfolgte schließlich 1989 die Umbenennung in Bund Deutscher Önologen. Die Mitglieder, ausgebildet an den Hochschulen in Geisenheim, Heilbronn und Giessen/Hohenheim sind überwiegend in der freien Wirtschaft tätig, viele in eigenen Betrieben. 30 Prozent gehören dem öffentlichen Dienst an.