Kommentar zur Hochmoselbrücke: Moselaner fühlen sich verraten und verkauft

17.05.2011 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Ürzig) - Wenn am Mittwoch, 18. Mai, die neue Landesregierung von Rheinland-Pfalz in Mainz ihr Amt antritt, sind Winzerproteste denkbar. Vor allem an der Mosel herrscht immer noch entsetztes Kopfschütteln vor, weil der Bau der höchst umstrittenen Moselhochbrücke jetzt doch fortgesetzt wird. Aber auch anderswo im deutschen Weinbau wundert man sich, dass in Rheinland-Pfalz offenbar in diesem Fall nach dem Motto gehandelt wird: „Wir sind gegen das Volk.“

 

Ministerpräsident Kurt Beck stellt so etwas zwar in Abrede und versichert immer wieder, dass 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung hinter dem Bau dieser Brücke bei Ürzig stehen. Aber er vergisst dabei, dass ein Großteil der Bevölkerung dieses Bundeslandes (das rund 70 Prozent der deutschen Weinbaufläche auf sich vereint) von der Brücke überhaupt nicht tangiert wird.

Die unmittelbar Betroffenen an der Mittelmosel sehen das ganz anders. Sie fürchten um ihre Zukunft, die Wertigkeit ihrer Weinlagen, ahnen erhebliche Beeinträchtigungen für den Tourismus und können überhaupt nicht verstehen, warum man ihre durchaus griffigen Argumente offenbar nach einem österreichischen Sprichwort behandelt: „Net mal ignorieren.“

Das Fatale in Rheinland-Pfalz ist, dass es nicht mal eine politische Opposition gegen das Projekt aus den sechziger Jahren gibt. Denn auch die CDU ist dafür, obwohl ihre Vorsitzende Julia Klöckner, vormals Staatssekretärin in Berlin, aus einem Weindorf an der Nahe stammt und immer ihren Bezug zur Winzerbasis betont hat.

Die Protestbewegung Pro Mosel hatte in den letzten Wochen ihre Hoffnung auf die Grünen gesetzt, die mit einem sensationellen Ergebnis von 15,4 Prozent (2006: 4,2 Prozent) bei den Wahlen zum Juniorpartner von Becks SPD wurde. Im Vorfeld gab es auch immer wieder Äußerungen aus diesem Lager gegeben, die erwarten ließen, dass man die Brücke zum Knackpunkt bei Koalitionsverhandlungen machen würde. Noch im Januar kamen die Grünen-MdB Markus Tressel und Ulrike Höfken sowie Landtagskandidatin Jutta Platzheim-Roegler nach Ürzig, um über das Thema „Nachhaltiger Tourismus an der Mosel“ zu sprechen. Dabei wurden auch Kontakte mit den Brückengegnern gesucht. Heute kann man behaupten: damit diese ihr Kreuzchen bei den Grünen machen.

„Die Grünen sind in Rheinland-Pfalz erledigt“, urteilte dieser Tage eine Mainzerin und meinte, wenn jetzt noch mal Wahlen wären, würden die Grünen einen Erdrutsch erleben, verursacht von enttäuschten Wählern. Spannend wird es sein, wie die neue Weinbauministerin Ulrike Höfken mit dem Thema umgeht (das Weinressort wurde aus dem Wirtschaftsministerium heraus gelöst und dem Umweltministerium zugeschlagen). Einer ihrer Leitsätze ist: „Demokratie muss jeden Tag gegen Korruption, mächtige Interessen und undemokratische Waffen verteidigt werden, sonst wird sich Politikverdrossenheit weiter ausbreiten.“

Den Grünen war es wohl lieber, ihre eigenen Interessen zu verteidigen, um an die Regierung zu kommen. Rückgrat fühlt sich anders an. Gegen Ministerpräsident Beck, der bei den letzten Wahlen eindeutiger Verlierer war (die SPD rutschte von 45,6 auf 35,7 Prozent ab und behauptete sich nur mehr knapp vor der CDU, die sich auf 35,2 Prozent steigerte), hätte man stärker auftreten können und müssen. So fühlen sich die betroffenen Moselaner von den Grünen verraten und verkauft - und sind jetzt gespannt, ob die neue Ministerin für Weinbau 2. Vorsitzende des Fördervereins für ökologischen Wein, Terrassen- und Steillagenweinbau Bernkastel-Kues bleibt. Tut sie das, kann es ihr ergehen wie ihrem Vorgänger Hendrik Hering, der von der Bürgerinitiative Pro Mosel vor einigen Monaten eine Scheinheiligen-Auszeichnung überreicht bekam.