Orange Weine - Durch die Beerenhaut zur Faszination

18.07.2011 - arthur.wirtzfeld

USA (New York) - Es war eine der ungewöhnlichsten, faszinierendsten und im Vorfeld der Betrachtung einer der scheinbar „dümmsten“ Weinproben, an denen ich(*) jemals das Vergnügen hatte, teilzunehmen. Aber mit Verlaub - ich entschuldige mich hiermit für das Adjektiv „dumm“, dass war mein subjektiver Vorabeindruck von dieser Probe, die, nachdem ich sie erlebt habe, mir die Schamesröte wegen meiner „dümmlichen“ Vorurteile ins Gesicht trieb.

 

Also dann..., das Thema der Weinverkostung war „Orange Weine“. Es handelte sich um Weine, die die heterogene Gruppe der Weißweine durchbrechen, indem die Schalen der Trauben bei der Mazeration den Kontakt mit dem Traubensaft auf längere Zeit behalten dürfen. Die in den Schalen enthaltenen Farbpigmente, Phenole, Tannine und damit herben Noten sind in den „normalen“ Weißweinen unerwünscht, ganz konträr zu den „Orangen Weinen“, wo diese Einflüsse ausdrücklich gewünscht sind.

Um diese Weine herzustellen, lassen die Erzeuger die Schalen und den Saft für Tage und sogar über mehrere Wochen miteinender wirken. Als Ergebnis verleiht es den Weinen eine, ich möchte fast sagen unbekannte Farbe und Schattierung von rosa, über leicht rötlich-gelbe Töne bis zu leuchtendem Orange. Diese Weinart ist an sich auch wieder völlig unterschiedlich, einfach deswegen, weil verschiedene Traubensorten und Cuveés als Grundlage dienen. Die Textur dieser Weine ist allemal prägnant, sandig, tanninreich - und die Weine sind im wahrsten Sinne des Wortes fesselnd, was mich diese Probe gelehrt hat.

Diese Art der Weinbereitung war in den letzten Jahrzehnten nicht mehr populär - es lag wohl auch an ihrem für den Mainstream ungeeigneten Charakter und auch an der Unterscheidung der Weine, denn beispielsweise würden die roten Pigmente in der Beerenhaut des Grauburgunders nach längerem Kontakt des Traubensaftes mit den Häuten dieser Rebart den Grauburgunder nicht mehr vom Rosé unterscheiden lassen.

Ursprünglich wurden solche Weine in Georgien vinifiziert, dann im letzten Jahrzehnt freundeten sich Erzeuger, insbesondere aus den italienischen Anbauzonen Friaul-Julisch Venetien, Umbrien, Sizilien und anderen mit dieser speziellen Kelterart an. Mittlerweile werden „Orange Weine“ aber auch in Slowenien, Kroatien, Frankreich, Deutschland, Neuseeland und Kalifornien nach dieser Methode hergestellt.

Wieso hielt ich nun diese Verkostung im Vorfeld für verrückt? Nun, man stelle sich 25 analytisch, hartnäckig rechthaberisch argumentierende Weinliebhaber vor, die sich in einem etwas zu kleinem Raum versammelten, um Weine, die in geringen Mengen mit einer ungewöhnlichen Methode produziert und die Sie noch nie gesehen, geschweige denn verkostet haben, gemeinsam zu probieren - und das auch noch in Kombination mit verschiedenen begleitenden Speisen. Ist das nicht verrückt? Allein schon die Farbe der Weine war uns neu. Die Textur war so anders und auch der Geschmack. Und doch, für mich boten einige dieser Weine die spannendsten und faszinierenden Erlebnisse, die ich bisher im Glas haben durfte.

Aber bitte, ich werde hier nun nicht jeden Wein kommentieren, denn es waren 37 verschiedene Kostproben, was mir dann persönlich doch zu viel war, jedenfalls für das erste Mal bei dieser Weinart. Wenn man kritisch sein möchte, dann könnte man im ersten Anschein sagen, dass die Weine trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere doch einen ähnlichen Geschmack aufweisen. Aber das kategorisch zu behaupten wäre Unsinn. Die Weine werden durch die gleiche Kelterart oxidativ in Fässern oder Amphoren, statt in Stahltanks ausgebaut. Sie alle verfügen über eine starke Textur. Sie haben weit mehr Gerbstoffe als gewöhnliche Weißweine. Ok, dies sind die Argumente für die Gleichheit, aber damit ist es auch zu Ende. Denn trotz ihrer Strenge, haben viele der Weine eine ungeahnte und unmittelbare Frische, die ich ihnen nicht zugetraut hätte - und sie sind überhaupt nicht oxidiert. Einige der „Orangen Weine“ hatten eine wunderschöne angenehme Abstringenz, andere wiederum wiesen blumige und kräutrige Noten auf, wieder andere empfand ich als besonders ausgewogen. Für mich präsentierten sich die Weine in vielfältigen Geschmacksrichtungen und nur ganz wenige fand ich belanglos.

Zu meinem Lieblingswein der Verkostung erkor ich den 2004 Arboreus Trebbiano Spoletino von Paolo Bea aus Umbrien, ein Wein, der in so geringen Mengen produziert wird, das Bea ihn weder auf der Webseite noch im Direktverkauf erwähnt. Dass dieser „Orange Wein“ mein Favorit wurde, hat nur zufällig damit zu tun, dass ich Paolo Beas Sagranino di Montefalco liebe und auch seinen wunderbaren konventionellen Weißwein namens Santa Chiara. Und dann gefielen mir noch besonders der florarle 2007 Coenobium Rusticum von Monastero Suore Cistercensi, ein Wein aus dem Latium. Auch der ausgewogene nach Orange duftende 2003 Jakot von der Az. Agr. Radikon gefiel mir ausgesprochen gut, wie auch der frische mit kiesigen Noten versehene 2006 Notte di Luna von Ca 'de Noci und auch der aus der Amphore stammende würzig blumige 2002 Castello di Lispida, wie auch der nüchterne 2004 Ageno von La Stoppa, waren für mich herausragend.

Von den insgesamt 35 „Orangen Weinen“ und zwei Rotweinen „normaler“ Machart zum Abschluss der Verkostung habe ich letztlich nur 30 probiert. Nun ja, mein Gaumen war nicht ausdauernd genug und hat schlapp gemacht. Die Weine, die zur Verkostung anstanden finden Sie nachfolgend gelistet. Sie sollten Sie probieren, wenn Sie dazu Gelegenheit haben. Und wenn Sie dies tun, so sollten Sie Ihre sensorischen Bereiche auf was Besonderes vorbereiten - die Rückkehr zu den Ihnen bekannten „Nicht-Orangen-Weinen“ ist dann schon ein ordentlicher Schritt. 

  • Bea 2004 “Arboreus” (Umbria)
  • Cà de Noci 2007 “nottediluna” (Emilia-Romagna)
  • Cà de Noci 2006 “nottediluna” (Emilia-Romagna)
  • Cà de Noci 2005 “riserva dei fratelli” (Emilia-Romagna
  • Casa Coste Piane 2006 Prosecco di Valdobbiadene “Tranquillo” (Veneto)
  • Castello di Lispida 2002 “Amphora” Bianco (Veneto)
  • Castello di Lispida 2002 “Terralba” (Veneto)
  • Clai Bijele Zemlje 2007 Malvazija “Sveti Jakov” (Istra)
  • Cornelissen 2007 “MunJebel 4” Bianco (Sicily)
  • Damijan 2003 “Kaplja” (Collio)
  • Damijan 2004 “Kaplja” (Collio)
  • De Conciliis 2004 “Antece” (Campania)
  • Massa Vecchia 2005 Maremma Toscana Bianco (Tuscany)
  • Gravner 1997 Ribolla Gialla (Venezia Giulia)
  • Gravner 2000 Ribolla Gialla (Venezia Giulia)
  • Gravner 2001 Ribolla Gialla “Amphora” (Venezia Giulia)
  • Gravner 2001 “Breg Amphora” (Venezia Giulia)
  • Hautes Terres de Comberousse 2001 “Cuvée Roucaillat” (Languedoc)
  • Kante 2006 Sauvignon Blanc (Carso)
  • Angiolino Maule “La Biancara” 1996 “Taibane” (Veneto)
  • La Stoppa 2004 “Ageno” (Emilia-Romagna)
  • Monastero Suore Cistercensi S.O. Trappiste 2007 “Coenobium” (Lazio)
  • Monastero Suore Cistercensi S.O. Trappiste 2006 “Coenobium” (Lazio)
  • Monastero Suore Cistercensi S.O. Trappiste 2007 “Coenobium Rusticum” (Lazio)
  • Movia 2007 Ribolla Gialla “Lunar” (Goriška Brda)
  • Radikon 2001 Ribolla Gialla (Venezia Giulia)
  • Radikon 2003 “Jakot” (Venezia Giulia)
  • Radikon 1997 Ribolla Gialla “Riserva Ivana” (Venezia Giulia)
  • Scholium Project 2006 “San Floriano del Collio” Rocky Hill (Sonoma Mountain)
  • Vodopivec 2003 Vitovska (Venezia Giulia)
  • Vodopivec 2004 Vitovska (Venezia Giulia)
  • Vodopivec 2004 Vitovska “solo | MM4” (Collio Goriziano)
  • Wind Gap 2007 Pinot Gris (Russian River Valley
  • Zidarich 2005 Malvasia (Carso)
  • Zidarich 2005 Vitovska (Carso)
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  • Cappellano 2005 Nebbiolo d'Alba (Piemont)
  • Leroy 1983 Volnay (Burgund)