Riesling Spätlese im Test: Fruchtig trumpft auf!

06.09.2011 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Fulda) - Tusch für die erfolgreichen Betriebe beim diesjährigen Wettbewerb um den Spätlesereiter-Pokal der Stadt Fulda. Zum zwölften Mal kürte die hessische Barockstadt besonders feine Spätlesen vom Riesling in drei Geschmackskategorien. Damit wird auf der einen Seite an eine Tradition zwischen Fulda und dem Weinprädikat angeknüpft. Andererseits sind die Fuldaer auf diesem Feld wohl so etwas wie das berühmte gallische Dorf aus „Asterix“, das als einzige Institution noch die Fahne der Spätlese hoch hält.

 

Denn angesichts der vielen neuen Bezeichnungen von Classic über Selection, Hochgewächs, Réserve und der diversen Kürzel wie „S“ und „***“ sowie der „Großen Gewächse“, „Erste Gewächse“ und „Erste Lage“ ist man schon mal geneigt, zu fragen, ob es die klassischen Prädikate noch lange geben wird. Vor allem die früher als sehr wertvoll angesehene Spätlese verliert erkennbar an Boden und ist beim Rotwein kaum mehr gebräuchlich. Beim Weißwein ist vielfach das vom Verband der Prädikatsweingüter (VDP) propagierte „Große Gewächs“ im trockenen Bereich in die Rolle der Spätlese geschlüpft. Der VDP will in den meisten Regionen Abstand nehmen von der herben Version und nur mehr die fruchtige Linie akzeptieren - auch wegen des Exportgeschäfts. Auf diesem Feld wirkt eine trockene Spätlese eher irritierend, erwarten die Konsumenten zum Beispiel in den USA hinter einem „Late Harvest“ immer einen fruchtigen Riesling und keinen „Dry“.

Natürlich gibt es nach wie vor viele Winzer (und deren Kunden), die in einer Spätlese etwas Besonderes sehen und die auch trockene oder zumindest halbtrockene und feinherbe Weine aus vollreifen, möglichst gesunden Trauben anstreben. Begonnen hat alles anno 1775, als damals auf Kloster (heute Schloss) Johannisberg erstmals in deutschen Landen ein Wein besonders entzückte, der einer späten Lese entsprang (aber nicht von gesunden, sondern von edelfaulen Trauben gewonnen wurde).

Die wohl überwiegend bekannte Geschichte im Schnelldurchgang: Damals war es üblich, dass die Mönche sich die Erlaubnis zur Ernte von ihrem obersten Dienstherren einholten. Das war der Fürstbischof im gut 140 Kilometer von Johannisberg entfernten Fulda. Ein reitender Bote belegte mit einigen Trauben beim Kirchenfürsten die Reife und holte sich den Segen zur Lese. In jenen Herbsttagen 1775 verspätete sich der Bote aus nirgendwo festgehaltenen Gründen. Die Mönche konnten, als sie die Ernteerlaubnis mit etwa zweiwöchiger Verspätung in den Händen hatten, nur mehr eingeschrumpelte, von einem Pilz befallene Trauben abschneiden. Diese wurden ohne viel Hoffnung auf trinkbaren Wein gekeltert. Als einige Monate später der Kellermeister die erste Verkostung vornahm, war er offenbar entzückt. Festgehalten ist der Spruch: „Einen solchen Wein habe ich noch nicht in den Mund gebracht.“

Die Mönche erkannten damit den Wert der späten Lese und ließen künftig zumindest einen Teil der Trauben länger hängen. Andere taten es ihnen nach, so dass sich langsam der Begriff der Spätlese prägte - obwohl der Erstling aus dem Jahrgang 1775 nach heutiger Einstufung wohl eher eine Beeren- oder Trockenbeerenauslese gewesen war (würde noch eine Flasche in der Schatzkammer des Schlosses liegen, könnte diese bei einer Versteigerung wohl alle bisherigen Rekorde brechen, aber da ist - sehr zum Leidwesen von Domänenverwalter Christian Witte - nichts mehr vorhanden).

Mit dem Weingesetz von 1971 wurde die Spätlese, wie die anderen Prädikate genormt und ein Mindestmostgewicht festgelegt, unterschiedlich nach Sorten und Anbaugebieten. Auch Neuzüchtungen durften dieses Prädikat tragen, was die Wertigkeit des Begriffs im Lauf der Zeit merklich minderte. Eine Riesling Spätlese hat indes nach wie vor einen guten Stellenwert. Nur werden wohl künftig die trockenen Abfüllungen wegen der Bezeichnungs-Konkurrenz immer seltener werden, während sich die fruchtige Spätlese sogar einer gewissen Renaissance erfreut und international gut nachgefragt wird.

Bei der Verkostung in Fulda, organisiert vom dortigen Stadtmarketing und engagierten Weinfreunden, wurden zwar noch mehr trockene und halbtrockene bzw. feinherbe Weine angestellt, aber die höchsten Noten im 20-Punkte-System vergab eine Fachjury aus dem Weinbau, Handel und Medien an fruchtige Spätlesen. Angestellt wurden nur Weine aus dem Jahrgang 2010.

Besonders bemerkenswert sind der Doppelsieg des Ortenauer Weingutes Schloss Neuweier bei trocken und ein erster Rang des ehemaligen Weinjournalisten Dr. Jochen Siemens (zuletzt Vinum, vorher Alles über Wein), der vor einigen Jahren ein Weingut an der Saar erwarb.

Das sind die Top-Ergebnisse in den drei Gruppen:

TROCKEN

  • 1.Platz, Neuweierer Mauerberg, Weingut Schloss Neuweier (Baden), 16.0
  • 2.Platz, Neuweierer Schlossberg, Weingut Schloss Neuweier (Baden), 15.8
  • 3. Platz, Graacher Domprobst Alte Reben, Weingut Philipps-Eckstein, Graach-Schäferei (Mosel), 15.7

HALBTROCKEN / FEINHERB

  • 1.Platz, Dienheimer Kreuz halbtrocken, Weingut Manz, Weinolsheim (Rheinhessen), 16.0
  • Serriger Herrenberg feinherb, Weingut Dr. Siemens, Serrig (Mosel), 16.0
  • 3.Platz, Scharzhofberger feinherb, Weingut von Hövel, Oberemmel (Mosel), 15,8
  • Forster Pechstein feinherb, Weingut E. Müller, Forst (Pfalz), 15.8

FRUCHTIG

  • 1.Platz, Hochheimer Domdechaney, Weingut Schäfer, Hochheim (Rheingau), 17.8
  • 2.Platz, Ürziger Würzgarten, Weingut Karl Erbes, Ürzig (Mosel), 17.6
  • 3. Platz, Graacher Domprobst Alte Reben, Weingut Philipps-Eckstein, Graach-Schäferei (Mosel), 17.5

Die besten Betriebe werden am 20. November im Rahmen der Fuldaer Spätlesetage bei einer festlichen Matinee im Fürstensaal im Fuldaer Stadtschloss geehrt.