Rosé - Der flüsternde Wein

29.06.2011 - arthur.wirtzfeld

UK (London) - Andrew Jefford und sein pinkes Weinerlebnis - wir zitieren: Am Ende ging die Abstimmung gegen mich. Das heißt, dass trotz meiner Bitten und Argumente nach einer gebührenden Prüfung, dann die 64 versammelten feingeschliffenen Gaumen mehrheitlich feststellten, dass ein Rosé nicht fein sein kann. Ich wischte mir ob dieser Feststellung eine Träne weg, atmete tief durch und beschloss den Kampf gegen die Ignoranz bei nächster Gelegenheit wieder aufzunehmen.

 

Nun ja, die Gaumen meiner Kollegen respektiere ich. Seit nunmehr 10 Jahren pflegen wir uns zeitweise zu treffen. Dann speisen wir und debattieren dabei über Wein und Harmonie. So auch an diesem Wochenende im Cigalon, einem provenzialischen Restaurant in Londons Chancery Lane. Dieses Mal begleiteten uns drei führende Côtes de Provence Rosé. Der 2010 Rimauresque als Aperitif, der 2010 Château du Galoupet traf zusammen mit einem gegrillten, marinierten Wolfsbarsch, dazu als Vergleich der 2009 Grande Réserve (weiß) von Château Sainte Marguerite und der 2009 Château d'Esclans zum Hauptgericht Lamm, dazu wiederum als Vergleich der 2005 (rot) von Château la Mascaronne.

Beim Rimauresque sollten die Trauben relativ früh geerntet werden, was ihn scharfkantig macht und zusammen mit seinen niedrigen Alkoholwerten ist er dann ein idealer Begleiter zum Aperitif - so war es. Der Galoupet ist ein beliebter Rosé in der Provence. Er präsentierte sich gut ausbalanciert mit leichten Fruchtnoten und harmonierte mit dem Wolfsbarsch. Und die Esclans Cuvée von Sacha Lichine ist ambitioniert mit ihrer ungewöhnlichen Grenache-Vermentino Mischung. Mit geringer Ausbeute und handverlesenen Trauben, präsentierte sich das Cuvée konzentriert mit schöner Textur.

Warum also sollten Rosé keine guten Weine sein? Wenn deren Reben in passenden Standorten stehen, wenn daraus folgt, das die Erzeuger in diesen Lagen schwerpunktmäßig Rosé selektiv produzieren, wenn dann noch Weinliebhaber die einzigartige Ästhetik eines Rosé verstehen, dann haben die besten Rosé auch eine Chance zwischen hervorragenden Weiß- und Rotweinen zu bestehen. Ich denke, das Problem ist die Ästhetik, denn auf die Nuancen kommt es in der pinken Weinwelt an und das versteht nicht jeder. Denn in der Tat, Rosé haben Finesse. Diese Weine flüstern - es verhält sich wie Malerei mit Pastellfarben. Rosé wirken wie eine flüchtige Liebkosung mit liebevoller Umarmung, statt wie ein fester Händedruck.

In der Diskussion mit meinen Kollegen, während wir speisten und tranken, vernahm ich immer wieder Kommentare wie: „Ja, sehr nett, aber...“. Immer wieder dieses „aber“ und die Suche nach mehr. Mehr von was? Das "Mehr" ist nicht wirklich wichtig. Diesen Kampf, den der Rosé auch bei unserem Lunch fochten musste, müssen auch andere Weine für ihre Anerkennung austragen. Viele italienische Weißweine haben solche Probleme wie auch beispielsweise trockene Weißweine aus dem Bordelais im Vergleich zu den süßen weißen oder etablierten Roten aus Bordeaux. Wer kennt schon die roten Burgunder aus Santenay, Savigny oder anderen Regionen um Beaune, aber jeder kennt die Roten aus Gevrey, Vosne oder Volnay.

Ich habe schon oft geschrieben, wie wichtig es mir scheint, zur Beurteilung eines Weingeschmacks mehr als eine Eigenschaft heranzuziehen. In der Theorie stimmen mir da meine Kollegen zu, aber in der Praxis erscheinen mir oftmals die Weinbeurteilungen mancher wie gebieterische Herrschaftdoktrine. Somit bleibt möglicherweise der Rosé für immer mit einem schwachen Lob behaftet - schade und keineswegs gerechtfertigt, wie ich finde.