Sind Erdbeben ein Feind der Weinindustrie?

01.03.2011 - arthur.wirtzfeld

DEUTSCHLAND (Hamburg) - Aus den Augen - aus dem Sinn. Knapp ein Jahr nach den verheerenden Beben in Chile und Neuseeland, hat auch die Weinwelt die desaströsen Auswirkungen fast vergessen. Es ist nun mal so, dass Erdbeben ein Teil unseres Lebens sind, doch zeigen wir uns nur vorübergehend betroffen, meist über die Katastrophen, die uns in den Medien vorgeführt werden. Dabei registrieren einschlägige Institute und Wissenschaftler jährlich rund eine halbe Million Erdbeben rund um den Globus. Etwa 18 davon haben eine Stärke von 7 bis 7,9 und eines davon über 8 und mehr auf der Richterscala. Betroffen sind alle Kontinente - auch Europa.

 

Eine neue Betrachtung der Erdbebenzentren unter dem Gesichtspunkt der davon betroffenen Weinkulturen zeigt, das weltweit sowohl klassische wie neu entdeckte Weinbauzonen sehr oft in der Nähe oder sogar direkt auf den Bereichen liegen, wo tektonische Platten sich entweder überlagern oder aneinander vorbei ziehen. Besonders betroffen sind Chile und Neuseeland, aber auch Kalifornien und Japan.

Als Empfehlung geben Wissenschaftler aus, insbesondere in Chile und in Neuseeland keine neuen Weingebiete zu erschließen, denn das Risiko eines großen und verheerenden Erdbebens sei hier, wie auch entlang des St. Andreas Grabens in Kalifornien sehr hoch. Allein das letztjährige Beben mit Zentrum im chilenischen Maule, das entlang der dortigen Weinbaugebiete verheerende Verwüstungen und Schäden von rund 30 Milliarden US-Dollar verursachte, betraf auch einen Großteil der heimischen Weinbauindustrie.

Auch in Neuseeland, wo zwei signifikante Erdplatten gegeneinander wirken, zerstörte in 2010 ein Erdbeben in der Region Christchurch zwar nicht unmittelbar Rebflächen, aber einen großen Teil von gelagerten Weinvorräten. Gerade hier in Neuseeland gehören die Weinregionen Hawkes Bay, Wairarapa (Martinborough), Marlborough und Canterbury zu den meist gefährdetsten Gebieten für mittlere bis sehr starke Beben. Entsprechend macht man sich Sorgen und der bekannte neuseeländische Geologe Harold Wellmann hat jüngst begonnen, eine Gefährdungskarte zu erstellen.

Nach ersten Erkenntnissen, die Wellmann eruiert hat, sind die Ebenen, Hänge und Berge der wichtigsten Weinbauzonen Neuseelands ungewöhnlich mobil. Die festgestellten diagonalen Bruchlinien der Erdkruste und die jährlichen Verschiebungen um 5 bis 7 Zentimeter lassen Sorge aufkommen, dass eines der größten Terroirs in einem natürlich schönen Land extrem gefährdet ist.

Bei uns in Europa sind Beben vordergründig kein Thema. Und trotzdem sind nicht nur Weinbauzonen rund um das Mittelmeer, speziell in Italien, Griechenland und in Portugal, ja sogar auch in Deutschland nicht vor Beben gefeit. Auch wenn große Beben wie etwa das von Lissabon im November 1755 oder die Katastrophe von Messina in 1908 schon mindestens 100 Jahre zurück liegen, so bleibt uns in Europa die möglicherweise trügerische Hoffnung, das 91 Prozent aller Beben mit der pazifischen Platte bzw. pazifischen Feuergürtel verbunden sind. Also, ...das Beste hoffen und weiter machen.