Von BA bis Schilfwein: Süßes Burgenland im Test

15.10.2011 - R.KNOLL

ÖSTERREICH (Neusiedl am See) - Sogar Kriege kann man mit edelsüßem Wein aus Österreich gewinnen! Als Kaiser Leopold I. anno 1681 mit seinen Truppen gegen die Türken und aufständische Ungarn zu Felde zog, hatte das Heer Wein der süßen, kraftvollen Kategorie Ausbruch in seinem Marschgepäck, gespendet von Winzern aus Rust am Neusiedlersee. Den Sieg im Gefecht führte man nicht nur auf Kriegskunst, sondern ebenso auf das flüssige Doping zurück - weshalb der Kaiser später Rust zur privilegierten Freistadt erhob und Ruster Wein die europäischen Kaiserhöfe eroberte.

 

Gut 300 Jahre später erlebte der Ruster Wein ein schwarzes Jahr. Der Glykol-Skandal, der 1985 in voller Bandbreite aufgedeckt wurde, rückte vor allem die Freistadt ins Visier, weil viele der betroffenen Weine die Herkunftsangabe Rust-Neusiedlersee trugen. Dabei kam kein einziger gepanschter Wein aus Rust selbst. Aber die Weingesetzgebung hatte den bekannten Namen von Rust gegen den Willen der dortigen Winzer für das gesamte Gebiet um den Neusiedlersee genutzt. Die wehrten sich zwar mit Plakaten wie „Nur Wein aus Rust darf Ruster heißen“. Aber zunächst einmal fiel dieses Kind in den sprichwörtlichen Brunnen. Nach 1985 war es vorbei mit der Verwendung von Ortsnamen für ganze Anbaugebiete.

Heute ist das Burgenland in mehrere Regionen aufgeteilt. Rust gehört ebenso wie die Landeshauptstadt Eisenstadt zum Neusiedlersee-Hügelland. Die Fluren am Ostufer mit Orten wie Neusiedl, Gols, Illmitz und Frauenkirchen firmieren unter Neusiedlersee (im Volksmund auch Seewinkel genannt). Dann gibt es noch das Mittelburgenland und das Südburgenland, zwei Gebiete, in denen vor allem Rotwein erzeugt wird und die Sorte Blaufränkisch besondere Bedeutung hat.

Die nördlichen Nachbarn können zwar ebenfalls reichlich gute Rotweine und auch feine herbe Weißweine anbieten. Aber ihre besondere Stärke sind die Süßweine. Das spezielle, vom See beeinflusste Mikroklima ist eine gute Voraussetzung für Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen, ebenso für die spezielle Variante Ausbruch, die zwischen den beiden Prädikaten angesiedelt ist. In den letzten Jahren wurden auch häufiger Eisweine geerntet - und Weine der eigenständigen Kategorie Strohwein oder Schilfwein (hier werden die Trauben in Folientunnels auf Stroh oder Schilf ausgebreitet und schrumpfen in einigen Wochen zu Rosinen ein).

Es hat nach 1985 ein paar Jahre gedauert, bis sich die Spezialisten für Süßweine wieder in die Offensive wagten. Die Ruster gründeten 1991 ihren „Cercle Ruster Ausbruch“. Auf der anderen Seeseite feierte man wieder Erfolge bei internationalen Wettbewerben. Vor allem die Gemeinde Illmitz tat sich hier hervor. Schon 1981 hatte ein Alois Kracher auf einer Weinmesse in Ljubljana (Laibach) den Titel „World Champion“ für eine Trockenbeerenauslese vom Welschriesling nach Hause gebracht. Zweimal konnte er diesen Titel verteidigen. Das war ein gutes Lockmittel für Sohn Alois, der ursprünglich Chemie studierte. Er begannt sich für Wein zu interessieren, vielleicht auch deshalb, weil ihn der Vater mit der Aussage provozierte: „Du brauchst mindestens 20 Jahre, um das zu verstehen.“

Alois II., später nur Luis genannt, verstand indes schnell. Und er hatte zudem ein gutes Händchen für Marketing, wurde mit den Jahren zu einem Aushängeschild von Wein-Österreich, machte international Karriere und wurde mehrfach zum „Winemaker of the year“ ernannt. Leider musste sich das Weingenie viel zu früh von dieser Erde verabschieden. Am 5. Dezember 2007 verstarb er im Alter von nur 48 Jahren. Aber in Sohn Gerhard (30), der schon einige Jahre mit dem Vater zusammen gearbeitet hatte, fand sich ein Nachfolger, der ganz im Sinn von Luis weiter arbeitete.

Gerhard Kracher hält es dabei wie sein väterliches Vorbild: Nur in Ausnahmefällen, meist international, präsentiert er seine Weine bei Verkostungen. Das Argument ist schlüssig: „Wir machen das meiste Geschäft im Ausland und sind auf dem österreichischen Markt weniger vertreten.“ Aber schade ist’s trotzdem, weil er damit der nationalen Konkurrenz ausweicht und ein bisschen die Meinung nährt, er habe Angst, nicht ganz vorn dabei zu sein.

In der Tat wäre das nicht einfach, denn auch andere am See (zum Beispiel Hans Tschida, Martin Haider, Walter Kroiss und der Seewinkelhof Salzl, alle Illmitz, oder auf der anderen Seeseite in Rust Feiler-Artinger, Wenzel, Triebaumer) haben das nötige Fingerspitzengefühl für große, international wertvolle Süßweine. Das zeigte sich wieder einmal bei der „Selection Süßes Gold“, die von der regionalen Weinwerbung seit einigen Jahren durchgeführt wird, als Ergänzung zur Landesprämierung.

Am 12. Oktober wurden in der Ruster Weinakademie die Sieger in verschiedenen Gruppen geehrt. Auch auf den Plätzen befanden sich großartige, Hochachtung abfordernde Süßweine, bei denen noch zu berücksichtigen ist, dass sie meist ein sehr günstiges Preis-Wert-Verhältnis haben. Noten von 17 bis 19 (von 20 möglichen) Punkten waren nicht selten, das sind Bewertungen, die für große Weine stehen und nicht von burgenländischen Weinprüfern stammen, die fast zwangsläufig großzügig hohe Noten vergeben. Das Team der Weinwerbung um Chef Christian Zechmeister bat neutrale Juroren um ihre Bewertungen, die teilweise auch aus Deutschland angereist waren. 

 

Hier die Ergebnisse, basierend jeweils auf ein Stechen der besten Weine verschiedener Gruppen nach einer ersten Verkostungsrunde.

EIS + SCHILFWEIN

  • Sieger: 2008 Gelber Muskateller Schilfwein - Hans Tschida, Illmitz (er ist so etwas wie der Schilfwein-Großmeister im Burgenland)
     
  • 2. Platz: 2009 Eiswein Welschriesling - Hans Gsellmann, Gols
     
  • 3. Platz: 2010 Eiswein Muskat-Ottonel - Weingut Wagentristl, Großhöflein

Anmerkung: Pech hatte in dieser Kategorie das Illmitzer Weingut Stölzerhof, dessen in der ersten Runde hoch bewerteter Wein wegen zweifachem Korkfehler nicht mehr im Stechen probiert werden konnte.

BEERENAUSLESE

  • Sieger: 2009 - Weingut Feiler-Artinger, Rust
     
  • 2. Platz: 2008 Sämling 88 (die österreichische Bezeichnung für Scheurebe) - Seewinkelhof Salzl, Illmitz
     
  • 3. Platz: 2008 Chardonnay - Weingut Hans Tschida, Illmitz

AUSBRUCH

  • Zwei Sieger - 2007 Am Fuße des Berges - Weingut Wenzel, Rust und 2007 Ruster Weingut Ernst Triebaumer, Rust
     
  • Zweimal 3. Platz: 2007 Ruster SAZ - Weingut Wenzel, Rust und 2008 Auf den Flügeln der Morgenröte - Weinbäuerin Heidi Schröck, Rust

Anmerkungen: Alle sechs Weine im Stechen sowie weitere der gut Platzierten kamen aus der Freistadt Rust, die so etwas wie ein Synonym für das Prädikat Ausbruch ist. Nichts wäre schlimmer für einen Ruster Winzer, wenn er mit einem seiner Weine schlechter bewertet werden würde als ein Ausbruch aus einem anderen Ort oder sogar anderen Bundesland (was rechtlich möglich ist).

TROCKENBEERENAUSLESEN

  • Sieger: 2008 Sämling 88 (Scheurebe) - Weingut Hans Tschida, Illmitz
     
  • 2. Platz: 2007 Goldene Finesse - Seewinkelhof Salzl, Illmitz
     
  • 3. Platz: 2008 Scheurebe - Weingut Kollwentz, Großhöflein

FRUCHTSÜSSE PRÄDIKATE

  • Sieger: 2010 Muskat-Ottonel Auslese - Weingut Hans Tschida, Illmitz

Anmerkung: Das war der mit Abstand interessanteste Wein einer ansonsten eher zu vernachlässigenden Kategorie mit etlichen schwächlichen Weinen.