Werber als Winzer - Begegnung mit einem ungewöhnlichen Weinerzeuger

11.10.2011 - R.KNOLL

ÖSTERREICH (Linz) - Fast verzweifelt fummelt Clemens Strobl mit dem kleinen Korkenzieher-Messer an der dicken Wachshülle auf dem Flaschenhals herum und lacht dann erleichtert, als sich der erste Brösel aus der Schicht löst: „Ja, wir haben schon eine tolle gastronomiegerechte Ausstattung…“. Womit er sich selbst auf den Arm nimmt, aber auch deutlich macht, dass er seinen für ihn jungen Wirkungskreis Wein nicht ernst und besessen, sondern mit viel Humor untermalt angeht.

 

Strobl sitzt in seinem Winzerhaus in Feuersbrunn direkt neben den Reben, abseits der Ortsmitte, wo ein Star wie Bernhard Ott („Mr. Grüner Veltliner“) sein Domizil hat. Während Ott der Weinbau schon in die Wiege gelegt wurde, war es bei Strobl so etwas wie jugendlicher Übermut nach einer längeren Phase des beruflichen Erfolges in einer ganz anderen Branche.

Der Linzer Werbekaufmann, der in gut zehn Jahren als Selbständiger eine erfolgreich agierende Agenturgruppe in Linz, Budapest und Llubljana mit Kunden wie Hofer (Aldi), Kattus, Pernod Ricard, Pinzgau Milch, Hypo Österreich, Voestalpine und der Stadt Wien mit 140 Mitarbeitern aufbaute, befasst sich seit 20 Jahren genießerisch mit Wein und hat eine nette Sammlung in seinem Privatkeller. Wie bei so manchem Unternehmer, der „überflüssiges“ Kapital hat, kam auch ihm vor einigen Jahren die Idee, sich mit Weinbau zu versuchen. Ursprünglich nahm er sich Slowenien, eine aufstrebende Region, ins Visier. Aber dann legte ihm ein guter Freund die Region Wagram zwischen Krems und Wien ans Herz.

Das Gebiet kannten vor 20 Jahren nur wenig Wein-Insider in Österreich. Heute gehört das rund 2800 Hektar umfassende Anbaugebiet, in dem Grüner Veltliner, Riesling und Roter Veltliner die Hauptrolle spielen, zu den Aufsteiger-Fluren in Austria. Karl Fritsch aus Kirchberg/Wagram gründete 1989 den Verein „Wagramer Selektion“, um das Qualitätsdenken der Weinbauern zu fördern. Er führte Verkostungen mit strengen Kriterien ein, deren Ergebnisse anfangs viele Ansteller murren ließen, weil zwei von drei Weinen durch das Sieb flogen - getreu der Fritsch-Forderung an die Juroren, „brutal und beinhart“ zu urteilen.

Doch die Winzer waren nicht beratungsresistent, sondern besserten sich deutlich. Zwar gibt es den Verein nicht mehr in der alten Konstellation, sondern inzwischen zwei Clubs. Aber der Wagram hat sein einstiges Schattendasein verlassen und wird auch kaum mehr mit Deutsch-Wagram, ebenfalls in Niederösterreich, verwechselt. Ein durchaus gutes Pflaster also für einen Einsteiger.

Strobl wollte eigentlich Weinbau nur als Hobby betreiben. Aber als ihm sein Winzerfreund Anton Bauer, der ihm die Fluren seiner Heimatgemeinde ans Herz gelegt hatte, vorrechnete, dass er von den ersten zwei Hektar, die erworben wurden, immerhin genügend Wein für 15 000 Flaschen wachsen würde, war dem 41-Jährigen klar: „Das hat nichts mehr mit Hobby zu tun.“

Eine entsprechende Infrastruktur musste geschaffen werden. Für mehr Fläche. Denn zwei Hektar waren für das notwendige Drumherum zu wenig. Wenn schon, dann gehen wir es richtig an, sagte sich Strobl, der nicht nur im Weinberg arbeiten und Trauben ernten, sondern selbst Wein machen wollte. Das geschieht in einer schnell hoch gezogenen Produktionshalle. Natürlich mit Unterstützung von Profi Bauer, aber doch mit eigenen Ideen und Vorstellungen, die er sich als Autodidakt in vielen Gesprächen mit Winzern angeeignet hatte.

12,5 Hektar sind mittlerweile in seinem Besitz (aber noch längst nicht in vollem Ertrag), die maximale Obergrenze beziffert er mit 20 Hektar. Schon wurde in Österreich gemunkelt, da wolle einer den ganzen Wagram aufkaufen und mit seinem vielen Geld Großwinzer werden. Andere spotteten über den spleenigen Werbefuzzy oder sahen einen Zusammenhang mit seiner Werbetätigkeit und vermuteten, er würde eine Weinmarke für den Discounter Hofer kreieren. „Alles Quatsch“, schmunzelt Clemens Strobl. „Weinbau ist für mich inzwischen eine Leidenschaft. Ich muss damit nicht unbedingt etwas verdienen, will aber auch nicht zu viel draufzahlen.“ Die Individualität wird durch die Betriebsbezeichnung Weinmanufaktur deutlich.

Ehrgeiz ist spürbar. Der erfolgreiche Werber will auch als Winzer glänzen. Und sein hauptberufliches Talent durch eine entsprechende Ausstattung unter Beweis stellen. So wurde sein roter Erstling aus dem Jahrgang 2009, eine Cuvée von Cabernet Sauvignon, Zweigelt und Merlot, in einer Auflage von 1000 Flaschen mit seinem eigenen Handabdruck verziert. „Ich habe tatsächlich tausendmal die rechte Hand in einen Topf mit roter Farbe gesteckt“, versichert er und ergänzt: „Ohne bleibende Schäden auf der Haut.“

Der Inhalt ist noch jugendlich borstig, lässt aber Potenzial erkennen. Trotz einem Flaschenpreis von 100 Euro (inklusive edel anmutender Holzkiste) ist bereits die Hälfte der Auflage verkauft. Der große Bekannten- und Freundeskreis lässt grüßen. Seine drei ersten Weißweine aus dem Jahrgang 2010 (Welschriesling Wohra, Grüner Veltliner Losling und Grüner Veltliner Schreckenberg) sind ebenfalls deutlich über den üblichen Preisen der Gegend (bis zu 35 Euro!), aber richtig gut, mit viel Spannung. Doch die Auflagen sind vorläufig gering. Richtig im Verkauf angreifen muss Strobl spätestens mit dem 2011er, von dem es dann schon insgesamt 30 000 Flaschen geben soll.

Eine Basis dafür hat er selbst geschaffen. In der Linzer Klosterstraße gibt es - ganz neu - die Vinothek Ignis mit mehr als tausend Weinen aus Österreich und der „alten Welt“, das zweite Wein-Standbein des lockenköpfigen Bartträgers, der seine Tätigkeit in der Agentur etwas zurück gefahren hat und glücklich ist, dass ihn seine Frau Martina in der Weinszene gewähren lässt und moralische Unterstützung beisteuert.