Asbach-Jubiläums-Brand: „O Trank voll süßer Labe!“

28.12.2012 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Rüdesheim) - Er klatscht mal kurz in die Hände und sofort ist es still in den Räumlichkeiten des Besucher-Center des Hauses Asbach in Rüdesheim am Rhein. Dann begrüßt Emil Underberg die 80 Gäste aus seinem Freundes- und Partnerkreis sowie von ausgewählten Medien und „droht“ ihnen an, dass er und seine Tochter Hubertine Underberg-Ruder in der nächsten Stunde mindestens zwölfmal Goethe zitieren werden – was einen ganz bestimmten Hintergrund hat...

 

...denn der 71-jährige Seniorchef des traditionsreichen Unternehmens, das durch seinen Magenbitter zumindest europa- wenn nicht gar weltweit bekannt wurde, hatte zu einer „Weltpremiere“ eingeladen: der Präsentation der Sonderedition „Johann Wolfgang von Goethe Vintage Reserve 1952“ aus dem Hause Asbach, dessen hundertprozentiger Eigentümer die Familie Underberg seit 2002 ist.

Die Auflage dieses Edelbrandes ist um einiges geringer als jene des Magenbitters, von dem täglich eine Millionen Kleinflaschen gefüllt werden. Drei Fässer mit Weinbrand wurden 60 Jahre zuvor gefüllt. Damals wurde Wein aus dem Jahrgang 1951 destilliert. Dem Produkt wurde seinerzeit hohe Wertigkeit bescheinigt; man reservierte ihn für einen besonderen Anlass. Dieser war Ende 2012 gekommen. Es war das Jahr, in dem die Rüdesheimer Weinbrennerei ihr 120-jähriges Jubiläum feiern konnte. Hugo Asbach, der bei französischen Brennmeistern gelernt hatte, gründete 1892 sein eigenes Unternehmen für die Erzeugung von „deutschem Cognac“ und prägte später den Begriff Weinbrand, der nach dem Ersten Weltkrieg wichtig wurde. Denn laut Versailler Vertrag von 1919 war es deutschen Unternehmen verboten, Begriffe wie Cognac oder Champagne zu verwenden.

Der Weinbrand wurde bekannt. Die Marke zählt heute zu den drei bekanntesten Markenartikeln überhaupt und wird nach Marktuntersuchungen von Verbrauchern als besonders vertrauenswürdig eingestuft. Aber Asbach zehrt dabei wohl auch etwas von der Vergangenheit, als Werbeslogans wie „Im Asbach Uralt ist der Geist des Weines“ oder „Wenn einem also Gutes widerfährt, so ist das einen Asbach Uralt wert“ fast zum sprachlichen Allgemeingut gehörten und den Weinbrand zu einem Kultgetränk machten.

1991 kam es zu einer Zäsur. Die Familie musste an den britischen Spirituosenhersteller United Destillers verkaufen (heute Diageo) verkaufen. Asbach blieb dort aber nur acht Jahre, dann wurde die Marke zu jeweils 50 Prozent an Bols und Underberg veräußert. Das niederländische Unternehmen Bols hatte drei Jahre später genug vom deutschen Weinbrand und verkaufte seinen Anteil an Underberg.

Emil Underberg und seine Mitstreiter in der Firma müssen heute damit leben, dass der Markt für Weinbrand geschrumpft ist. Zwar ist man im Premium-Segment Weinbrand, Brandy und Cognac in Deutschland Marktführer und verkauft noch annähernd drei Millionen 0,7-l-Flaschen. In einem Teil der einstigen stattlichen, aber seit Jahren weitgehend ungenutzten und zum Verkauf stehenden Brennerei in Rüdesheim werden heute von Spezialist Reber, Bad Reichenhall (bekannt für die „Mozart-Kugeln“), rund 50 Millionen Asbach-Pralinen hergestellt (die früher deshalb kreiert wurden, weil es nicht schicklich war, dass Damen Weinbrand in der Öffentlichkeit tranken). In nahezu jedem gastronomischen Betrieb in der Touristik-Metropole wird außerdem „Rüdesheimer Kaffee“ offeriert, selbstverständlich mit Asbach angereichert.

Aber früher war Asbach noch viel mehr im Gespräch. Mit Aktivitäten wie dem feierlichen Jubiläums-Akt in Rüdesheim will man wieder an große Zeiten anknüpfen. Potenzial ist nach wie vor vorhanden. Im Reifelager in Ottersweiler am Rande des Schwarzwaldes liegen mehr als 20 000 kleine 300-Liter-Limousin-Fässer mit über 120 verschiedenen, bis zu 60 Jahre alten Einzeldestillaten. Sie machen reife Weinbrände möglich; bisheriges Aushängeschild war ein Asbach Uralt Jahrgangsbrand 1972, der etwa 120 bis 130 Euro je nach Anbieter kostet.

Für das Destillat aus 1952 muss man schon einiges mehr auf den Tisch des Hauses legen. Kellermeister Christopher Dellee blieb es vorbehalten, die ersten von insgesamt 900 Liter-Flaschen aus einer böhmischen Glasbläserei zu füllen. Die Flasche, verpackt in eine edel anmutende Holzkiste mit einem Probierglas, kostet 2000 Euro! Gut ist der Inhalt zweifellos. Er duftet nach Nougat, Honig und Schokolade, ist sehr feurig und hat eine angenehm weinige Note. Namenspate Goethe (1749 – 1832), der schon lang vor der Asbach-Firmengründung verstarb, hätte ihn als leidenschaftlicher Genießer vermutlich gern getrunken. Ansonsten genoss er bei seinen Besuchen im Brentano-Haus im Winkel in den Jahren 1814 und 1815 allerdings Rheingauer Riesling. Dass er für den Jahrgangs-Weinbrand herhalten muss, ist zwar eine kleine Geschichtsfälschung. Aber wir unterstellen, dass er ihn so kommentiert hätte: „O Trank voll süßer Labe. Mich ergreift, ich weiß nicht wie, himmlisches Behagen. Will’s mich etwa gar hinauf zu den Sternen tragen? Frisch, Herr Nachbar, getrunken!“