Maikäfer-Massenschwarm bedroht badischen Wein

02.05.2012 - arthur.wirtzfeld

DEUTSCHLAND (Karlsruhe) - "Von der Sonne verwöhnt" lautet der Werbeslogan für den Badischen Wein. Besonders am Kaiserstuhl scheint die Sonne prächtig und lässt die Weinstöcke für gehaltvolle Burgundersorten gedeihen. Doch daran labt sich auch ein unsichtbarer Feind: Die Engerlinge des Feldmaikäfers. "Ein bis zwei Engerlinge pro Quadratmeter reichen schon aus, um schlimme Wurzelschäden anzurichten", sagt Michael Glas vom Pflanzenschutzdienst Baden-Württemberg. Weil die Käfer derzeit massenhaft schlüpfen, bekämpft sie der Experte per Hubschrauber aus der Luft: mit einem umweltverträglichen Öko-Gift. Heute ist der erste Einsatz geplant.

 

Feldmaikäfer gab es schon immer entlang des Oberrheins. Aus ihren Eiern, die sie an Reben und Obstbäumen ablegen, entwickeln sich zunächst Engerlinge. Diese im Erdreich lebenden weißen Larven fressen zunächst drei Jahre lang Wurzeln. Danach verwandeln sie sich in Käfer und schwärmen zur Fortpflanzung aus. Dieser Zyklus führt alle drei Jahre zu einem besonders starken Käferschlupf. Wie in diesem Mai am Kaiserstuhl: In dichten Trauben hängen die schwerfälligen Brummer in den Bäumen am Waldrand, sie kriechen unter die Blätter, wenn es regnet, und sammeln sich an warmen Abenden zur Paarung in den Baumkronen.

Nun will Pflanzenschützer Glas diesem Treiben ein Ende machen. Auf einer Fläche von 4000 Hektar soll das Insektizid Neemazal T/S per Hubschrauber versprüht werden. Nach Angaben des zuständigen Regierungspräsidiums ist das Fraßgift vergleichsweise umweltverträglich und auch im ökologischen Landbau zugelassen. Von dem Mittel, das aus den Früchten des indischen Neem-Baumes hergestellt wird, bekommen Maikäfer Magengrimmen: Sie fressen nicht mehr und werden dann auch zu träge zur Paarung.

Für Maikäfer fressende Fledermäuse ist das Gift dagegen unschädlich. Und weil selbst Schmetterlinge - wie die auf der Roten Liste der gefährdeten Arten stehende Spanische Flagge - kaum an dem Gift leiden, haben auch Umweltschützer keine schwerwiegenden Einwände gegen den Einsatz.

Bei Probegrabungen in der sonnenreichsten und wärmsten Region der Republik zeigten sich für dieses Jahr alarmierende Befunde: Wegen des besonders warmen Herbstes 2011 sind viele fette Engerlinge anscheinend schon nach zwei statt drei Jahren fertig entwickelt. Käferbekämpfer aus der gesamten Republik schauen deshalb mit Sorge an den Hochrhein. Falls sich dort der Reproduktionszyklus der braunen Brummer um ein Jahr verkürzt, könnte das bei einer anhaltenden Klimaerwärmung auch andernorts der Fall sein.

Vor allem für die Rheinwälder von Mannheim bis Frankfurt und andere Regionen Hessens wäre das eine Katastrophe. Dort ist der Waldmaikäfer längst zu einer ernsten Bedrohung geworden: Im Jahr 2010 war bereits eine Fläche von 20.000 Fußballfeldern gefährdet, bei Probegrabungen fanden sich bis zu 176 Engerlinge je Quadratmeter. Die hatten einen erstaunlichen Appetit: Selbst acht Meter hohe Bäume konnten einfach so aus dem Boden gezogen werden, da sie keine Wurzeln mehr hatten.

"2013 wird hier wieder ein starkes Käferjahr", sagt der hessische Waldschutzexperte Horst Marohn. Weil das milde Neem-Gift direkt in den Wäldern nicht wirkt, müsste das umstrittene Insektengift Dimethoat versprüht werden, das auch Schmetterlinge und Fledermäuse bedroht.

Eine mühsame, aber ökologisch korrekte Methode ist aus früheren Zeiten überliefert. Kinder bekamen im Mai schulfrei und sammelten Krabbeltierchen mit der Hand. Mit Erfolg: So berichtet etwa die Gemeindechronik von Ermsleben in Sachsen-Anhalt, dass 1937 fast eine halbe Tonne Maikäfer abgeliefert wurde, bei einer Prämie von umgerechnet vier Cent pro Kilogramm. Die Kinder von heute würden das sicherlich auch tun: Auch bei ihnen haben Maikäfer einen gefestigt guten Ruf. Ihre Füßchen kitzeln angenehm auf der Haut. Außerdem lassen sich die ungelenken Brummer auch gut in Schuhschachteln halten und mit nach Hause nehmen.