Neu im Rheingauer VDP: Das Mumm’sche Weingut und der 1811er

12.04.2012 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Johannisberg) - Der gerade mit einem Yoopress-Scherz zum 1. April etwas irritierte Verband deutscher Prädikatsweingüter (VDP) vermeldet die Aufnahme eines neuen Mitglieds im Regionalverband Rheingau, nämlich das bereits 1822 gegründete Weingut G. H. von Mumm in Johannisberg. Es handelt sich um einen stattlichen Betrieb mit 65 Hektar, der hauptsächlich Riesling, etwas Weißburgunder und in den Fluren von Assmannshausen auch Spätburgunder anbaut.

 

In der einer Presseinformation, mit der die neue Mitgliedschaft vermeldet wird, ist – etwas schamhaft anmutend - davon die Rede, dass Mumm seit den achtziger Jahren „im selben Familienbesitz wie das VDP-Gründungsmitglied Fürst von Metternich-Winneburg’sche Weinbaudomäne Schloss Johannisberg ist.“ Die Familie heißt Oetker, steht für einen Konzern mit rund 400 Einzelfirmen, 7 Milliarden Jahresumsatz (2010) und 20000 Mitarbeitern. Zum Unternehmen gehören Henkell & Co. mit diversen weiteren Sektmarken (u.a. Deinhard, Metternich), die Radeberger Gruppe mit jeder Menge Brauereien und dem seit einigen Jahren stark der Weinbranche zugewandeten Prickler Selters - und eben die beiden Weingüter.

Mumm ist dabei schon viel länger als Johannisberg im Besitz der Familie Oetker. 1958 erwarb Rudolf August Oetker den Betrieb einschließlich Burg Schwarzenstein. Das war im gleichen Jahr, als er sich die Söhnlein Rheingold Sektkellerei einverleibte. Oetker investierte kräftig, kaufte fleißig Rebfläche hinzu und bandelte dann Ende der siebziger Jahre mit Schloss Johannisberg an, das damals noch im Besitz der Fürstenfamilien Metternich war. Er konnte wesentliche Anteile erwerben und führte die beiden Betriebe in die damalige Schloss Johannisberger Weingüterverwaltung (heute JWG Johannisberger Weinvertrieb KG) zusammen.

Chef ist seit einigen Jahren Christian Witte, der die Arbeit seines Vorgängers, Domänerat Wolfgang Schleicher, auf hohem Niveau fortsetzte - während Unruheständler Schleicher für Selters die Verbindung zur Weinbranche herstellte und sich damit dem Haus Oetker weiterhin verbunden zeigt. Für Kontinuität im Ausbau sorgt seit etlichen Jahren der technische Betriebsleiter Hans Kessler. Er hat mit G. H. von Mumm’s 65 Hektar sogar eine größere Spielwiese als bei Johannisberg (35 Hektar).

Interessant ist ein Blick in die Geschichte, der ausweist, dass die Verbindung der beiden Häuser eigentlich uralt ist. Man schrieb das Jahr 1811, als Peter Arnold Mumm, Bankier und Weinhändler, mutig einige Wochen vor der Lese für 32 000 Gulden die komplette Weinernte von Schloss Johannisberg kaufte, das damals - einige Jahre nach der Säkularisation - einem Marschall Kellermann gehörte (erst fünf Jahre später kam die Fürstenfamilie Metternich per Schenkung ins Spiel). Mutig war der Kauf deshalb, weil die Jahrgänge vorher für das Traditionsgut nicht sonderlich ruhmreich waren. Doch 1811 wurde ein Jahrhundert-Jahrgang, von dem später Goethe als dem „großen Eilfer“ schwärmte.

Mumm konnte die komplette Ernte mit 50 Stück-Fässern a‘ 1200 Liter für damals sensationelle 150 000 Gulden weiter verkaufen - ein Gewinn von rund 370 Prozent. Er lachte sich ins Fäustchen und erwarb zehn Jahre später, 1822, Weinberge auf dem Kahlenberg und erweitere diesen Besitz in der Nachbarschaft des ihm Glück bringenden Johannisberg so nach und nach. Das nötige Kleingeld hatte er noch vom 1811er Deal. Der Betrieb entwickelte sich positiv weiter und zählte zwei Jahrzehnte später zu den größten Weinhäusern in dem damaligen Herzogtum Nassau. Zum Besitz gehörte sogar ein Champagnerhaus in Reims (das aber nach dem Ersten Weltkrieg von der französischen Regierung beschlagnahmt wurde). In der Zeit nach 1945 kam das Weingut trotz guter Ansätze nicht mehr so recht voran - bis sich Rudolf August Oetker, damals 42 Jahre alt, entschloss, in Weinbau zu investieren.

Dass er später den Marketingexperten Wolfgang Schleicher ins Haus holte und ihm die Verantwortung für beide Betriebe übergab, sollte sich auch für das Mumm’sche Weingut auszahlen. Schleicher schaffte es, das Haus mit trockenem Riesling im Handel und der gehobenen Gastronomie zu platzieren. Er gehörte damals - als süß überall dominierte - zu den wenigen, die daran glaubten, dass mit herben deutschen Weinen Staat zu machen war. Heute weiß man, dass er recht hatte. Mumm reüssiert seit einigen Jahren auch mit den „Ersten Gewächsen“ (die im Rheingau vermutlich bald „Große Gewächse“ heißen könnten) und befand sich hier durchaus auf Augenhöhe mit Schloss Johannisberg.