Taittingers Charme-Offensive

11.12.2012 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (München) - Vitalie kam, sah und siegte. Das ist man von dem Boxriesen und Politiker aus der Ukraine zwar gewöhnt. Aber diesmal war es ein Sieg mit den Waffen Schönheit, Charme und zudem Top-Qualität – im Champagnerglas. Spätestens hier wird deutlich, dass es nicht um den Faustkampf steht und ein Weltmeister Klitschko beim Vornamen nicht ganz korrekt geschrieben wurde. Die Rede ist vielmehr von Vitalie Taittinger, Juniorin im namhaften Champagnerhaus, die sich nach Deutschland aufgemacht hatte, um im Zusammenspiel mit ihrem Importeur Wein-Wolf etwas die Werbetrommel für das prickelnde Getränk zu rühren.

 

Kenner schnalzen beim Namen Taittinger mit der Zunge – und überlegen allenfalls, ob man ihn deutsch oder französisch („Tett‘o‘sche“) aussprechen soll. Letztere Version ist die eigentlich richtige. Denn Firmengründer Pierre-Charles Taittinger (1887-1965), der als Kavallerieoffizier im Stab des Feldmarschall Joffre im Schloss La Marquetterie bei Epernay mitten in den Weinbergen der Champagne stationiert war, stammte zwar aus dem Elsass, das zwischen 1871 und 1918 als Elsass-Lothringen zu Deutschland gehörte. Aber er fühlte sich wohl nie als Deutscher und hatte auch keine klassischen deutschen Wurzeln wie andere, vor ihm schon in Frankreich aktive Champagner-Macher (z. B. Mumm, Bollinger, Deutz).

Taittinger gefiel es offenbar gut in der Champagne. Noch während seiner Dienstzeit beschloss er, irgendwann mal das Schloss zu seinem Familiensitz zu machen und in dem Gebiet heimisch zu werden. Deshalb erwarb er 1932 gemeinsam mit seinem Schwager Paul Eséque das im Jahr 1734 errichtete Gebäude mit seinen Rebanlagen, dazu das Champagne-Haus Forest-Fourneaux sowie das Anwesen der Grafen der Champagne in Reims. Forest-Fourneaux verschwand von der Bildfläche. Der Name Taittinger stand von da an für richtig guten, eleganten Champagner. Die Spitzenmarke wurde zu Ehren der Grafen „Comtes de Champagne“ genannt. In den dreißiger Jahren gelang es ihm, durch umfangreiche Grundkäufe das Gut entscheidend zu vergrößern. Damit schuf er die Basis für die heutige Bedeutung.

Schwierig wurde es für das Unternehmen und die Familie im neuen Jahrtausend. Zwar hatte man unter Führung von Claude Taittinger den Besitz mit mehreren Hotels vergrößert und konnte eine eigene Rebfläche von fast 300 Hektar vorweisen, die sich auf 34 Grand Cru-Lagen verteilten. Erbstreitigkeiten zwangen jedoch 2005 zu einem Verkauf an die amerikanische Aktiengesellschaft Starwood, die aber von Anfang an verkündete, dass sie eigentlich nur Interesse an den Hotels hatte und sich vom Champagnerhaus bald wieder trennen wolle.

Das führte bald darauf zu einem Bieter-Wettstreit, an dem sich unter 50 Bewerbern nicht nur große Luxusgüter-Unternehmen sondern sogar ein indischer Milliardär befanden. Letzterer soll den Preis besonders in die Höhe getrieben haben. Einer, der Offerten machte, war Pierre-Emmanuel Taittinger, der mit seinen Kindern Vitalie und Clovis (wurde 2011 Exportdirektor) energisch danach strebte, das Champagne-Haus in den Schoß der Familie zurückzuholen. Vor dem Verkauf an die Amerikaner war er schon lang im Unternehmen tätig gewesen, als Vertriebsdirektor für Frankreich, dann als stellvertretender Generaldirektor und schließlich Generaldirektor. Sein persönlicher Erlös aus dem Verkauf hätte locker ausgereicht, um sich und den Seinen ein sorgenfreies Leben ohne Arbeit zu gönnen. Stattdessen kämpfte er „wegen meiner emotionalen Bindung“ um den Betrieb und fand dabei die Unterstützung der Bank Credit Agricole. Die Kaufsumme, die 2006 überwiesen wurde, belief sich auf 660 Millionen Euro.

Das mag teuer anmuten, war aber angesichts der Vorräte im Keller (so um 21 Millionen Flaschen) und vor allem der wertvollen Grand-Cru-Flächen keine überzogene Summe. Denn der Durchschnittspreis für einen Hektar Champagne-Rebfläche liegt aktuell bei knapp 908 000 Euro. Die besten Crus haben einen Wert von bis zu 3 Millionen Euro. Nachdem die Taittinger-Reben fast ausschließlich in Toplagen wachsen, hatte der Deal schon fast wieder Schnäppchen-Charakter…

Dass das Potenzial im Boden für erstklassigen Champagner genutzt wird, konnte bei Valeries Abstecher nach Deutschland einmal mehr aufgezeigt werden. Zwar wurde keine Flasche aus der Kult-Collection, für die namhafte Künstlern mit meist abstrakten Malereien Pate stehen, entkorkt (schließlich kostet ein solches Kunstwerk immerhin zwischen 150 und 250 Euro, je nach Künstler und Jahrgang). Aber immerhin gab es reichlich Comtes de Champagne Blanc de Blancs (ungemein feingliedrig, vielschichtig, raffiniert), eine Brut Réserve (viel Druck, Finesse, hoher Spaßfaktor), einen Prestige Rosé (verspielt, fast zerbrechlich wirkend, delikat) sowie einen Comtes de Champagne Rosé (tolle, ausgewogene Frucht, temperamentvoll, lang im Abgang).

Alles zusammen war ein zwar nicht kompletter, aber doch überzeugender Einblick in die Taittinger-Palette. Passend dazu die lebhafte Präsentation der jugendlichen 32-Jährigen, die im Haus Art-Directrice und „Muse der Werbekampagne“ ist. Mit ihrem herzlichen, ungekünstelten Charme – und mit Taittinger-Champagner - würde sie vermutlich auch Fast-Namensvetter Vitali umwerfen.