Chinesen lieben Schlossweine

10.10.2013 - arthur.wirtzfeld

CHINA (Yantai) - Nennen Sie es wie Sie wollen: Schloss, Castle, Castello, Castillo, Château..., die Steine der Repräsentanz der Changyu Pioneer Wine Company (CPWC) in Yantai, Provinz Shandong, sind feudal, luxuriös, pracht- und punktvoll gemauert und haben für Chinesen eine enorme Zugkraft. Davon ist auch Zhou Hongjiang, Generalmanager von CPWC überzeugt: "Château Changyu gibt unserem Unternehmen nicht nur eine Kontur, sondern bringt uns einen merklichen Wettbewerbsvorteil und ist zudem noch eine touristische Attraktion in meiner Heimatstadt Yantai."

 

Wer zur majestätischen Repräsentanz Changyu fährt erlebt eine vinophile Region, die es mit den Landschaften im Bordelais aufnehmen kann. Unwillkürlich prüft man seine Wegbeschreibung, weil man glaubt eine falsche Abfahrt genommen zu haben und vermeintlich im Bordeaux gelandet ist. Aber es ist Realität - wir sind in China, in Yantai und stehen vor Château Changyu. Das für europäische Augen eher kitschige und dennoch imposante Vorzeigeprojekt ist ein Joint-Venture der CPWC, einer der drei größten chinesischen Weinhändler mit der französischen Castel Groupe, deren Hauptsitz nach wie vor in Bordeaux ist.

Meer, Sand, Sonne..., Yantai liegt nahe der Küste und wen wird es wundern - in etwa auf dem gleichen Breitengrad wie Bordeaux. In der Nähe der Hafenstadt bewirtschaftet das Joint-Venture 135 Hektar Rebanlangen, bestockt überwiegend mit Cabernet Gernischt, Cabernet Sauvignon, Chardonnay und Riesling. Ausreichend Sonne, kühle Nächte, warme Tagestemperaturen, genügend Feuchtigkeit vom Meer und nicht zuletzt die Böden sind gemeinsam Garanten für gute Qualitäten. Rund 3.000 Tonnen Wein produziert Château Changyu jährlich. Das Design der eigenen Weinetiketten ist den Klassikern aus Bordeaux nachempfunden und der Geschmack der durchweg trockenen Weine passt sich den Meeresfrüchten an, die hier so nah am Meer in jedem Restaurant angeboten werden.

Seit Château Changyu in 2002 die Produktion startete haben ausländische Weinexperten immer wieder die Weine des Joint-Venture gelobt. Robert Tinlot, Ehrenpräsident der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV) und der Engländer MW John Salvi taten dies stellvertretend für andere. "Hier auf Château Changyu arbeitet man ebenso professionell wie bei den großen Kellereien in Europa", sagt Robert Tinlot und John Salvi meint: "Ich bin erstaunt über die Sicherheitsmaßnahmen für die Arbeitnehmer - das ist vorbildlich." Und Guo Shuquan, ein chinesischer Weinexperte und Dozent, sagt: "Hier auf Château Changyu kann man nicht nur die Weine genießen, sondern hier wird Weinkultur betreiben. So dürfen Besucher sich bei der Ernte betätigen oder auch die Kellerarbeit intensiv erkunden wodurch Wein erlebbar gemacht wird."

Zusammen mit dem Changyu Museum für Weinkultur empfängt Château Changyu mittlerweile über 500.000 Besucher pro Jahr. Beide Einrichtungen haben sich zu beliebten Urlaubzielen für Weinkultur in China entwickelt. "Wir bieten Verkostungen unserer Weine bis hin zu intensiven Seminaren, mit denen wir interessierte Besucher in die Weinwelt einführen und schließlich Weinkultur fördern wollen", erklärt Yo Bo, Kurator des Changyu Weinmuseums.

Einhergehend mit dem Wachstum der Weinindustrie in der Provinz Shandong wurden mittlerweile zehn Kellereien im Château-Stil nördlich von Yantai errichtet. Dutzend weitere sind in Planung. China-Kenner wird es nicht verwundern, dass bis 2020 davon insgesamt 105 errichtet sein sollen. Diese rasante Entwicklung kommentiert der chinesische Weinfachmann Shang Yang allerdings kritisch: "Es gibt immer noch einen großen Unterschied zwischen den Kenntnissen zur Weinbereitung im Weinberg und im Keller sowie des Weinmarketings zwischen unseren Erzeugern wie auch Inhabern der Kellereien gegenüber denen in Europa. Die Weinindustrie in China entwickelt sich erst seit 30 Jahren - in Europa aber schon seit Jahrhunderten. Chinas Weinindustrie braucht einfach mehr Zeit, um die Techniken zu entwickeln und zu verstehen." Shang Yang weiß wovon er redet, hat er doch zehn Jahre lang in der französischen Weinindustrie gearbeitet hat.

Dieser Kritik stimmt auch Mark Bedingham, Marketingdirektor von Moet Hennessy Asia Pacific zu: "Ein imposantes Gebäude und beste Kellertechnik reicht nicht. Die Erzeuger hier in China müssen noch den richtigen Umgang mit Klima, Rebsorten, Böden und Ausbau trainieren. Zur Zeit haben sie noch einen offensichtlichen Rückstand gegenüber den Erfahrungen in Europa", sagt Bedingham, dessen Arbeitgeber Moet Hennessy in China schon seit Jahren in der Sparte Weinproduktion und Vertreib investiert.

Erst letztes Jahr hat Hennessy 400 Hektar Land für Weinbau in Ningxia Hui (Zentral China) im Rahmen eines Joint-Venture erworben. Hier sollen ab 2014 ausschließlich Schaumweine für den chinesischen Markt produziert werden. Zuvor hatte Hennessy bereits in der gleichen Region ein Joint Venture mit der VATS Group Ltd., einem chinesischen Likör- und Weinerzeuger erfolgreich gegründet, um Premium-Rotweine in der Yunnan Provinz für den Inlandsmarkt zu produzieren. "Der Weinkonsum wird von heute an gesehen bis zum Jahr 2015 um 54 Prozent steigen. Es ist also durchaus möglich, dass wir noch mehr in chinesische Châteaux investieren werden", sagt Bedingham.