Eine Weingeschichte: Jugendlicher Ehrgeiz führt zum Vintage-Service

18.12.2013 - arthur.wirtzfeld

CHINA (Peking) - In der Küche summt es angenehm, Töpfe und Pfannen klappern, Lebensmittel brutzeln mit einem geheimnisvollen Brabbeln, wie es ihnen nur Meisterköche abverlangen können. Neben dem scheinbar unorganisierten Chaos wirbelt das Personal in dem neu errichteten Restaurant namens "Pinotage Restaurant and Wine Bar" im Sanlitun Distrikt der chinesischen Metropole und Regierungshauptstadt Peking, um noch kurz vor dem Ansturm der Gäste die Dekorationen anmutig zu richten.

 

In der Mitte der Küche steht Amber Deetlefs und leitet die Köche wie ein Profi, was ihrer Jugend eigentlich nicht zuzutrauen ist. Durch die Glasscheibe, die Küche und Köche vom Gastraum trennt, wird der Erfolg und die ambitionierte Haltung der in Südafrika (Benoni) geborenen Amber Deetlefs praktisch transparent. Das Sichtbare täuscht dennoch ein wenig, wenn man nicht weiß, welches kulinarische Erlebnis und Leidenschaft Amber Deetlefs und ihren Geschäftspartner Toby Cao antreibt. Beide sind zudem der größte Importeur von südafrikanischen Weinen im Land der Mitte.

In einem Alter wo die meisten ihrer Freunde nach einem Studienjahr in China wieder nach Südafrika zurückreisen und erst am Anfang ihrer Karriere stehen hat die 25jährige Amber Deetlefs in Peking bereits markante Spuren hinterlassen. Sie besitzt zwar keine formale wirtschaftliche Ausbildung hat aber bereits praktische Geschäftserfahrungen und gilt als Vorbild für Südafrikas Studenten in Wirtschaftsfächern. Mehr als einmal hielt sie Vorträge vor Studenten, die zum Teil älter sind als sie selbst.

Chef in einer Küche zu sein war nie das Ziel von Amber Deetlefs, aber ihr "Pinotage Restaurant and Wine Bar" ist bereits das zweite Restaurant in Peking, das Sie zusammen mit ihrem Partner Toby Cao erfolgreich gründete und führt. Amber Deetlefs sagt, dass sie eine wesentliche Rolle bei den chinesischen Konsumenten bezüglich deren Weinkonsum spielen will, indem sie den Weinservice in Peking grundlegend verändert. Speisen und Wein, sagt sie, seien ihr in die Wiege gelegt worden, aber während sie in Johannisburg ihre Kindheit erlebte, wäre Köchin oder Unternehmerin in ihren Mädchenträumen kein Thema gewesen.

Für den beginnenden Sinneswandel macht Amber Deetlefs ihren Vater verantwortlich. Dieser wurde Mitte der letzten Dekade als Berater in die chinesische Bergbauindustrie berufen und er überzeugte seine Tochter, das Abenteuer China einzugehen. "Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keinerlei Vorstellungen was China ist und was China bedeutet", sagt Amber Deetlefs. "China war nichts woran man denkt, wenn man in Südafrika lebt. Ich wusste zwar, dass China eine aufstrebende Nation, ist aber über Land und Leute war ich ahnungslos."

Gerade den High-School-Abschluss in der Tasche - Amber Deetlefs war 18 Jahre alt und in China angekommen - meldete sie sich für einen Sprachkurs in Mandarin an. Und nun kam der Zufall Nummer-I ins Spiel. Amber Deetlefs Vater ist Mitbesitzer eines südafrikanischen Weingutes und lernte in diesem Kontext auch den chinesischen Weinimporteur Toby Cao kennen. Amber Deetlefs Vater, der eine Geschäftsmöglichkeit ahnte, hatte die Verbindungen nach Südafrika zu den dortigen Erzeugern. Toby Cao seinerseits wusste, wie das Import-Geschäft mit Wein zu betreiben ist.

Unter der Federführung der Botschaft Südafrikas und mit Hilfe der Kontakte der Familie Deetlefs wurden in der Folge eine Reihe von südafrikanischen Weingütern nach Peking eingeladen, um ihre Weine dort zu präsentieren. Das große Interesse der Chinesen überraschte die Familie Deetlefs und war die Initialzündung, zusammen mit Toby Cao südafrikanische Weine zu importieren. "Mein Vater finanzierte den ersten Container", berichtet Amber Deetlefs. "Ich erinnere mich noch, als uns dieser geliefert wurde. Ein voller Container mit 13.830 Flaschen Wein. Die Kisten stapelten sich in unserer Wohnung bis unter die Decke. Verkauft haben wir die Weine allein durch Mundpropaganda ohne jegliche Werbung in nur wenigen Monaten. Die Käufer, meist Südafrikaner und Europäer, kamen zu uns in die Wohnung, um ihre Weinpakete abzuholen."

Über den unerwarteten Erfolg waren alle überrascht - Amber Deetlefs erinnert sich: "Mein Vater sagte: Das fühlt sich nach einer ernsthaften Sache an, das müssen wir noch besser organisieren." Und der Geschäftspartner, der 43jährige Toby Cao war damals ebenfalls überrascht. Auch er erinnert sich vor allem an das Engagement seiner heutigen Partnerin: "Ich hatte eigentlich eine Anlaufzeit von Jahren erwartet - aber mittlerweile weiß ich, wenn Amber was tun will, dann will sie die Beste sein und das erreicht sie auch."

Dies alles geschah bereits im Jahr 2008. Von dem Erfolg überwältigt und nun auch mit eigenen finanziellen Mitteln ausgestattet, entschlossen sich die beiden Geschäftspartner Amber Deetlefs und Toby Cao eine Vinothek für die Verkostungen mit Verkaufslager zu suchen. Man wurde fündig in einem Distrikt für Ausländer. Die Räume verfügten - und hier kommt Zufall Nummer-II zum Tragen - über eine professionelle Küche. Und das war gleichzeitig der Startschuss für das erste Restaurant von Amber Deetlefs.

"Ich liebte es schon immer zu kochen, aber als Kellnerin wäre ich völlig ungeeignet - ich könnte keine Tasse Tee tragen, ohne das etwas überschwappt", skizziert Amber Deetlefs sich selbst. "Und als Chef in einer Profi-Küche konnte ich mich damals auch nicht vorstellen. Also habe ich Köche engagiert und ihnen eine Auswahl südafrikanischer Rezepte beigebracht." Bereits am Ende der ersten Woche war das Restaurant komplett mit interessierten Gästen ausgebucht. Dazu sagt Amber Deetlefs: "Ich war völlig platt und ich weiß bis heute nicht, wie ich das geschafft habe - aber wir haben es geschafft und ich habe seitdem die Küche nicht mehr verlassen."

Ihr Restaurant boomte während der Olympischen Spiele in Peking und die Nachfrage nach den Weinen Südafrikas zog merklich an. Im Frühjahr 2013 eröffneten Amber Deetlefs und Toby Cao dann ihr zweites Restaurant Pinotage, das ebenso erfolgreich startete. Mittlerweile importieren beide jährlich rund 165.000 Flaschen Wein. "Sofern wir noch nicht der größte Importeur südafrikanischer Weine sind wird Amber dafür sorgen, dass wir im Volumen über kurz oder lang der größte sein werden, " sagt Toby Cao. "Die anderen Importeure haben maximal 10 Etiketten im Portfolio - wir dagegen haben bereits mehr als 100 Labels von 20 verschiedenen Weingütern im Verkauf." Fast der gesamte Weinimport wird über beide Restaurants verkauft, eine Entscheidung Amber Deetlefs, die damit eine bestimmte Vorstellung hat.

In dem lukrativen chinesischen Weinmarkt sind die Weine Südafrikas allerdings nur eine Minderheit im Vergleich zum Importvolumen etablierter ausländischer Marken. Laut chinesischer Zollstatistik machte der Import von Weinen aus Südafrika in der ersten Hälfte des Jahres 2013 nur 1,8 Prozent der importierten Gesamtmenge von 300 Millionen Flaschen aus. Experten sagen, dass sich der Weinverbrauch in China bis 2015 - und das sind gerade mal zwei Jahre - um mehr als 50 Prozent erhöhen wird.

Amber Deetlefs steht weit weniger der Sinn nach Quantität sondern ihr Interesse richtete sich vielmehr auf die Qualität der Weine und die Kontrolle über die Preise, um so den Anteil für Südafrikas Weine auf dem chinesischen Markt behutsam zu erhöhen. "Ich halte es für schädlich, wenn der hiesige Einzelhandel und die Supermärkte minderwertige Weine aus Südafrika zu horrenden Preisen anbieten", erklärt Amber Deetlefs ihre Intention. "Ein Wein, den wir beispielsweise für 180 Yuan (circa 21,50 Euro) verkaufen, würde woanders für mindestens 380 Yuan (circa 45,50 Euro) angeboten werden.

Dem pflichtet auch der Weinexperte Jim Boyce bei, der den beliebten Blog "Great Wall of China" betreibt. "Cao und Deetlefs haben eine treue Fangemeinde in Peking aufgebaut, die hochwertige Produkte zu fairen Preisen favorisieren", sagt Jim Boyce und fügt an: "Ich habe noch keine größere Auswahl an südafrikanischen Weinen in China ausfindig gemacht - das Angebot der Beiden ist ziemlich spektakulär."

Amber Deetlefs führt Ihr Restaurant auch gegen den Trend. In Pekings Restaurants ist es die Regel, den Gästen nur den billigsten Hauswein im Glas anzubieten. "Wir geben unseren Gästen die Möglichkeit zu den Speisen mindestens zwei Qualitätsweine zu probieren. Die Leute wollen das, sie versuchen gerne zwei verschiedene Weine und sie kaufen oft beide", berichtet Amber Deetlefs. Und es sind bei weitem nicht nur die ausländischen Gäste, die diesen "Vintage-Service" honorieren. Immer mehr jüngere chinesische Gäste entdecken Deetlefs Restaurant und genießen beim Speisen verschiedene Weine. "Damit brechen wir Gewohnheiten auf", sagt Amber Deetlefs. "Früher war es doch so, dass die Chinesen nur Wein zum Verschenken gekauft haben und Wein wurde zu offiziellen Ereignissen, wie Familienfeiern oder bei Geschäftstreffen getrunken. Unser Konzept trägt zur Änderung dieser Gewohnheit bei."

Der Erfolg scheint Amber Deetlefs recht zu geben. Sie selbst sagt dazu: "Ich betone in meinen Vorträgen vor Studenten aus Südafrika: Hier in China kann man Karriere machen, aber man muss die Sprache lernen und sich der Kultur hingeben, das ist ein Muss. Mein Erfolg basiert auf der Wahrnehmung von Chancen und gleichzeitig harter Arbeit. Aber das können andere auch."