Vermouth-Comeback bei Contratto

16.03.2013 - R.KNOLL

ITALIEN (Piemont) - Wermut (oder Vermouth) ist kein Getränk gegen Schwermut, sondern soll vor allem vielen Cocktails den letzten Pfiff geben und kann auch zur Verfeinerung von Speisen genutzt werden. Carpano, Cinzano, Martini (auch Bezeichnung für einen Cocktail, den James Bond – „geschüttelt, nicht gerührt“ – bevorzugt), Stock sind bekannte Marken. Antonio Benedetto Carpano aus Turin gilt als der Erfinder dieses aromatischen Getränks mit 15 bis 18 „Volt“ Alkohol. Damals, 1786, war Wein noch kein sehr stabiles Produkt. Es kam häufig vor, dass er oxidierte oder auf andere Art verdarb. Entsorgen kam in jenen Zeiten nicht in Frage. Also wurde er aromatisiert und aufgespritet und damit wieder verkehrsfähig gemacht.

 

Um 1800 war Vermouth ein Mode-Getränk am Turiner Königshof und blieb auch lange international im Trend. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam er etwas aus der Mode. So allmählich findet er allerdings wieder das Interesse mancher Genießer, die auch honorieren, dass hier nicht nur Wein, Kräuterauszüge und Alkohol gemischt werden, sondern ein langwieriger Herstellungsprozess notwendig ist, um ein feines Getränk zu bekommen.

Eine wichtige Basis ist natürlich das Wermutkraut (Artemisia absinthium), das durch bittere Stoffe den Geschmack deutlich prägen kann. Es war schon um 1600 v. Chr. bei den Ägyptern bekannt. Die Franzosen pflegen heutzutage die trockene Version, während die Italiener als Erfinder es lieber süß mögen und deshalb ihrem Vermouth Zucker zufügen – und bei der roten Variante noch Karamel. Jeder Erzeuger hat ansonsten bei den Würzmischungen eigene Rezepturen. Melisse, Salbei, Enzian, Sandelholz, Zimt, Veilchen, Rosen, Gewürznelken, Zitronenschale, Basilikum, Kamille, Chinin, Rhabarber, Bitterorangenschale, Pfefferkraut, Tee und Majoran sind unter anderem mit im Spiel.

Ein italienischer Erzeuger trägt neuerdings dazu bei, dass Vermouth einen höheren Stellenwert bekommt. Das Haus Contratto im Piemont, gegründet 1867 und eigentlich bekannt für exzellente Schaumweine, betrieb die Vermouth-Erzeugung einst als Nebenprodukt, um Weinreste verwenden zu können, die beim Degorgieren (Enthefen) des prickelnden Getränks anfielen. Später avancierte der Contratto Vermouth di Torino zu einem In-Drink im Piemont. Aber als die Nachfrage in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts deutlich nachließ, wurde die Herstellung aufgegeben. Contratto wurde in jener Zeit von der Familie Rivetti, Eigentümerin des Weingutes La Spinetta, übernommen.

Sie leitete jetzt ein Comeback in die Wege. Seit kurzem gibt es wieder Vermouth Bianco (18 % Vol., 180 gl/l Zucker), Rosso (17 % Vol., ebenfalls 180 g/l Zucker) sowie fülligen Americano Rosso mit delikater Süße (16,5 % Vol., 200 g/l Zucker) und einen zwar recht bitter anmutenden, aber zweifellos magenfreundlichen Fernet (30 % Vol., 60 g/l). Die Getränke liegen im Preis deutlich über der Konkurrenz (20,95 Euro für den Bianco, 26,34 Euro für den Fernet), aber sie sind auch sehr gut in der Qualität.

Basis sind korrekte Basisweine aus der im Piemont heimischen Cortèse und Rezepte aus der Vermouth-Gründerzeit im 19. Jahrhundert, hochwertiger italienischer Weinbrand, natürliche Kräuterextrakte und keine industriellen Vorfertigungen wie beim billigen Vermouth, dazu aufwändige Produktionsmethoden. Die Flaschen bekamen hübsche Nostalgie-Etiketten verpasst, die auf die Tradition des Produkts aufmerksam machen. Den Inhalt trinkt man kühl, am besten pur oder mit einem Hauch Zitrone. Natürlich sind sie auch geeignet für diverse Cocktails.