Winzer-Monument: Wein statt Stein

29.08.2013 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Sarragachies) - Schlösser, Burgen, Kathedralen - bei einem historischen Monument denken die meisten zuerst an alte und schützenswerte Bauwerke. Im Land der "Feinschmecker" aber steht ein höchst lebendiges Kulturerbe auf der Schutzliste: ein alter Weinberg am Rande der Pyrenäen im Südwesten des Landes.

 

Für das Anbaugebiet Saint-Mont, in dem der Weinberg liegt, ist das eine Ehre - zugleich aber Anlass für einiges Kopfzerbrechen. Denn während die Aufnahme in die Monumenten-Liste Touristen anlockt, wäre ein unkontrollierter Ansturm an Besuchern Gift für das Winzer-Juwel.

600 Rebstöcke zählt der kleine Weinberg in der Gemeinde Sarragachies, der dreieinhalb Mal in ein Fußballfeld passen würde. "Schon die Großmutter meiner Großmutter hat ihn als etwas Altes kennengelernt", sagt der 87-jährige René Pedebernade, dessen Familie den Weinberg seit Generationen bewirtschaftet, mit einem Schmunzeln.

Tatsächlich sind die Rebstöcke zwischen 150 und 200 Jahre alt. Sie überstanden auch die Reblaus, die Ende des 19. Jahrhunderts große Teile der französischen Weinanbaugebiete zerstörte - in dem sandigen Boden der Region konnten sich die Insekten nicht ausbreiten.

Wegen seines Alters hat der Weinberg auch einen unglaublichen Sortenreichtum: 21 nur in der Region vorkommende Rebsorten finden sich in Sarragachies, davon sieben, die zuvor unbekannt waren. "Hier ist ein Stück Weingeschichte erstarrt", sagt der Weinspezialist Olivier Yobregat. Ein eigener Wein lässt sich auf dem Hügel nicht produzieren, dazu sind die Rebsorten zu unterschiedlich. Die Ernte der Parzelle geht an die örtliche Winzergenossenschaft.

Während Weinexperten den Berg schon seit Jahren immer wieder besuchen, hat er mit der Aufnahme in die Liste mit Frankreichs historischen Monumenten im Juni 2012 noch einmal deutlich an Bekanntheit gewonnen. "Mir schreiben Leute, damit ich ihnen Reben von diesen Weinstöcken schicke und sie diese bei sich einpflanzen können", sagt Jean-Pascal Pedebernade, der von seinem Vater René die Leitung des Betriebs übernommen hat. Das sei aber "natürlich nicht vorstellbar".

Neben Winzern und Experten kommen auch immer mehr Neugierige vorbei, seitdem der Berg sich mit der Plakette "Historisches Monument" schmücken kann. Eine Touristenattraktion soll der Weinberg aber nicht werden, höchstens zwei bis drei Gruppen sollen pro Monat Zutritt bekommen.

Denn wenn ein Tourist eine Weinrebe abbricht, "dann ist das, wie wenn jemand einen Stein aus einer Kirche wegnimmt", mahnt Éric Fitan, Vorsitzender der Winzervereinigung von Saint-Mont. Und jeder weiß hier, dass das pflanzliche Monument viel zerbrechlicher ist als eines aus Stein.

Dominique Paillarse segnete die Aufnahme des Weinberges vor einem Jahr als zuständiger regionaler Behördenvertreter nur nach "langem Zögern" ab, wie er heute sagt. Es sei nach wie vor unklar, wie ein solches lebendes Monument unterhalten werde, beklagt der heutige Ruheständler, "was man macht und was nicht". Auf entsprechende Regeln müssen sich nun der Staat und der Besitzer des Weinbergs, die Familie Pedebernade, einigen.

Der Präsident des Départements Gers etwa will an der durch die Gegend führenden Autobahn A65 ein großes Hinweisschild für den Weinberg anbringen. Die Winzer von Saint-Mont aber sind gegen eine allzu sichtbare Ausschilderung. Sie befürchten, damit nicht nur verantwortungsvolle Touristen anzulocken, sondern auch ungebetene Gäste, die im Weinberg Verwüstungen anrichten könnten.