Besuch in Pfälzisch-Sibirien

13.03.2014 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Stetten) - Auf diesem Fleck Erde treffen drei Weinregionen zusammen. Stetten vor dem Donnersberg, ein kleiner Ort mit rund 620 Einwohnern (die auf Handy-Empfang verzichten müssen), gehört zur Verbandsgemeinde Kirchheimbolanden und ist weinrechtlich dem Anbaugebiet Pfalz und hier wiederum dem Zellertal zugeordnet. Aber Rheinhessen ist ebenso in unmittelbarer Nachbarschaft wie das zur Nahe-Region gehörende Alsenztal. Weinberge gibt es schon lange auf Stettener Gemarkungen, obwohl sie in der sonstigen Pfalz kaum zur Kenntnis genommen werden. Aber neuerdings hat hier ein ganz spezielles Weingut seinen Sitz, das Gastgeber der Weinfeder im Dezember war.

 

Boudier & Koeller, schon mal gehört? Wenn nicht, ist es auch für erfahrene Weinschreiber (noch) keine Schande. Denn diesen Betrieb gibt es erst einige Jahre. Die beiden Eigentümer Robert Boudier (67) und Elmar Koeller (48) haben medizinische Wurzeln, sind Lebensgefährten mit zwei Söhnen, gehen offen wie bekannte Politiker mit ihrer Homosexualität um und wollten sich eigentlich 2007 auf einer Ranch in Wyoming niederlassen. Aber dann führte sie der Zufall, bzw. eine Umleitung nach Stetten. Der Ort gefiel. Noch mehr, als sie erfuhren, dass das dortige katholische Pfarrhaus zum Verkauf stand.

Die gewisse Pikanterie des Erwerbs lässt das Paar noch im Rückblick schmunzeln. Aber inzwischen haben sie nicht nur die Ex-Heimat eines Pfarrers umgebaut, sondern einen weiteren geräumigen Hof in der Ortsmitte gegenüber. Bei meinem Besuch waren auch schon einige komfortable Hotelzimmer fertig. Weil sie nach dem Einzug etliche mehr oder weniger aufgelassene Weinberge sahen, wurde beschlossen, zunächst 350 qm Reben zu erwerben und sich autodidaktisch am Ausbau zu versuchen. Beim ersten Rebschnitt hielt einer ein Fachbuch in der Hand und kommandierte den anderen, welche Ruten zu schneiden waren. Ähnlich ging man beim Ausbau vor.

„Wir sind richtig naiv, aber mit viel Spaß an die Sache rangegangen“, erzählte der gelernte Arzt Boudier. Irgendwie schafften sie es dann sogar, trinkbaren Wein zu bekommen. Die Rebfläche wuchs mit der Freude am Weinbau. Inzwischen sind es 10,5 Hektar, die zwar noch nicht alle im Ertrag stehen. Aber weil man längst nicht mehr für den Eigenbedarf und gute Freunde produziert, bedarf es professioneller Hilfe. Zwischendrin hatte man schon mal versucht, die Abfüllung in andere Hände zu geben. „Aber da kamen nicht die Weine raus, die wir wollten, da kam ein anderer Stil rein“, musste Boudier erfahren.

Wieder spielte der Zufall eine Hauptrolle. Eines Tages klingelte ein Profi an der Tür. Jan Gross (32) hatte in sechs Jahren das einst renommierte, dann ramponierte VDP-Weingut Karl Schaefer in Bad Dürkheim als Kellermeister wieder auf Kurs gebracht. Er habe mit Verwunderung vernommen, dass es in Pfalz-Sibirien Weinbau gebe, meinte er beim Besuch neugierig. Das wolle er sich mal ansehen.

„Im 5. Januar 2013 war das“, erinnert sich Koeller ganz genau. Das Trio war sich sofort sympathisch. Und als Gross die Weinberge in Augenschein genommen hatte und sich für die Bodenstruktur begeisterte („das Riesenpotenzial ist unübersehbar, erinnert an Schweigen-Rechtenbach in der Südpfalz“), stand sein Entschluss fest: Ade Bad Dürkheim, auf nach Stetten.

Jetzt ist er nicht nur Kellermeister, sondern auch Mitgesellschafter und stolz auf das, was vom 2013er heranreift. Vorab konnte Gross schon mal einen noch trüben, aber durchaus ansprechenden Muskateller zur Verkostung anbieten. Was sonst servierte wurde, zeigte auf, dass die Herren Boudier und Koeller ihr ursprüngliches Hobby schnell in den Griff bekommen hatten. Die Weine, die sich in der Vergangenheit bei Festivitäten gut verkaufen ließen, waren zwar nicht hinreißend, aber reintönig, herzhaft, grundsolide.

Der 2012er Müller-Thurgau „Mathilde von Tuscien“ (benannt nach der Dame, die anno 1077 Herrin der Burg Canossa war, auf der Heinrich IV. wegen seines Kirchenbanns Papst Gregor VII. seine Aufwartung machte) war sogar ein richtiger Spaß-Wein, ebenso der 2012er Portugieser Goldloch. Was freilich einen Weinblogger dazu gebracht hatte, den netten, aber recht süßen Sauvignon Blanc als „besten in Deutschland“ auszurufen, bleibt dessen Geheimnis.

„Stilistisch wird sich nicht viel ändern“, versichert Gross mit Blick auf den Jahrgang 2013. „Wir können viele überholen, wenn wir alles richtig angehen.“ Wenn er die Weine so hinbekommt, wie seine Partner das an dem Abend genossene gefüllte Schweinfilet und den gebratenen Zander, dann ist schon viel erreicht. Die nächste Etappe ist dann die Bewirtschaftung von 2,5 Hektar in Kirchheimbolanden mitten in einer großen Parkanlage, die man von einem früheren Vorstand der BASF übernehmen konnte.