Der ‘Vater’ der Trauben vor der Ausrottung gerettet

29.11.2014 - arthur.wirtzfeld

SCHWEIZ (Montreux) - Eine heute seltene weiße Rebsorte – in der Weinszene mit einem Augenzwinkern ‘Cassanova’ genannt (weil von ihr eine Großzahl heute weltweit angebauter Sorten abstammt) – konnte kurz vor ihrem Aussterben von Freiwilligen aus der Schweiz mit Unterstützung eines führenden Wissenschaftlers gerettet werden.

 

Eine Studie belegt, dass der ‘Casanova’ der Vater vieler internationaler Rebsorten ist, darunter auch des Chardonnay, des Rieslings oder des Gamay. Aus französischen Quellen ist zu entnehmen, dass die Sorte ab dem 13. Jahrhundert Gouais Blanc genannt wurde, ab dem 16. Jahrhundert in der Schweiz angebaut nannte man sie dort Gwäss. Gouais Blanc oder Gwäss sind praktisch identisch mit der seit dem Hochmittelalter bekannten Sorte Heunisch, was sich wahrscheinlich aus ‘hunnisch’, ‘huntsch’ oder ‘hünsch’ ableitet.

Die Sorte ist heute global nur noch in sehr wenigen Weinbergen im Ertrag. Einer dieser Flächen befindet sich auf einer Höhenlagen von 1.100 Mieter im Schweizer Oberwallis. Hier formierte sich im Jahr 2010 ein Community-Projekt zu einer Rettungsaktion, dass von Dr. Jose Vouillamoz, einem renommierten Traubengenetiker und Co-Autor des Buches ‘Wine Grapes’, seitdem geführt wird. „Mein Freund und Winzer Josef-Marie Chanton informierte mich vor vier Jahren darüber, dass ein Weinberg bestockt mit Gwäss gerodet werden soll“, berichtet Dr. Jose Vouillamoz während eines Seminars zum Thema ‘Vergessene Trauben’ anlässlich der Digitale Wine Communications Conference im schweizerischen Montreux. „Spontan haben wir beschlossen, diese Parzelle zu kaufen und als historischen Weinberg zu betreiben. Alsdann brauchten wir noch einige Wochen bis wir 33 weitere Unterstützer gefunden hatten, die bereit waren das Projekt finanziell zu unterstützen. Bis schließlich öffentliche Mittel zur Sanierung bewilligt wurden vergingen dann noch fast drei Jahre.“

Der betreffende Weinberg namens VinEsch (nach dem gleichnamigen Ort im Tal benannt) mit einer Steigung von bis zu 70 Prozent verfügt lediglich über 0,2 Hektar. Hier findet sich nicht nur der Gwäss sondern bis zu einem Dutzend seltener Sorten im Anbau. Der Weinberg wird seit 2011 über die Wochenenden von den Freiwilligen der Community gehegt. Insbesondere wurden die Trockenmauern der 27 Terrassen ausgebessert oder erneuert. „Das Oberwallis ist der einzige Ort auf der Welt wo sich die Sorte Gwäss beziehungsweise Gouais Blanc ununterbrochen seit dem Mittelalter im Anbau befindet“, erklärt  Dr. Jose Vouillamoz. „In Frankreich wurde die Sorte in allen Regionen mehrmals verboten. Nur in einem Weinberg in der Gemeinde Marin im Haute-Savoie ist sie heute noch zu finden.“

Die Sorte Heunisch, die von den Franzosen auch als „Bauerntraube“ bezeichnet wird, liefert Weine mit knackiger Säure, allerdings sind diese wässrig mit wenig Extrakt. Weil die Sorte auch in Jahren mit Spätfrösten immer hohe Erträge lieferte, war dies trotz ihrer Empfindlichkeit für Botrytis vor allem in früheren Zeiten eine wichtige Eigenschaft. Noch bis ins 19. Jahrhundert war Heunisch in Europa die wichtigste Rebsorte und gleichzeitig ein Synonym für Qualität. Laut Genanalysen sind 76 der heute bekannten und im Ertrag stehenden Rebsorten aus ihr hervorgegangen. Der Heunisch ist somit neben dem Traminer eine der Stammsorten vieler internationaler Rebsorten.