Macht Roter Riesling in Deutschland Karriere?

12.11.2014 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Geisenheim) - Kennen Sie Roter Riesling? Ein Nein ist auch für Weinexperten keine Schande. Die Sorte ist zwar die Urform des klassischen Weißen Riesling und war einst in Deutschland durchaus weit verbreitet. Aber diese Zeiten liegen weit zurück. Die Rebe geriet weitgehend in Vergessenheit, ehe man im Rheingau und an der Hessischen Bergstraße vor einigen Jahren damit begann, sie in größerem Umfang wieder anzulegen. Jetzt wurde ihr sogar an der Hochschule Geisenheim ein Symposium gewidmet.

 

„Wenn es 30 Leute werden, können wir noch einigermaßen zufrieden sein“, unkte Professor Ulrich Steger aus Wiesbaden, Mitinitiator des weltweit wohl ersten „Roter Riesling Symposiums“ in Geisenheim. Aber als im Hörsaal auf der Universität die Türen geöffnet wurden, strömten die Interessenten nur so herein, so dass Uni-Chef Dr. Hans Reiner Schultz befürchtete, „dass unsere 200 Plätze nicht ausreichen.“

Sie reichten geraden noch, weil auch ein paar Treppengänge Platz boten. Verursacher dieses Ansturms war neben dem Slow Food-Convivium Rheingau das Institut für Rebenzüchtung an der Fachhochschule, dem es zu verdanken war, dass die früher durchaus bedeutende und oft im Mischsatz mit Riesling gepflanzte Rebe überhaupt überlebt hat. Seit 1991 wird sie in Geisenheim züchterisch bearbeitet, nachdem sie 1976 vom renommierten Rebenzüchter Dr. Helmut Becker erstmals registriert worden war und 2002 zumindest für das Land Hessen klassifiziert (offiziell zugelassen) wurde.

Inzwischen gibt es an der Bergstraße etwa ein halbes Dutzend und im Rheingau ein gutes Dutzend Erzeuger, die diese Sorte mit dunkler Beerenfarbe auf insgesamt 27 Hektar anpflanzen. Die meiste Rebfläche kann eine Bergstraßen-Kommune vorweisen, so dass Rebenveredler Helmut Antes mit Augenzwinkern über seine Heimatstadt behaupten kann: „Heppenheim ist die Welthauptstadt des Roten Riesling.“

Der Rote Riesling  reiht sich ein in eine besondere Gattung von Sorten, die Weißwein liefern, aber das „Rot“ im Namen tragen. Dazu gehören der Rote Veltliner und der Rotgipfler aus Österreich, ebenso der Rote Elbling von der Mosel. Nicht immer muss es bei klassischen weißen Sorten rot sein. In der Steiermark in Österreich wurde jetzt ein Blauer Muskateller wiederbelebt. Das deutsche Gegenstück ist der Blaue Silvaner, der sich etwas vom üblichen Grünen Silvaner unterscheidet und vor allem von einigen fränkischen Winzern geschätzt wird.

Dass der Rote Riesling die Eigenschaft zu einer neuen Karriere hat, glauben neben Ruheständler Professor Steger auch Marion Thomas-Nüssler, die Convivium-Leiterin Slow Food im Rheingau und Professor Dr. Ernst Rühl vom Institut für Rebenzüchtung in Geisenheim. Die Slow Food-Repräsentantin erkennt zwar gewisse Probleme beim Verbraucher durch den Sortennamen und den geringen Bekanntheitsgrad. Die Erwartungshaltung, dass aus der Flasche Rotwein ins Glas fließt, ist sicher bei vielen Leuten beim ersten Kennenlernen da. Doch die weinbaulichen Eigenschaften der Sorte sind gut. „Sie kann angesichts des Klimawandels Bedeutung bekommen“, glaubt Steger. „Sie ist gegenüber der Temperaturentwicklung restistenter.“ Die Haut ist dicker und weniger empfindlich gegen Sonnenbrand. Fäulnis stellt sich nach bisherigen Erfahrungen etwas später ein als beim Weißen Riesling. Die Widerstandsfähigkeit gegen Frost und diverse Krankheiten ist überdurchschnittlich gut. Die Kirschessigfliege, die in deutschen Landen für Turbulenzen sorgte, findet bislang offenbar keinen Gefallen am Roten Riesling.

Das Hauptproblem der Sorte ist derzeit, dass sie nur in Hessen (Rheingau und Hessische Bergstraße) sowie Sachsen und Saale-Unstrut zugelassen ist und es lediglich Mini-Parzellen in der Schweiz und in Österreich gibt. „50 Hektar Fläche wären ein erster wichtiger Schritt“, meint Ulrich Steger. Doch verzwickte und schwer verständliche bürokratische Hürden im Land Rheinland-Pfalz und auch in Bayern und Baden-Württemberg verhindern derzeit noch die Ausweitung der Fläche. Bedarf ist da, verriet Dr. Uwe Hofmann vom rheinland-pfälzischen Weinbauministerium. „Es gibt Anträge für rund 40 Hektar.“ Aber die Zulassung scheint ein langer Prozess zu sein… Dabei ist der Rote Riesling im Gegensatz zu den zahlreichen zulässigen Piwi (pilzwiderstandsfähige Sorten) und auch zu diversen internationalen Varietäten eine traditionelle autochthone deutsche Rebe, die das Sortiment vieler Winzer bereichern könnte. Wenn sie dürften.

Geschmacklich gibt es offenbar keine Beeinträchtigungen. Der „RR“ gilt sogar als kräftiger und geschmacksintensiver, aber in der Säure etwas moderater als der normale Riesling. An einer hellroten Variante wie beim Grauburgunder, der eine rötliche Beerenhaut hat und gelegentlich als eine Art „Weißherbst“ auf den Markt kommt, hat sich noch niemand versucht. Es wird angenommen, dass hier Gerbstoffe zu stark auf den Geschmack durchschlagen.

Bei einer Verkostung nach dem Symposium gab es die übliche Erkenntnis, die im Prinzip für die meisten Rebsorten der Welt gibt. Erzeuger, die sich anstrengen, machen gute Weine, andere mit weniger Ambitionen liefern eher Mittelmaß. Häuser wir die Rheingauer Baron Knyphausen (Erbach), die Hochschule Geisenheim selbst, Dr. Corvers-Kauter (Oestrich-Winkel), Fred Prinz (Hallgarten), Hirth-Gebhardt (Martinsthal) und der Rebenhof Orth (Hochheim) stellten durchaus überzeugende Weine vor, ebenso das G.H. von Mumm’sche Weingut, der kleine Bruder von Schloss Johannisberg mit einer eleganten feinherben Version. Für die Areale von Schloss Johannisberg selbst ist der Rote Riesling allerdings kein Thema, versichert der technische Betriebsleiter Hans Kessler.