Österreichischer Sekt mit neuer Qualitätspyramide

27.10.2014 - R.KNOLL

ÖSTERREICH (Wien) - Um hehre Worte sind die Österreicher nicht unbedingt verlegen. „Das ist der Aufbruch in eine neue Ära und ein Meilenstein für die österreichische Sektwirtschaft, der in die Weingeschichte eingehen wird“, verkündete Willi Klinger, Geschäftsführer der Österreich Wein Marketing in Wien, bei der Vorstellung einer neuen, dreistufigen Regelung für Sekt aus österreichischem Grundwein im Vorfeld des „Tages des österreichischen Sekts“. Der wird seit 2010 regelmäßig am 22. Oktober durchgeführt, weil zu diesem Zeitpunkt erfahrungsgemäß die Sekt-Saison so richtig beginnt und in den kommenden gut zwei Monaten rund 12 Millionen Flaschen geköpft werden, das sind etwa 45 Prozent des Jahreskonsums.

 

Dass Weinwerber Klinger überhaupt pro Sekt argumentieren durfte/konnte, hängt damit zusammen, dass es seit April 2013 in Österreich nach dem Vorbild der zwölf regionalen Weinkomitees offiziell ein Sektkomitee Österreich gibt, das im Zug einer Neuregelung der Beitragsstruktur der Wein Marketing in deren Aktivitäten integriert wurde. Die von der Sektbranche geleisteten Beitragszahlungen waren den Weinwerbern hochwillkommen, nachdem der Staat den Geldhahn etwas zugedreht hatte. Aber dafür müssen sie jetzt auch bei Marketingmaßnahmen dabei sein.

Dazu gehört die jetzt in der Einführungsphase stehende Qualitätspyramide für Sekt aus österreichischer Produktion. Die Basiskategorie (Stufe 1) orientiert sich an den gesetzlichen Mindestanforderungen für Schaumwein in Austria mit einer Mindestlagerzeit von neun Monaten auf der Hefe. Auch die Methode Charmat (Großraumgärung) und das Transvasierverfahren (Flaschengärung mit Enthefung im Tank) sind hier erlaubt. Nach Einschätzung von Herbert Jagersberger aus dem Haus Schlumberger, dem Vorsitzenden des Österreichischen Sektkomitees, entfallen rund 80 Prozent der Produktion auf diese Kategorie. Für Stufe 2 sind ausschließlich Sekte zugelassen, die nach der klassischen Methode a’la Champagne hergestellt werden, aus Trauben oder Grundwein nur aus einem Bundesland. Die Mindestlagerzeit auf der Hefe beträgt hier 18 Monate. Die Saftausbeute soll 60 Prozent nicht übersteigen. Die Geschmacksrichtung ist auf brut nature bis brut begrenzt.

Für die Pyramidenspitze (allenfalls 5 Prozent der Produktion) ist ein Hefelager von mindestens 30 Monaten Voraussetzung. Die Trauben sollen aus einem abgegrenzten Gebiet (Gemeinde) stammen, die Angabe einer Lage ist zugelassen. Aus den Trauben darf nicht mehr als 50 Prozent Saft gewonnen werden – das ist weniger, als die Champagne erlaubt. Erst nach frühestens drei Jahren sollen diese Sekte in den Verkauf kommen.  Namen für die drei Kategorien werden noch gesucht. Bis spätestens zum Sommer 2015 will man sie finden.

Mit dem Begriff „Winzersekt“ darf man sich auf jeden Fall nicht spielen, der ist Deutschland vorbehalten und wurde vor einigen Jahren auch nicht für Österreich freigegeben, als Austria den alten, nicht unbedingt vorteilhaften Begriff „Hauersekt“ aufgeben wollte. Die Retourkutsche kam damals prompt: die Österreicher versagten der deutschen Weinbranche die Verwendung der für sie reservierte Bezeichnung „Reserve“ – weshalb es in Deutschland seitdem die französische Version „Réserve“ gibt...

Viel Einfluss auf die strengen Regeln der Kategorien zwei und drei haben Leute wie Karl Steininger aus Langenlois genommen, der innerhalb des Sektkomitees die Winzer vertritt, die sich auch mit Sekt aus ihren Grundweinen befassen. Zu dieser Gruppe gehören beispielsweise die Weingüter Bründlmayer, Jurtschitsch, Malat, Reiterer, Stift Klosterneuburg, Harkamp und die Weinkellerei Lenz Moser. Daneben gibt es noch kleinere Sektkellereien wie den Weinviertler Christian Madl und einen bedeutenden „Zwitter“, die burgenländische Sektkellerei Szigeti aus Gols, die selbst reichlich erstklassigen Sekt unter dem eigenen Namen erzeugt, aber auch für viele Winzer versektet. Sie alle vollzogen einen Schulterschluss mit den bekannten Produzenten-Namen Schlumberger, Kattus, Hochriegl und Goldeck.

Der Sektmarkt ist in Österreich gänzlich anders strukturiert als in Deutschland, wo einige große Häuser wie Rotkäppchen, Henkell und Faber mit ihren diversen Marken den Ton angeben und Winzersekt zwar weit verbreitet, aber im Vergleich mengenmäßig ohne Bedeutung ist. In Österreich gibt es keine exakten Zahlen über den Verbrauch von prickelndem Wein. Benedikt Zacherl, Geschäftsführer des Sektkomitees, schätzt ihn auf rund 40 Mio. Flaschen inklusive Prosecco und Champagner (1,5 bis 1,8 Mio. Flaschen). In dieser Zahl ist auch reichlich Sekt aus österreichischen Grundweinen enthalten, der im Sektkomitee nicht gelitten ist. Denn das Haus Henkell bedient sich traditionell in größerem Stil mit Weinvierteler Weinen, versektet in Wiesbaden (früher in Wien) und führt auch so viel davon zurück nach Austria, um sich hier mit der eigenen Marke Kupferberg um die Marktführerschaft zu streiten, auf einer Preislage, die Schlumberger und Co. kaum gefällt (aktuell 4,99 bei Interspar).

Sei’s drum. Wenigstens muss die nicht sonderlich beliebte Konkurrenz für original österreichischen Sekt ebenfalls die seit 1. März 2014 wieder eine (vor rund zehn Jahren aus vorwiegend bürokratischen Grünen abgeschaffte) Sektsteuer in Höhe von 75 Cent/Flasche abführen. Befürchtet wird durch die Verteuerung im Verkaufspreis ein Ende der Aufbruchstimung in Sachen Sekt. Herbert Jagersberger spricht von einer Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten der weniger Druck enthaltenden Prosecco und einem „unverständlichen, widersinnigen Gegenwind von politischer Seite.“ Intern soll angeblich die Einführung einer Weinsteuer in der politischen Diskussion gewesen sein. Auf sie wurde schließlich verzichtet, die regierenden Parteien konzentrierten sich auf die wohl weniger widerstandsfähige Sektbranche.