Badischer Ruländer 2008 nach alter Väter Sitte

19.09.2015 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Oberrotweil) - Reife deutsche Weine sind nicht unbedingt der letzte Schrei. Viele Konsumenten gieren jetzt schon wieder förmlich nach dem Jahrgang 2015 und sind glücklich, wenn sie vor einigen Monaten als ausländische Vorboten die ersten Weine des neuen Jahrgang aus Südafrika oder Neuseeland verkosten konnten. Aber es gibt im Weinbau trotzdem einen zarten Trend zu mehr Zurückhaltung. 

 

So hat das VDP-Gut Juliusspital in Würzburg verkündet, dass die Großen Gewächse des Jahrgangs 2014 von Silvaner, Riesling und Weißburgunder nicht schon im Herbst 2015, sondern ein Jahr später in den Verkauf kommen. Andere zögern den Verkauf solcher hochwertigen Weine zumindest um ein paar Monate hinaus. Das Weingut Wegeler (Rheingau, Mosel) offeriert im Rahmen seiner „Vintage Collection“ immer wieder reife Gewächse sogar aus den neunziger Jahren zu bezahlbaren Preisen. Besonders extrem ist freilich eine Aktivität des Weingutes Freiherr von Gleichenstein im badischen Oberrotweil, das jetzt erst mit einem Ruländer des Jahrgangs 2008 auf den Markt kam. Die lange Lagerzeit ist ein beachtenswerter Punkt, noch mehr aber die Vinifikation nach über hundertjährigen Kriterien.

Kellermeister Odin Bauer, der seit 16 Jahren für die gute Qualität der Gleichenstein-Gewächse verantwortlich ist, blätterte vor acht Jahren eher zufällig in einem Buch über Weinbautechnik aus dem Nachlass seines Großvaters und registrierte, mit wie wenig Aufwand, aber viel Geduld um die Jahrhundertwende Wein vinifiziert wurde. Er sprach mit seinem Chef Johannes von Gleichenstein darüber. Der Weinbaron hatte zur alten Zeit eine besondere Beziehung: 1907 gründete sein Großvater Alfred Freiherr von Gleichenstein mit dem „Naturweinbauverein für den südwestlichen Kaiserstuhl“ einen der Vorläufer des Verbandes der Prädikatsweingüter (VDP). Bauer rannte bei Gleichenstein mit seiner Idee, Wein nach alter Väter Sitte zu probieren, eine offene Tür ein. 

Im Jahr 2008 meldete Außenbetriebsleiter Franz Galli optimales Traubengut für eine geplante 1000-Liter-Sonderedition. Unter neuzeitlichem Ruländer versteht man in Baden einen Wein mit Restsüsse und meist etwas Botrytis; häufig sind die Weine im edelsüßen Bereich angesiedelt. Das Gegenstück wird Grauburgunder genannt und trocken ausgebaut. Für den 2008er Ruländer wurde indes nur gesundes Traubengut auserwählt, der nicht angereicherte Saft spontan voll vergoren (Reinzuchthefen waren zu Großvater Bauers Zeiten noch nicht bekannt) und dann im alten Stückfass ausgebaut. Vier Jahre lang lag der Wein in diesen Behältnissen. Einmal im Jahr führte Odin Bauer einen schonenden Abstich durch. Dann wurde ohne Schönung und Filtration abgefüllt. 

Knapp drei Jahre Reifung in der Flasche schlossen sich an. Nach Gleichensteins und Bauers Einschätzung präsentiert sich der Wein jetzt so, wie man sich einen großen Kaiserstühler Weißwein vor über hundert Jahren vorstellen konnte: „Aromatisch und cremig.“ Er ist goldfarben, duftet nach Nüssen und Mandeln, ist sehr gehaltvoll, aber nicht zu schwer (13 % Vol. Alkohol) und sehr elegant und vielschichtig. In einer Presseinfo wird Bauer mit dem Hinweis auf die modischen „Orange-Weine“ zitiert. Aber die sind oft trüb, extrem oxidiert und nicht selten erschreckend in der Qualität. Da ist der Kaiserstühler Ruländer im Vergleich wohltuend normal. Und qualitativ wirklich bedeutend. Deklariert wird er, weil nicht dem üblichen Geschmacksbild entsprechend, als „Wein aus Deutschland“ mit dem Untertitel „Badischer Landwein“. Da sei so mit der Weinkontrolle abgesprochen, versichert Johannes von Gleichenstein. Er spricht von „viel Arbeit und Enthusiasmus, die im Wein stecken“. 1100 Flaschen mit historischer Ausstattung wurden abgefüllt, die Einzelflasche kostet angemessene 35 Euro.