Bestimmt die Hefe das Terroir? - (Teil-2)

13.10.2015 - arthur.wirtzfeld

AUSTRALIEN (Adelaide) - Dass wilde Hefen durch genetische Unterschiede - auch auf kleinstem Raum - ein diverses Terroir abbilden können, wurde durch die australischen Wissenschaftler nun bewiesen. Und dass mit Reinzuchthefen eine so gut wie sichere Weinbereitung möglich ist, haben wir in Teil-I "Wie viel Hefe steckt im Terroir?" erwähnt. Die Verwendung von Reinzuchthefen ist aber nur die eine Seite der Medaille. Es gibt längst einen gegensätzlichen Ansatz, vor allem angewandt in der Alten Weinwelt. Gemeint sind die 'Spontis', die sogenannten Spontanvergärer, die rein auf natürliche Hefekulturen setzen.

 

Noch bis in die 1970er Jahre war beispielsweise in Deutschland die Spontanvergärung die vorherrschende und normale Form der Weinbereitung. Die dazu benötigten 'wilden' Hefen (auch Umgebungshefen genannt) fanden und finden sich immer noch in den Weinbergen, in den alten Kellern und die 'Wilden' sind keine Monogamisten, sondern in ihrem jeweiligen Habitus leben verschiedene Hefestämme untereinander und miteinander. Auf diese natürlichen Hefen setzen heute viele Winzer auch über alle deutschen Anbaugebiete hinweg, und ihre Zahl wächst. Wie in Deutschland schwören längst die Winzer in Bordeaux, Burgund, wie auch in Teilen anderer europäischer Weinnationen auf ihr unverwechselbares Terroir des jeweiligen Standorts, weil unverfälscht von gezüchteten Laborhefen. 

Vergleicht man im Labor gezüchtete Hefen mit den natürlichen Hefen, so scheint die letztere Art einen vermeintlichen Nachteil zu haben. Natürliche Hefen u.a. auf den Beerenhäuten müssen mit Luft, Trockenheit, Nässe und immer wechselnden Temperaturen umgehen. Reinzuchthefen 'kuscheln' sich dagegen im Labor bei immer gleichen Bedingungen. Ein geschätzter Vorteil der Weingärung mit Reinzuchthefen ist die Gewährleistung, durchgegorene, vermeintlich reintönige und sortentypische Weine zu erhalten. Nachteile können uniforme Weine sein.

Natürliche Hefen sind dagegen weit widerstandsfähiger, sie sind vielfältiger ob ihrer Leistungsfähigkeit, sich gegenüber anderen Mikroorganismen durchzusetzen, was ihr Vorkommen in den Rebanlagen und später im Most erhöht. So gestärkt und im Traubenmost vorhanden, können sich die wilden Hefen vorerst durchsetzen. Ihr Vorteil ist die Bildung weit höherer Konzentration an Geschmacks- und Geruchsstoffen, als es Reinzuchthefen vermögen. Sie haben allerdings eine entscheidende Schwäche. Sie sind empfindlich gegen Alkohol, weit mehr als es Reinzuchthefen sind. Beim Erreichen des Bereiches zwischen sechs und acht Volumenprozent an Alkohol ist die wilde Hefe meist am Ende - aber nicht wirklich, denn im weiteren Verlauf übernimmt der Hefestamm „Saccharomyces cerevisiae“ das Zepter und führt die Gärung zu Ende.

Auf die sichere Herstellung mit Reinzuchthefen gänzlich zu verzichten und stattdessen spontan vergorene Weine herzustellen ist stets mit einem hohen Risiko behaftet. Es bleibt letztlich eine Frage der Philosophie eines Winzers. Ein 'Sponti" muss daher auch risikofreudig sein. Gelingt ihm die Spontanvergärung ist das Ergebnis vielschichtig, weit vielschichtiger als es mit Reinzuchthefen möglich ist. Spontan vergorene Weine sind saftig, cremig und lang im Abgang. Ihre Dichte und Harmonie ist bemerkenswert. Ein moderater Alkoholgehalt geht einher mit weit mehr Intensität im Geschmack und im Duft. Außerdem spiegeln spontan vergorene Weine exakt und unverblümt den Jahrgang und ihre Herkunft wieder. Dass sie außerdem noch besser reifen und langlebiger sind, ist für Weinliebhaber ein weiterer unschätzbarer Vorteil. Aber nicht immer wird der Spontanvergärer durch das Ergebnis im Keller belohnt, dass ist auch der Industrie bekannt und bietet längst wilde Hefen, besser gesagt 'gezähmte' wilde Hefen, in handelsüblichen Gebinden an.

Vor- wie Nachteile von Labor- und wilden Hefen, Terroir- oder uniforme Weine hin oder her - die Weinwelt bleibt zweigeteilt. Aber egal wie man es betrachtet, natürliche, wie auch Laborhefen, bestimmen den Duft und den Geschmack eines Weines. Punkt. Es bleibt ein Fazit pro wilde Hefen: Natürliche Hefen zu verstehen und ausschließlich ihre individuelle Leistung gepaart mit den natürlichen Gegebenheiten in die Flasche zu bringen, ist letztlich Sache des Winzers, sofern er einen 'echten' Terroirwein haben will. Und das ist nun wissenschaftlich bewiesen.