Comeback der "Grünen Fee" hundert Jahre nach ihrem Verbot

17.03.2015 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Pontarlier) - Jahrzehntelang war Absinth wegen seiner angeblich Halluzinationen hervorrufenden Wirkung verpönt, in Frankreich wurde der als "Grüne Fee" bezeichnete Kräuterschnaps vor hundert Jahren sogar als Droge verboten. Doch Ende der 80er Jahre hob die französische Regierung das Destillationsverbot vom 16. März 1915 auf, und seit Mai 2011 darf die Spirituose wieder unter ihrem legendären Namen "absinthe" verkauft werden.

 

Seither erlebt das skandalumwitterte Getränk, das Schriftsteller wie Ernest Hemingway und Edgar Allan Poe sowie Maler wie Paul Gauguin oder Henri de Toulouse-Lautrec zu kühnen Werken und wohl auch manchen Exzessen inspiriert haben soll, ein fulminantes Comeback.

Nach Angaben des französischen Verbandes der Spirituosen-Hersteller produzieren derzeit in Frankreich ein gutes Dutzend Brennereien jährlich rund 800.000 Liter des grünlichen Getränks, das mit Wermutspflanzen, Anis, Fenchel und anderen Kräutern destilliert wird und einen Alkoholgehalt zwischen 45 und 72 Volumenprozent hat.

"Es geht langsam voran, aber es geht voran", bestätigt François Guy, der 1983 die Absinth-Brennerei seiner Eltern im ostfranzösischen Pontarlier übernommen hat. Seine Produktionsmenge ist von 7200 Litern im Jahr 2001 auf 30.000 Liter im vergangenen Jahr gestiegen. Und der Franzose hofft, in einigen Jahren die Schwelle von jährlich 100.000 Litern zu erreichen.

Guy kämpfte jahrelang für die Rehabilitierung des grünlichen Getränks, als dessen Heimat das nahe der Schweizer Grenze liegende Pontarlier gilt: Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in dem Städtchen 23 Destillerien mit rund 3000 Beschäftigten, die jährlich über zehn Millionen Liter Absinth in die ganze Welt exportierten.

An eine solche Produktionsmenge ist heute freilich nicht mehr zu denken. Denn das Misstrauen gegenüber der "Grünen Fee" ist noch lebendig. Schließlich ist ihre wichtigste Komponente das in hoher Konzentration gefährliche Nervengift Thujon. In vielen Köpfen habe sich der Ruf von Absinth als einem Getränk festgesetzt, das Leute verrückt macht, erläutert Fabrice Herard, der jedes Jahr in Pontarlier die Absinth-Tage "Absinthiades" organisiert. Der "Grünen Fee" hänge noch immer eine "mysteriöse Aura" an.

Schließlich ranken sich um die "Grüne Fee" zahlreiche Anekdoten. Maler wie Edouard Manet ("Der Absinthtrinker") oder Pablo Picasso ("Glas mit Absinth") huldigten ihr. Der Dichter Charles Baudelaire soll sich im Absinthrausch die Haare grün gefärbt, der Maler Vincent van Gogh ein Ohr abgeschnitten haben.

Solche Exzesse seien heute aber kaum noch zu befürchten, versichern die Hersteller. Denn die Thujon-Konzentration sei bereits mit der EU-Aroma-Richtlinie von 1991 auf maximal 35 Milligramm pro Liter beschränkt worden - das ist weniger als ein Fünftel der vor dem Verbot üblichen Menge.

Gerade seinem Ruf als Bohème-Getränk, das zahlreiche Künstler inspirierte, verdankt der Absinth aber möglicherweise sein Comeback in der Trendsetter-Szene. Viele Touristen, vor allem Amerikaner, Kanadier und sogar Brasilianer kämen eigens in seine Bar, um das skandalumwitterte Getränk zu kosten, versichert Mickey, der Eigentümer der Pariser Szenekneipe "Cantada II". Gerade das einstige Tabu "fasziniert Leute aus allen gesellschaftlichen Schichten", meint auch Martial Philippi, der in Berlin die Kneipe "Absinth Depot" betreibt.

Der Spirituosenhändler Markus Lion aus dem südbadischen Eschbach kann dies nur bestätigen. Seit er 2001 den "Absinthvertrieb Lion" gründete, ging sein Umsatz mit der "Grünen Fee" kontinuierlich in die Höhe. Heute liefert der Händler jährlich "mehrere zehntausend" Flaschen Absinth aus der Schweiz und Frankreich an trendige Bars in deutschen Großstädten, wo der hochprozentige Wermutstropfen - den Kenner mit Zucker versüßen - inzwischen zum festen Angebot gehört. Und obwohl der Spaß nicht billig ist - eine Flasche echten Absinths aus Pontarlier kostet gut 50 Euro - gehe der Trend "deutlich nach oben", versichert Lion.