Der Pfälzer Edwin Schrank hütet 3000 verschiedene Rebsorten

10.11.2015 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Dackenheim) - Die Aufforderung beim Spaziergang durch die gepflegten Rebzeilen kam fast im Sekundentakt. Immer wieder griff sich Edwin Schrank ein paar offenkundig kerngesunde Beeren und verlangte: „Probieren!“ Es waren stets unterschiedliche Sorten, die der gelernte Winzer- und Gärtnermeister im Rohzustand vom Stock verkosten ließ. Manche Sorten haben Namen, andere nur eine Klon-Bezeichnung. Von jeder Sorte gibt es meist nur ein bis fünf Pflanzen, in einigen aussichtsreichen Fällen wurden mehr Reben gepflanzt, damit auch Wein davon ausgebaut werden kann. 

 

Die Frage liegt nahe, wie viel verschiedene Sorten der Mann aus dem pfälzischen Dackenheim auf seinen insgesamt rund zwei Hektar Versuchsanlagen stehen hat: „Rund 3000“, rechnet er vor. In Worten: dreitausend. Das meiste sind eigenständige Züchtungen und Kreuzungen, die der Rebveredler vielfach nach der „Methode Gerhard Strecker“ hochgezogen hat. Das ist der Seniorchef des Weingutes Amalienhof in Heilbronn, der bekannt wurde durch seinen Wildmuskat, eine Sorte, die aus Rebkernen entstand. Es handelte sich um eine Selektion unter mehr als 200 Stöcken, die Strecker durch Aufpfropfen auf amerikanische Unterlagen vermehrte. Zunächst wurde sie als Muskat-Lemberger registriert, weil Strecker bei der Aussaat auf seinen Fluren von Beilstein vor allem mit Lemberger-Kernen arbeitete. Die Weine entwickelten indes einen deutlichen Muskatduft, deshalb der Hinweis auf Muskat im Namen. Um Verwechslungen zu vermeiden, erfolgte 2003 die Namensänderung. Bei einer molekularbiologischen Untersuchung im Geilweilerhof in Siebeldingen wurde indes mittlerweile festgestellt, dass Sulmer (eine bedeutungslos gebliebene Kreuzung von Lemberger mit Schwarzriesling) und eine muskatartige Tafeltraube namens 'Noir Hatif de Marseille' Eltern sind. Das ist noch nicht allgemein bekannt. Wer z.B. bei Wikipedia „Wildmuskat“ eingibt, bekommt immer noch die alte Version serviert.

Schrank ist von Streckers Methode fasziniert. Er ist zwar ein klassischer Rebveredler und verdient seit 30 Jahren damit seinen und den Lebensunterhalt von Gattin Elisabeth, die seine „Besessenheit“ (so die eigene Definition des 66-Jährigen) mit Geduld erträgt und schmunzelnd urteilt: „So kann er keinen anderen Blödsinn machen.“ Was den Mann, der 25 Jahre lang als Präsident an der Spitze des Pfälzischen Weinbauverbandes stand, an seinem Hobby unter anderem reizt, ist die Möglichkeit, unter den von Kernen entstandenen Sorten einige zu finden, die der immer noch im Boden präsenten Reblaus Paroli bieten. Solche Pflanzen  stehen nicht auf widerstandsfähigen Unterlagen. In der Regel gehen sie bald ein, weil die Laus an ihren Wurzeln knabbert. Schranks Zielsetzung: „Aus den Reben, die Resistenz erkennen lassen, können wir neue Unterlagen schaffen und damit unsere Möglichkeiten in der Rebveredlung erweitern.“

Ein bisschen hegt der heutige Ehrenpräsident des Weinbauverbandes Pfalz und Träger des Bundesverdienstkreuzes wohl auch den Traum, als Rebenzüchter in die Geschichte einzugehen, so wie ein Hermann Müller-Thurgau oder ein Georg Scheu, nach deren Namen sogar Sorten benannt wurde. Eine „Schrankrebe“ klingt aber vermutlich zu sperrig und erklärungsbedürftig. Trotzdem hat Edwin Schrank einige seiner Schöpfungen beim Bundessortenamt angemeldet. Bei den meisten unterlässt er das, „weil das einen Haufen Geld kostet und es nur Sinn macht, wenn solche Sorten später auf breiter Front kommerziell nutzbar sind.“

Einige werden im kleinen Glasballon zu Wein. So gibt es zum Beispiel einen Blauer Müller-Thurgau, der nicht wie der Rote Müller-Thurgau, den es im badischen Merdingen inzwischen im freien Anbau gibt, Ergebnis einer Mutation ist, sondern aus Beerenkernen entstand. Das Blatt ist typisch „Müller“, der Wein selbst schön gefärbt, kernig, mit festem Körper. Bei „Pinojette“ (vorläufig ein „Künstlername“), entstanden aus Spätburgunder, erkennt man ein Aroma wie beim Traminer und eine merkliche Säure. Der Cabernet pur ist tiefdunkel, hat eine merkliche Säure und sollte, wenn er mal in größerem Umfang vorhanden ist, nach Einschätzung von Schrank nur für Cuvées Verwendung finden. 

Der Rebveredler ist nicht nur bemüht, neue Sorten zu kreieren, sondern ebenso neue Klone von klassischen Sorten wie Riesling, Gewürztraminer und Muskateller. Möglichkeiten gibt es hier viele, weil – so Schrank – genau genommen kein Rebstock dem anderen gleiche. So hat er derzeit einen Riesling-Klon „in Arbeit“, der ohne besondere Winzer-Anstrengungen beim Wein durchaus die Attribute eines Großen Gewächses haben kann. Der Reben-Rekordler untermauert das mit einem Schluck vom Klon 3-56-Ergebnis. Und man kann nur bestätigend nicken.