Die zehn Gebote der Weinverkostung (Teil-2)

27.10.2015 - arthur.wirtzfeld

DEUTSCHLAND (Würzburg) - In Teil-1 haben wir die Bereiche (1) DEKORATION, (2) AURA und (3) INTENSION erläutert. Ausgehend von einer Reihe von Fauxpas wie helle Kleidung, High Heels, duftende Körper, planloses Probieren (Trinken) und auch noch auf nüchternen Magen, fehlendes Notieren, 'lila' Lächeln, ignorieren des Winzers und lautes Kommentieren, die nicht sein sollten, nehmen wir als Anlass, Ihnen zehn Gebote für eine erfolgreiche Weinverkostung anhand geben. Die Gebote, eigentlich Selbstverständlichkeiten, sollen Sie in die Lage versetzen, eine Verkostung zu Ihrem Erlebnis zu machen. Hier folgen nun die Gebote (4) bis (6):

 

(4) PERSÖNLICHE KONSTITUTION: Starten Sie Ihre Verkostungen möglichst nicht mit nüchternem Magen, ansonsten macht sich unweigerlich der Alkohol bemerkbar und Ihre Urteilskraft wird sich verringern. Mal abgesehen davon, dass Ihnen so auch das eine oder andere Erlebnis beim Verkosten verborgen bleiben kann. Nehmen Sie vorher eine leichte Malzeit zu sich. Sie können auch während der Verkostungeine eine Kleinigkeit essen - machen Sie dazu eine Pause. Während Sie verkosten, sollten Sie sich nicht mit den oftmals angebotenen Brotstückchen stärken, das verringert, wenn auch in Maßen, Ihr Empfindungsvermögen am Gaumen. Machen Sie stattdessen lieber kleine Pausen und trinken ein Schluck Wasser, was auch einer Dehydratation vorbeugt.

(5) PERSÖNLICHE VERKOSTUNGSART: Sie sollten nicht trinken, stattdessen Spucken. Jedenfalls sollten Sie nur ab und an den Wein trinken - gegen einen Abschiedsschluck, beispielsweise vom besten Wein Ihrer Verkostung nach der Verkostung genossen, ist nichts einzuwenden. Spucken hört sich zwar einfach an, aber dass muss auch gelernt werden. Probieren Sie es vorerst zu Hause, sofern Spucken Ihnen nicht geläufig ist - wir gehen in der Folge darauf ein. Und dass man Wein trinken muss, um ihn bewerten zu können, ist ein Märchen. 

Bei der Verkostung schauen Sie sich zuerst die Farbe des Weins im Glas an, riechen Sie danach ins Glas. Und bitte, ein überschwängliches Schwenken signalisiert nicht den Kenner und dazu vertreiben Sie letztlich die Aromen im Glas. Bevor Sie Schwenken, erst riechen, dann erst ein bis zweimal Schwenken, dann wieder riechen und vergleichen Sie, was Ihnen Ihre Nase sagt. Jetzt die Geschmacksprobe - schlürfen Sie dazu den Wein, indem Sie ein wenig Luft mitziehen. Mit ein wenig Luft können Sie die Probe besser am Gaumen zirkulieren lassen und die Aromatik des Weins kann sich besser entfalten. Und bitte gönnen Sie dem Wein ein wenig Entwicklungszeit, um ihren Gaumen zu kitzeln, sich um die Zunge zu verbreiten. Sie werden feststellen, dass die zuvor wahrgenommen Nuancen in der Nase sich nun in Geschmack umwandeln. Achten Sie auf Süße, Säure, Frische, Lebendigkeit und auf die Balance dieser Empfindungen. 

Zum Ausspucken finden Sie am Tisch oder im Gang Spuckbehälter. Das mag Ihnen unglamourös vorkommen, aber beobachten Sie Profis an den Verkostungstischen - sie alle spucken. Und wenn noch ein Rest im Glas ist, genieren Sie sich nicht, diesen Rest in den Spuckbehälter zu entleeren, dieses Prozedere ist Standard. Niemand verlangt von Ihnen, dass Sie die Probe im Glas vollends verkosten.

Und wenn Sie unsicher sind und sich beim Spucken nicht wie ein undressiertes Kamel anstellen wollen, dann üben Sie vorher zu Hause. Spucken Sie probeweise in ein Gefäß, dafür eignet sich auch eine Blumenvase, vielleicht erst einmal mit etwa 15 Zentimeter Durchmesser, danach mit zehn Zentimeter. Probieren Sie es auch aus unterschiedlichen Entfernungen im Sitzen wie im Stehen. Pusten Sie dabei die Flüssigkeit nicht aus, sondern versuchen Sie in einem gezielten Strahl ohne zu viel Druck von oben herab, aber konsequent die Öffnung zu treffen. Vermeiden Sie eine Tröpfchenbildung, die Ihnen am Kinn herabläuft.

Bei der Verkostung drängeln Sie sich nicht vor beim Spucken. Beobachten Sie stattdessen ihr Umfeld, ist der Spucknapf frei, dann los. Und blockieren Sie den Spuckbereich nicht mit Ihrem eloquenten Körper, die anderen Gäste wollen ja auch mal spucken. Und da gibt es noch weitere Handicaps beim Spucken. Schals, Krawatten und Schmuckketten sind dann stets im Weg, aber das wissen Sie ja bereits.

Noch ein Tipp: Solange Sie Weine gleichen Typs, also beispielsweise trockene Weißweine nacheinander probieren, müssen Sie Ihr Glas nicht jedes Mal mit Wasser ausspülen. Spülen Sie das Glas aus oder wechseln Sie das Glas generell bei Übergängen von Weiß-, Rot- und Süßweinen. Bei gewissen Qualitäten oder Weinstilen sowie bei "Rückwärtverkostungen" wechseln Profis schon mal das Glas oder "spülen" es mit dem zu probierenden Wein vorher aus. Aber das ist dann schon eher die Kür. Für nicht geübte Verkoster reicht es, die Pflicht zu beherrschen. Sofern Sie mal einen fehlerhaften Wein im Glas haben, sollten Sie unbedingt das Glas wechseln. Wenn Sie kein neues Glas bekommen können, dann schwenken Sie es besser mit einem fehlerfreien Wein aus, anstatt mit Wasser - notfalls tut es Wasser allerdings auch.

Es bleibt das Fazit: Wenn Sie beim Verkosten Spucken, sind Sie weit leistungsfähiger. Sie erleben weitaus mehr Eindrücke. Sie verbessern so Ihr Verkostungsergebnis.

(6) PERSÖNLICHE NOTIZEN: Während der Verkostung können Sie schwören, sich an den einen bestimmten Wein ihr ganzes Leben lang zu erinnern. Aber nach Dutzenden verkosteten Weinen werden Sie sich nicht mehr erinnern, jedenfalls nicht mehr an den umfassenden Eindruck, während Sie diesen Wein probiert haben und an die vielfältigen Gedanken, die Ihnen der Wein übermittelt hat. Und wenn Sie Ihre Erkundungen auf einen späteren Kauf hinführen, dann brauchen Sie nicht nur eine Erinnerung an den Geschmack, sondern das Etikett und die Flaschenform sind nicht unwichtig. Machen Sie ein Foto mit Ihrem Smartphone. Später können Sie parallel anhand Ihrer schriftlichen Notizen die Fotos zuordnen - das wäre perfekt. Und Sie wissen ja, das Smartphone gehört anschließend wieder weggesteckt.

Für Ihre eigenen Bewertungen müssen Sie keinesfalls die Systeme der Profis nutzen. Um deren Systeme anzuwenden, benötigten Sie erst Erfahrungen. Einfache Zeichen, auch in Kombinationen, tun zu Beginn ihrer Verkostungskarriere das Gleiche. Beispielsweise die Plus- und Minuszeichen eignen sich bestens für Ihre Einschätzungen. Weine, die Ihnen nicht schmecken, belassen Sie einfach ohne Kommentar oder geben Sie dem Wein ein Minuszeichen, sofern Sie den Wein kennen oder schon mal von dem Wein gehört haben und später wissen wollen, wann er Ihnen eben nicht geschmeckt hat. Und wenn Ihnen der Wein gemundet hat, dann können Sie diesen Eindruck mit einem Pluszeichen, bei besonderem Gefallen mit zwei Pluszeichen und bei hervorragendem Gefallen mit drei Pluszeichen notieren und somit einfach aber wirkungsvoll bewerten. 

Sie können auch beide Zeichen gleichzeitig verwenden. Ein Pluszeichen gefolgt von einem Minuszeichen bedeutet, dass dieser Wein nicht ganz zwei Pluszeichen wert ist, aber dennoch annähernd. Unbedingt ergänzen sollten Sie Ihre Bewertung mit Worten, die beschreiben, was Ihnen sonst noch auffällt: bezüglich der Farbe, hinsichtlich des Duftes im Glas und den Nuancen im Geschmack - und schon haben Sie eine perfekte Notiz - ganz einfach, oder? Und in Teil-3 erläutern wir Ihnen die Gebote (7) DILEMMA, (8) ANSPRACHE, (9) PRÄSENZ und (10) FREUDE.