Eine Japanerin wirbelt in der Pfalz

19.10.2015 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Deidesheim) - Alles begann damit, dass Japan in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts ziemlich viel Elektronik nach Deutschland exportierte, aber die Container auf den Schiffen sich leer auf den Rückweg machten. Weil das wirtschaftlich nicht sehr sinnvoll war, verfügte die Regierung, dass sich die Unternehmen bemühen müssen, Waren aus Deutschland zu importieren. Ein Lebensmittelhandelsunternehmen aus Osaka hatte Kontakt mit einem Elektronikkonzern und erklärte sich bereit, Wein aus Deutschland nach Japan zu holen. Jahre später sollte das dazu führen, dass eine junge Japanerin nach Deutschland „exportiert“ wurde und hier an verschiedenen Stationen tätig war und ist.

 

Fumiko Tokuoka, deren Vater einst mit dem Weingut Reichsrat von Buhl in Deidesheim angebandelt hatte, erzählt gern die Vorgeschichte, die letztlich dazu führte, dass sie Jahre später die Heimat verließ, in Deutschland heimisch wurde und seit gut zwei Jahren mit Ihrem Senior Toyohiro Tokuoka Besitzerin eines Weingutes ist, das einige Jahre vom Markt verschwunden war und das sie jetzt langsam wieder aufbauen will. 

Doch gehen wir nochmal zurück ins Jahr 1989. Das traditionsreiche Weingut Reichsrat von Buhl profitierte zwar vom Export nach Japan, stand aber wirtschaftlich wohl auf tönernen Füßen. Eigentümer war damals Enoch zu Guttenberg, dessen Sohn Karl-Theodor es später bei seiner Doktorarbeit nicht sehr genau nahm und sich von der großen politischen Bühne verabschieden musste. Der Adelige dachte vermutlich sogar über eine Schließung des Weingutes nach. Aber das wäre für Toyohiro Tokuoka ein Schlag ins Kontor gewesen. Die Buhl-Weine waren durch sein Unternehmen in Japan gut eingeführt; er hätte sich neu orientieren müssen. Also entschloss er sich, gemeinsam mit Partnern den Betrieb zu pachten. Die Laufzeit betrug 24 Jahre.

In dieser Zeit konsolidierte sich das Weingut wieder einigermaßen, schöpfte aber doch seine Möglichkeiten nicht optimal aus. Fumiko kam 1996 nach Deutschland, um den Vater zu unterstützen und gleichzeitig, um fit im Thema Wein zu werden. Sie studierte auf der Uni Geisenheim, kehrte dann kurzzeitig nach Japan zurück, um in einem Bierkonzern dessen Sparte Wein zu betreuen und war anschließend, wieder in Deutschland, zehn Jahre in Geisenheim im Bereich Forschung angestellt. Außerdem hatte sie einen Winzer im Rheingau geheiratet. Im Weingut von Helmut Ottes in Lorch praktizierte sie im Gutsausschank japanische Küche und zeigte dabei viel gastronomisches Talent. Eine Tochter (heute 12 Jahre alt) und ein Sohn (8) wurden geboren, aber die Ehe scheiterte dennoch vor einigen Jahren. 

Zwischenzeitlich im Jahr 2005 erfuhren Vater und Tochter Tokuoka, dass das Weingut in der Pfalz trotz laufender Pacht verkauft worden war, und zwar an den Unternehmer Achim Niederberger, der 2002 bereits Bassermann-Jordan in Deidesheim übernommen hatte. Buhl passte in sein „Beute-Schema“ genauso wie das Weingut Dr. Deinhard, das er 2007 kaufte. Denn diese drei Betriebe waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Besitz, der dann durch die „Jordan’sche Teilung“ 1849 wegen dreier Erben aufgesplittet wurde. 

Ein Kauf von Buhl stand für die Pächter laut Fumiko Tokuoka nie zur Debatte. Aber da der Pachtvertrag 2013 auslief und der Senior und seine Tochter nicht ganz von der Pfalz lassen wollten, gab es zunächst den Plan, mit deutschen Partnern eine Sektmanufaktur aufzubauen, mit der Basis Grundweine von Buhl. Derweil liefen beim Käufer Niederberger die Vorbereitungen für den Vollzog der Übernahme im Herbst 2013. Er stellte mit dem Journalisten Richard Grosche einen neuen Geschäftsführer ein und holte sich mit Matthieu Kauffmann einen Profi für den Keller, der vorher für Bollinger-Champagne verantwortlich war. Kauffmann setzte von Anfang an vorwiegend auf durchgegorene Weine, der Stil bei Buhl änderte sich vorteilhaft schon mit dem Jahrgang 2013. Achim Niederberger erlebte das nicht mehr; er verstarb im Juli 2013 und übergab vorher sein Unternehmen mit Verlag, Druckerei und drei Weingütern an seine Frau Jana Niederberger.

Die Tokuokas konnten Tanks, Rohsekt und Wein aus dem Buhl-Keller mitnehmen. Aber der Plan mit der Sektmanufaktur ging nicht auf. Zwar konnte man ein stattliches Gebäude, das früher einer Genossenschaft gehört hatte, übernehmen. Aber der Platz reichte nicht aus. Ergo ging Fumiko auf Suche und wurde schnell in der unmittelbaren Nachbarschaft fündig. Sie konnte den Keller des früher namhaften Weingutes Biffar erwerben, das mit dem Jahrgang 2010 den Betrieb eingestellt hatte. Doch der Name „Josef Biffar“ war eingeführt, so dass ihn die tatkräftige 43-Jährige gern übernahm. Freilich hatte die Familie Biffar sämtliche Reben verkauft, so dass erst mal neu gekauft und gepachtet werden musste. Inzwischen hat Fumiko Tokuoka wieder Zugriff auf 7,5 Hektar in zum Teil sehr guten Lagen wie Ungeheuer, Pechstein und Reiterpfad. Michael Leibrecht, vormals im Buhl-Keller tätig, baut für sie und mit ihr die Weine aus. 

Das Duo kann sich dabei Zeit lassen. Während im Reichsrat-Keller oft schon früh gefüllt werden musste, um der Nachfrage zu entsprechen („das war uns eigentlich zuwider“, erinnert sich Fumiko), gibt es hier keinen Druck vom Markt. Derzeit wird noch der Jahrgang 2013 verkauft, ebenso gut gereifter Sekt zurück bis zum Jahrgang 2006. Der Jahrgang 2014 lag im Oktober 2015 größtenteils in Tanks und offenbarte bei Proben vor Ort ein gutes Niveau. Der 2015er konnte problemlos untergebracht werden. Für die aktuelle Rebfläche ist der Keller deutlich überdimensioniert. Japan ist weiterhin ein Abnehmer, die Lebensmittelkette von Vater Tokuoka (72) in Osaka kann nach wie vor Pfälzer Wein brauchen. Ansonsten ist die noch frisch gebackene Gutschefin und alleinerziehende Mutter bemüht, neue Kundschaft zu finden. Und damit der Betrieb wirtschaftlich besser dasteht, wurde ein japanisches Restaurant (FUMI) ins Gebäude „Im Katharinenbild“ integriert. Hier kombiniert Fumiko typische japanische Küche mit Pfälzer Weinen und Sekt.