Es ist alles eine Frage der "Etikette" – Teil-I

27.04.2015 - arthur.wirtzfeld

DEUTSCHLAND (Düsseldorf) - Wein wird  vielerorts geschmeckt – bewertet – verkostet, und über Wein wird unendlich viel geschrieben, subjektiv und objektiv. Dem möchte ich noch eins draufsetzen. Nämlich hinsichtlich der Weinnamen, deren Herkunft und was dahintersteckt, sozusagen, wo der Winzer den Most im Namen hat. Aufgezeichnet in einem Rundgang über die ProWein 2015. Denn bekanntlich trinkt das Auge mit und die Bezeichnungen lassen einen zuweilen innehalten. Fakt ist: Nicht wenige Weinkäufer lassen sich regelmäßig vom Etikett beeinflussen.

 

Doch erst müssen Besucher die ProWein erreichen. So entstanden schon zu Beginn meine Fahrerlebnisse zur Messe mit Eindrücken vom Düsseldorfer Hauptbahnhof via U-Bahn zur Messe. Unzählige Messebesucher sind unterwegs, in den sehr verspäteten Bahnen, wo schon frühmorgens für den Düsseldorfer Berufstätigen allzu fröhliche Sprüche außerhalb der Karnevalszeit über das persönliche Wohlbefinden im Hinblick des Tages geäußert werden. Die Enge in der Bahn lässt bei der Aussage "Heute noch keinen Schluck gefrühstückt" eine Stimmung aufkommen, annähernd zwischen Karneval im Rheinland und Borussia-Dortmund-Spiel.

"Die Eingänge bitte freimachen", ruft der Schaffner. "Hände hoch", ruft ein Italiener. "Achtung, er ist Sizilianer", warnt ein anderer mir gegenüber. Und es könnte ein früher Tanz der Reisenden werden, multikulturell in Italienisch-Spanisch-Französisch-Englisch. Endlich angekommen, stellt sich mir die Frage: Wohin des Weges zwischen den vielen Hallen? Und hier beginnt meine Erkundungsreise ins Weinland der kreativen Möglichkeiten über die  Globalisierung hinaus.

Ich starte früh mit dem "Vorspiel" (Weißwein Cuvée aus der Lage Homburger Edelfrau). Als "Verführung und der Beginn einer sinnlichen Leidenschaft" begegnet mir somit erstmals die "Edelfrau", ich lausche dieser wie einer Ouvertüre. Zum Finale animiert mich die rote "Domina", ebenfalls vom Weingut H. Martin – in diesem Jahr erstmals auf der ProWein vertreten. "Schmetterling Riesling" hingegen, ein prämierter Nahe-Qualitätswein der Weinkellerei Kloster, bringt Frühlingsstimmung in die Halle. Und der rote 2011er "Libido” trocken vom Weingut Schauß (Nahe) lässt selbstredend zeitlos Fantasien in den noch jungen Tag kreisen.

Ich gehe über den "Vorsprung" zum "Urschrei", über "Wachgeküsst" bis auf den "Kopfstand", hin zu "Zensiert Kraftwerk" mit dem Motto "Es lebe der Wein" vom Bioweingut Lorenz. Ich stehe wortberauscht am Stand, wo man mir erklärt, dass der Name Kraftwerk von der gleichnamigen deutschen Musikband schnell verboten wurde und sich die Frage stellte: Was tun, wenn die Etiketten schon gedruckt sind? Die Lösung ist so kreativ wie einfach: "Zensiert" darüberdrucken, und der Name ist Programm.

Anschließend kommen "Raben-Dusel 2012" und "Schmitt-Zantino 2014", Worte, die leicht auf der Zunge schmelzen, dabei so unbeschwert klingen – beide angeboten als Sommer-Rotwein von Jana Schmitt. Auf dem Weingut Leiing tanzen die "Prima Ballerina" (Grauer Burgunder 2013, eine selektive Handlese),  gefolgt von der "Prima Ballerina 2.OA" zur Konkurrenz von "Prinzessin Vaaleanpunainen" (Letztere eine Rosé-Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Portugieser) den Elfentanz um die Gläser. Diese lassen sich dabei nicht beeindrucken vom "War 2012" und "Attension War" mit den "Gefährten Rotwein", einer Cuvée 2012, ebenfalls handgelesen, offene Maischegärung, in der alten Korbkelter gepresst, 20 Monate Reife in Eichenfässern, kraftvoll – mal eben so sind dies Tropfen vom Weingut Leiling in Schweigen. Und plötzlich entdecke ich am Stand eine dunkle Flasche mit unendlich vielen weißen Zahlen, als Etikett das Zeichen der Primzahl – was soll das bedeuten? Logische Antwort: Der ursprüngliche Weinberg hat 3,14 Hektar, daraus ergibt sich der Name des Weines "Primzahl".

Ein Glas im "Pornfeld(er)" und "Schicksal Silvaner" bei Lukas Kraus – der Mann mit seinem Markenzeichen 'nie ohne Hut'. Ab 2014 sind seine Kreationen mit dem Vegan-Label vom Vegetarierbund Deutschland e.V. (VEBU) ausgestattet. Hier beobachte ich einen jungen 'Schlürfer' kurz vor Messeschluss, der da raunt: "Und dem Wein fehlt das Rückgrat." Schlürf, Spuck, Schluck: "Zu flach" – sein despektierliches Bemerken. Spuck, Schluck, Schlürf: "Nichts" – sein nächster Kommentar. Spuck, Schlürf, die Mundwinkel verziehend, seine weibliche Begleitung anschauend, Bewunderung erheischend und schon wieder: "Nein!" Spuck, Schluck: "Schmeckt nicht, gehen wir weiter." Mir bleibt ein Kopfschütteln über diesen "Weinkenner". 

Weiter geht’s zur "Bergrettung", dem gemeinsam erzeugten Wein der Steillagenretter, verrebt‘ als "der klitzekleine Ring", bestehend aus zehn Weingütern der Umgebung Traben-Trabach. Ihr Angebot: Riesling trocken, Spätlese und Auslese. Das gelbe Kreuz auf aquablauem Hintergrund ist ihr Markenzeichen.

Für den gewissen Abend zu zweit oder die Geburtstagseinladung als Mitbringsel, statt Kochbuch und Blumen, sei empfohlen das ultimative Rezept auf der Weinflasche: "Kochen – Liebe – Wein". Jede Flasche ist mit einem nachkochbaren Rezept auf dem Etikett ausgestattet, das passende Menü zur jeweiligen Rebsorte. Eine kulinarische Idee von Kerstin Getto verbandelt sich so mit den 'handgemachten' Weinen von Christian Brendel unter dem Motto "my cooking love affair". (christine.haas)