Rheinhessen: „Geschwisterweine“ aus Gundersheim

14.03.2015 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Gundersheim) - Wenn es um die Schönheit von Dörfern geht, dann war Gundersheim, ein Teil der Verbandsgemeinde Wonnegau im Landkreis Alzey-Worms, schon einige Male vorn dabei. Beim Wein hat sich der Ort noch keine Meriten erworben. Aber neuerdings macht hier ein junges Geschwisterpaar auf sich aufmerksam und sorgt dafür, dass man sich den Namen Bossert einprägen sollte.

 

Beide sind sie im Sternzeichen des Steinbock geboren. Das heißt, dass ihnen eine gewisse Hartnäckigkeit angeboren ist, und viel Fleiß mit Durchsetzungsvermögen. Philipp Bossert erblickte im Januar 1985 das Licht der Welt, seine Schwester Johanna war fünf Jahre später an der Reihe. Damals, 1990, begann Vater Hermann gerade mit der Selbstvermarktung von Wein, der auf 15 Hektar erzeugt und im Fass verkauft wurde. Dazu gesellten sich noch 40 Hektar Landwirtschaft.

Der Nachwuchs wurde von klein auf mit Wein vertraut gemacht und entwickelte viel Begeisterung für die Reben. So war der weitere Weg vorprogrammiert. Beide studierten sie in Geisenheim Weinbau und Oenologie. Sie tendierte vorher zwar mal zum Berufsziel Polizistin, dann waren Architektur und Design ein Thema. Aber diese Richtung schloss den Wein nicht generell aus. Auf den aus ihrer Sicht heute wohl richtigen beruflichen Weg kamen sie durch die prägenden studienbegleitenden Praktikas bei Bassermann-Jordan (Pfalz) und Georg Fromm (Graubünden/Schweiz) die beiden Stationen von Johanna sowie Bründlmayer (Kamptal/Österreich) und Château de Pommard (Bourgogne), wo Philipp Augen und Ohren aufmachte. Bald mischten sie im Rebbau mit und setzten zwischenzeitlich sogar Schafe für die Entlaubung ein. Die Dorfgemeinschaft schüttelte nur den Kopf über die forschen Geschwister aber es funktionierte.

Dem Vater wurden sie mit ihrer Energie vermutlich allmählich etwas unheimlich. Also rang er sich dazu durch, seinen Kindern eine Art Spielwiese zu schenken. Als da waren: vorläufig 2,3 Hektar für Geschwisterweine, dazu der Neubau einer Halle für den Ausbau, die noch etwas provisorisch wirkt, und hier eine Reihe von Tanks und Fässern, mit deren Inhalt sich Johanna und Philipp Bossert zu verwirklichen beginnen. Der Papa lässt uns völlig freie Hand, freut sie sich. Wir können vieles ausprobieren. Zwischen meinem Bruder und mir wird oft heftig, aber fair diskutiert. Und am Ende hoffen wir halt, dass uns der Vater etwas Lob spendiert.

In der hausinternen Ordnung orientieren sie sich bereits am Drei-Stufen-System, das der rheinhessische VDP vorgibt und das inzwischen auch von vielen Nichtmitgliedern praktiziert wird, nämlich Gutswein, Ortswein und an der Spitze der Lagenwein. Höllenbrand heißt die entsprechende Flur, südlich exponiert, mit Lösslehm und Kalksteineinlagerungen im Boden. Hier stehen Riesling (die feine Säure haben wir bei Bassermann-Jordan gelernt) und Spätburgunder (mit Lyraerziehung, wie bei Bründlmayer in Langenlois). Bei den Preisen zeigen Johanna und Philipp reichlich Selbstbewusstsein: 27 Euro für den Riesling, 30 Euro für den Spätburgunder. Auch die Ortsweine (Riesling, Weißburgunder und Spätburgunder) sind mit 15,70 Euro (Weiß) und 17,30 Euro (Rot) deutlich über dem üblichen rheinhessischen Niveau angesiedelt. Am preiswertesten ist der Gutswein vom Riesling (9,70 Euro).

Beim Spätburgunder ist derzeit 2012 aktuell, die sonstigen Weine sind aus dem Jahrgang 2013. Bald soll noch ein Portugieser von alten Reben die kleine Kollektion ergänzen. Der Vater hätte einige weitere Sorten zu bieten. Aber die Geschwister wollen sich auf die klassischen Varietäten beschränken. Dass sie beim Preis mutig einsteigen, ist auch mit der relativ geringen Flaschenzahl zu erklären. Exakt 7642 Buddeln wurden fürs Erste gefüllt; da muss man nicht über den Preis verkaufen. Das längerfristige Limit sind 65 000 Flaschen. Hinzu kommt, dass die Qualität durchgängig stimmt. Der druckvolle, komplexe Höllenbrand-Riesling hat durchaus das Format eines Großen Gewächses, ebenso der vielschichtige, im Abgang lange Spätburgunder. Man merkt an solchen Weinen und an den beiden anderen Kategorien, dass die beiden bei ihren beruflichen Werdegängen gut aufgepasst haben. Auch Sekt haben sie drauf und demonstrieren das mit einem noch nicht im Verkauf befindlichen, temperamentvollen Riesling aus klassischer Flaschengärung.

Alles ist Ausdruck unserer Idee, unserer Vorstellung vom Weinmachen, erklären die Geschwister unisono und schränken gleichzeitig ein: Wir stehen erst am Beginn unseres Winzerlebens. Aber dafür sind sie schon recht weit gekommen. Dass sie dabei immer wieder unkonventionelle Wege gehen, machten sie bei ihrer Maßnahme gegen die Kirschessigfliege im letzten Jahr vor der Ernte deutlich. Sie räumten beim nahen Edeka die Vorräte an zurückgegebenen leeren Plastikflaschen leer, füllten sie mit einer Mischung aus Wasser, Apfelmus, Wein und Spüli und hängten sie in den Reben auf. Mit Erfolg.